Sie ist wirklich komplett verrückt

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POV Seth

Sie denkt, ich würde es nicht bemerken.
Ach Kleines, schau dich ruhig weiter um, suche diese Shopping Mall mit deinen süchtigen Blicken ab. Sauge jedes Detail in dir auf, male dir in deinem Kopf doch schon einmal deinen Fluchtweg aus.

Sieh mal da drüben, ein offenes Fenster. Trau dich, komm schon, renn los...
Jedes Fenster, jedes noch so kleine Schlupfloch könnte dich retten.
Die Betonung liegt hierbei auf „könnte".

Meine Augen sind überall, man könnte sogar sagen, dass das gesamte Personal meinen Namen kennt und für mich die Augen offenhält.

Dass mir hier alles gehören kann und das mit nur einem einzigen Fingerschnipsen, eröffnet so einige Türen.

Ich habe die Kontrolle und ich denke nicht im Traum daran, sie jemals abzugeben.

Merke dir, kleine Französin. Ich bin dir einen Schritt voraus. Ich war es, bin es und werde es immer sein.

Du kannst rennen, flüchten, aber das Schachbrett ist begrenzt. Irgendwann wirst du doch in meine Arme fallen und dann - das verspreche ich bei meiner Mutter Rosamaria - gibt es kein Zurück mehr.

~

Inéz tappst unbeholfen umher und ich sehe sie vor mir. Die kleine Bauerin, die nichts unversucht lässt, einen Zug nach dem anderen vornimmt. Doch ihre Welt bricht trotzdessen in sich zusammen, als der schwarze König das alles zu Nichte macht, mit nur einem mächtigen Schritt.

„Ich möchte diese Schuhe probieren." Inéz sucht meinen Blick auf und schaut mich erwartungsvoll an. Was ist aus dem Mädchen geworden, das bis gerade eben noch, kein Geschenk annehmen wollte?

Sie ist wirklich komplett verrückt. Ihre Stimmungen schwanken stärker, als das rasendste Meer.

„Diese schwarzen High Heels meinst du?" Vergewissere ich mich.
„Ja, genau die. Und dazu möchte ich noch dieses dunkelrote Samtkleid." Sie zeigt enthusiastisch auf das aufreizende Kleid und rennt damit in die Kabine.

„Woher kommt der plötzliche Sinneswandel? Jetzt gibst du auf einmal mit Freuden unser Geld aus." Ich verschränke meine Arme und schüttele ungläubig den Kopf.

„Wenn ich schon gegen meinen Willen festgehalten werde, dann doch wenigstens mit Klasse. Dieses Kleid, diese Schuhe sind einfach wunderschön!"

Sie ist echt unberechenbar.

„Ich will es sehen, wenn es mir gefällt, bezahle ich es."
„Nein, du wirst es nicht sehen. Ich ziehe es für mich an, für mich alleine!"

Was für eine Zicke sie doch ist.

„Gut, du lässt mir keine Wahl. Dann komme ich eben rein und sehe es mir dort an."

„WAS- NEIN?!" Und ehe sie mir ein Schimpfwort gegen den Kopf werfen konnte, war ich bereits hinter der Gardine hervorgetreten.

Sie schaut genervt auf den Boden und ich betrachte sie haargenau. Ein paar Sekunden später laufe ich wieder aus der Kabine raus und setze mich auf die elegant aussehende Couch.

Ich zücke meine Kreditkarte.
„Ich bezahle."

„Also gefällt es dir....", sie kommt aus der Kabine und drückt mir das Kleid und die Schuhe entgegen.
Ich laufe zur Kasse und bezahle es.
Ich würde ziemlich dumm dastehen, wenn Jaro heute alles bezahlen würde.

„Ihr habt also noch was Schönes gefunden?" Wenn man vom Teufel spricht, da kommt er schon und hinter ihm schlendert der genervte Spice. Seit Stunden trägt er die Tüten umher und seine Arme machen das nicht mehr lange mit, ich kann bereits das leichte Muskelzittern beobachten.

„Lange genug Geld aus dem Fenster geworfen, wir gehen jetzt." Ich schaue auf meine Uhr, die bereits 19 Uhr anzeigt. Mist, das wird eine lange Telefonkonferenz, mit lauter dummen Hohlköpfen, werde ich bis in die tiefe Nacht diskutieren und neue Waren bestellen.
„Können wir nicht noch kurz bleiben? Ich wollte noch zu diesem einen Laden und -
„Es war keine Frage, es war ein Befehl. Wir gehen JETZT." Jaro verdreht genervt die Augen, wenn es nach ihm ginge, würden wir hier noch mehr Zeit verschwenden.

Spice stöhnt erleichtert aus und verstaut die Klamotten, Schuhe, den Schmuck und vieles weitere in den Kofferraum.

„Alle bitte einsteigen."

Inéz zögert. Ich trete hinter sie und das hat wohl schon gereicht. Rettend flieht sie auf die Rückbank und Jaro setzt sich neben sie.

Der Wagen startet und ich schließe müde meine Augen. Ich habe seit mindestens drei Tage kein Auge mehr zugedrückt und so langsam reicht's mir und zwar gewaltig.

„Verrate es nicht Seth, aber ich hab dir das rosa Kleid doch noch gekauft, während du und Seth das dunkelrote Samtkleid gekauft habt. Pssst!"

Ein Kichern entweicht Inéz.

„Denkt ihr wirklich, dass ich das nicht gehört habe? Schiebt euch dieses rosa Kleid sonst wohin."

Sie verstummen und ich lehne meinen Kopf gegen die Scheibe. Beinahe wäre ich eingeschlafen, aber das darf ich mir nicht erlauben. Nicht in meiner Position. Ich muss immer die Augen offen halten, die Kontrolle behalten und das Geschäft am Laufen halten.

„Du hast uns heute arm gemacht Inéz." Lacht Jaro und sie kichert erneut. Wie wahnsinnig nervig das doch klingt, dieses quietschende Geräusch.

„Mich hat sie jedenfalls nicht arm gemacht. Und doch habe ich ihr das - mit Abstand - schönste Kleid gekauft." Sorry, das musste raus. Nein warte mal... eigentlich kein sorry. Es tut kein bisschen weh.

„Du bist ein Idiot." Jaro stöhnt.
„Ich weiß und ein geiler dazu." Gute Nacht ihr Pisser.

(Danke für's Lesen <3 Ihr schenkt Seth gerade die nötige Aufmerksamkeit, nach der er sich so sehnt)

Bring mich nicht in VersuchungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt