Das was er will, zählt und er will mich

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POV Inéz

Ich habe mich den gesamten Abend wie ein Beistellpüppchen gefühlt, das weder ihre Meinung, noch ihre wahren Ansichten kundgeben darf. Außer brav lächeln und nicken - was ich natürlich nicht tat - war mir sowieso nichts gestattet.

„Gestattet"? Klingt verrückt...wir sind doch nicht mehr im Mittelalter verdammt.

Ich verabscheue dieses Gefühl, nicht richtig respektiert zu werden.
Bei meinem Vater Steffan war es nie anders ... er hat Mum nie respektiert und bei mir hat er es ein paar mal versucht, aber scheiterte immer aufs Neue.
Ich fühle mich nicht verstanden, nicht gehört.

Es ist klar, dass Seth einen Nutzen aus mir ziehen will, ansonsten wäre er mich längst losgeworden.
In diesem Fall, erfülle ich den Nutzen als seine Begleiterin.
Mir ist alles recht, solange ich nicht wieder in Jack's Fänge geraten muss. Verhältnismäßig, habe ich es noch gut erwischt, mit Seth und Jaro. Ich meine, es hätten auch Vergewalt*ger sein können oder welche, die Sklavenhandel betreiben.

Ich bin ohne ein Wort aus Seth's Wagen ausgestiegen und in „mein" Zimmer gelaufen, das hat ihn bestimmt tierisch aufgeregt. Ich glaube ehrlich, dass Seth ein Monster werden kann.
Er hat sich bis jetzt zurückgehalten, aber das nur, weil ich mich erstmal an die neue Situation gewöhnen muss und gestern von einem Mann angegriffen wurde.

Er hat mich oft genug gewarnt, dass er normalerweise anders tickt und seine Mädchen fest im Griff hat. Was er genau damit meint, weiß ich nicht, aber will ich es auch nicht wissen.
Er ist undurchschaubar...mal „witzig", mal ernst, mal sogar freundlich? Es ist verwirrend.

Bis zu dem Punkt verwirrend, dass selbst die Verwirrung verwirrt ist. Klingt ziemlich kompliziert, aber ich kann ihn einfach nicht einschätzen und das macht mir unfassbare Angst.

Jeden Tag, werde ich ein Stückchen frecher, teste seine Grenzen aus und seine Geduld nimmt bereits jetzt ab. Dabei habe ich nur einen höchstens 15 prozentigen Einsatz gewagt... bei 100 Prozent meines Temperaments, würde er mich wahrscheinlich gegen die nächst beliebige Wand schlagen.

Ich liege im Bett und schaue hinaus in die unendliche Nacht. In den Himmel, die Sterne, den Vollmond. Das ist die Freiheit, nach der ich mich Tag für Tag sehne. Eines Tages, vielleicht, werde ich diesen Sternenhimmel betrachten, mit dem Wissen, dass kein Fenster und keine Türe verschlossen ist.
Dass ich jederzeit hinaus kann,
tun und lassen kann,
was ich will.
Nur ich allein. Es kann doch unmöglich so schwer sein?

„Mein" Zimmer besitzt sogar einen Balkon, doch die Glastür ist ebenso verschlossen. Ich würde mir sonst eine Kuscheldecke schnappen und mich mitsamt einer heißen Schokolade dort draußen hinhocken und die frische Luft in meiner Seele aufnehmen. Den erdigen Geruch des angrenzenden Waldes, die süßen Düfte der Blumen, der Ruhe und des langsam endenden Sommers.
Dafür lebe ich.
Und nicht für meinen Körper, der in einem fremden Bett, hinter Mauern von all' dieser Schönheit weggesperrt ist. So nah und doch so fern von der Freiheit.

Ich will gerade meine Augen schließen, als ein kleines Klirren an der Balkontüre zu vernehmen ist.
Ist da etwa ein Vogel gegen die Scheibe geflogen? Armes Kerlchen.
Ich stehe schnell auf und schaue durch die Glastüre, in die dunkle Nacht hinaus. Ich erschrecke mich, als hintereinander, kleine Kieselsteine gegen das Glas aufprallen. Was zum?!

Ein schwarzes Seil schwingt sich um das Balkongeländer und hakt sich an einer der Säulen fest. Mein Herz beginnt heftig zu pochen und ich rede mir ein, dass Seth sich einen nächtlichen   Scherz erlaubt.

„Inéz? Ich bin's! Inéz, mach auf." Ein junger Mann springt auf den Balkon und ich bleibe wie angewurzelt stehen. Es ist Jack und das Einzige, das mich von ihm trennt, ist die verschlossene Glastüre. Ich kann nicht in Worte fassen, wie sehr ich das gerade schätze.

Alle Erinnerungen schießen wieder in meinen Kopf und ich beginne, meine Nägel in die Haut zu kratzen. So stark, wie beim Duschen. Ich muss etwas anderes fühlen, als seine dreckigen Finger.

„Jack?" Meine Lippen zittern beim Aussprechen seines Namens.

„Meine Schönheit, hab' keine Angst. Ich hole dich hier raus, du musst nicht mehr leiden!" WEGEN DIR LEIDE ICH, DU SCHWEIN?!

Ich bekomme eine Panik, die in Worte nicht zu beschreiben ist. Klar denken ist nicht drin.

Er klopft erst gegen die Scheibe, aber als er langsam realisiert, dass ich mich nicht über seinen Besuch freue, hämmert er immer aggressiver.
„Mach' auf Inéz! Es wird alles wieder gut. Ich bins doch, dein bester Freund."

„Das warst du einmal. Lass' mich bitte in Ruhe Jack. Bitte."

Sein Blick verfestigt sich und es scheint ganz danach, dass meine Meinung keine Rolle spielt. Das was er will, zählt und er will mich.

Diese Wut, gepaart mit Lust, ziert seine giftigen Augen und ich renne aus dem Zimmer, lasse ihn am Balkon zurück.

~

„Seth' HILFE SETH!" Ich renne in sein Zimmer und rüttele ihn aus seinem Schlaf. Er hat viele Tage nicht mehr geschlafen und vor lauter Müdigkeit, ist er in seinem maßgeschneiderten Anzug eingeschlafen.

„Was?! VERDAMMT. DIESE PAAR STUNDEN BRAUCHE ICH JETZT MEINE SCHEISS RUHE!"

„SETH, JACK... auf meinem Balkon..i-ich..", ich heule unkontrolliert los und ehe ich mich versehe, ist Seth aufgesprungen und aus seinem Zimmer gerannt.

Ich zähle eins plus eins zusammen und schleiche den Gang hinunter, zurück zu „meinem" Zimmer. Ich weiß nicht, wo Seth seine Waffen lagert, aber schon hat er eine und zielt sie direkt auf Jack. Ich reiße die Augen auf, als ich all' die Glassplitter sehe. Jack hat ernsthaft die Balkontüre eingeschlagen, um mich zu holen? Vergewalt*ger, jetzt Einbrecher?! Mir wird bewusst, wie wenig ich ihn eigentlich kenne.

Wäre ich nicht gerade eben zu Seth gerannt, hätte Jack mich bekommen und sonst was getan. Ich spüre jetzt schon die positiven Effekte von Seth's Training. Ich bin weggerannt und habe nach Hilfe gesucht, denn es ist besser ein Feigling zu sein, als einen Dutzend Knochenbrüche abzubekommen oder gar Schlimmeres. Danke Seth.

Er hat Jack auf die Knie gezwungen und hält ihm die Pistole gegen die Schläfe.

„Inéz?! Ich bin dein Jack. Was hat dieser Drogenboss dir angetan, du bist nicht mehr du selbst. Du holst ihn zur Hilfe? Du willst dich vor mir retten? Inéz, ICH BIN ES!" Brüllt Jack.

„HALT SOFORT DEINE VERF*CKTE FRESSE DU FRAUENSCHÄNDER ODER DU WIRST ES BEREUEN!" Droht ihm Seth, mit einem gefährlichen Unterton.

„INÉZ DU HURE! DEIN VATER HATTE RECHT DAMIT, DASS DU DES DROGENBOSSES PRIVATE HURE WIRST!"

Mein Vater? Was?! Ich, eine Hure?

Ich sehe nur noch verschwommen und spüre warme Hände, die mich beschützend in den Arm nehmen.
„Inéz, komm, wir gehen ins Bett." Versucht mich Lydia zu besänftigen und nimmt mich mit zu einem anderen Schlafzimmer. Sie deckt mich behutsam zu und legt sich neben mich.

„Seth kümmert sich um den Idiot. Alles wird gut werden, meine tapfere Inéz." Ich umarme Lydia und weine mich in den Schlaf. Ihre Nähe tut mir unglaublich gut, lenkt mich wenigstens ein bisschen ab.

Was passiert mit Jack?
Wird Seth ihm wehtun?

(Danke für's Lesen <3 Gerne Votes dalassen ;)

Bring mich nicht in VersuchungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt