Bring mich nicht in Versuchung

Verletzlichkeit ist etwas Kostbares in dieser Szene

POV Seth

Nach dem Mittagessen, habe ich mich in mein Arbeitszimmer gesetzt, um mal wieder etwas produktiver zu werden. Naja, heute Nacht war ich schon ziemlich produktiv gewesen.
Jack's ängstlichen Gesichtsausdruck hätte ich nur zu gerne fotografiert....jetzt betrachte ich das Bild seines toten Körpers. Spice hat ihn nicht nur verschwinden lassen, sondern auch gleich ein Erinnerungsfoto geschossen. Er braucht dringend eine Gehaltserhöhung!

Ich wende den Blick vom Bild ab und schaue aus dem Fenster. Dort sitzt Inéz im saftgrünen Gras, sie hat etwas Erde ausgehoben und ist völlig in ihrem Element. Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der mit solch' einer Begeisterung Blumen pflanzt.
Wieso behaarte sie so auf Mohnsamen?
Ich meine, ist nicht wirklich was Typisches...oder? Ich denke bei kleinen Mädchen schon eher an Tulpen, Rosen oder diese kleinen Dinger da... wie nennt man die nochmal? Gänseblümchen, genau! Aber nein, für die feine Dame sollten es ja so unbedingt Mohnblumen werden.

Ich krieg mich nicht mehr ein vor Lachen! Da hat Inéz doch ernsthaft das Gleichgewicht verloren und ist geradewegs in den Erdhaufen gefallen. Sie schaut sich peinlich berührt von rechts nach links um und versucht die Erdbrocken von ihrem Kleid abzuschütteln.
Ich hole mein Handy heraus, öffne die Glastüre zum Garten und bewege mich in ihre Richtung. Ich nehme ein Video auf und als sie mich erwischt, schlägt sie die Hände vor's Gesicht und kehrt mir den Rücken zu.

„Lass das Seth!" Quietscht sie und ich stoppe die Aufnahme.

„Wie siehst du denn aus?" Ich trete zu ihr heran und nehme ihre Hände aus dem Gesicht.

„Schau was du getan hast, Inéz. Mit deinen Dreckspfoten hast du dein Gesicht angefasst....", ich versuche mit meinen Fingern, etwas Erde aus ihrem Gesicht zu kriegen.

Sie macht einen Schritt zurück und widmet sich erneut dem Blumenbeet.
„Wieso ausgerechnet Mohnblumen?" Frage ich sie beiläufig.

„Ich mag sie eben am liebsten."

„Wie es scheint,  bist du eine Frau weniger Worte."

„Ich bin keine Frau, ich bin erst 18, ich bin noch zu jung...", murmelt sie vor sich hin. Alles klar?!

„Was willst du damit sagen, Inéz? Ich weiß, dass du 18 bist. Willst du also <Mädchen> genannt werden, anstatt <Frau>? Gut, soll mir recht sein." Ich schüttele gewitzt den Kopf.

„Seth, was passiert mit mir, wenn ich nicht mehr deine Begleitung spiele?" Sie reibt ihre Hände verunsichert gegeneinander.

„Wieso solltest du nicht mehr meine Begleitung spielen?"

„Keine Ahnung, irgendwann suchst du dir ja wieder eine Neue. Ich werde es wohl kaum bis zu deinem Tod bleiben."

„Machst du dir Sorgen? Armes Mäuschen, will mich nicht verlieren...", ich schaue sie überlegen an. Alles was sie gerade braucht, ist Bestätigung.

„Du wirst noch lange meine Begleitung sein, mache dir da mal keine Sorgen Kleines."

Woher kommt ihre Unsicherheit auf einmal? Ich meine, sie wollte doch bis jetzt nicht einmal mit mir zu Meetings gehen und jetzt will sie es so unbedingt?!

„Ich werde nicht eines deiner Mädchen, Seth." WAS SAGT SIE DA?!

„Rede bitte keinen Unsinn, Inéz. Du bist doch bereits mein Mädchen." Sie ist meins, daran wird sich von nun an nie mehr etwas ändern.

„Ich werde nicht eine deiner du-weißt-schon-Mädchen....", ihr Blick wird steinhart.

„Ohhhhhh...eine meiner <du-weißt-schon-Nutten-Mädchen> meinst du?" Deswegen hat sie mich also nochmal darauf hingewiesen, dass sie erst 18 ist. Sie will zu keiner Nutte mutieren.

„Wann wirst du denn 19 ?" Ich lächle verschmitzt.

Sie verschränkt die Arme abweisend.
„Geht dich einen FEUCHTEN DRECK an!"

„So redet man aber nicht mit seinem Boss!" Ich schucke sie auf den FEUCHTEN DRECK Haufen, indem sie gerade erst hineingefallen war. Sie stöhnt genervt und schmiert sich den Schlamm aus dem Gesicht.

„Wann hast du Geburtstag INÉZ?! Nächstes Mal wird es keine so angenehme Landung sein."

„Am 01.Januar...."

„Soll das ein schlechter Scherz sein? Ich schucke dich gleich wieder!"

„NEIN, da habe ich wirklich Geburtstag. Meine Mutter sagte mir immer, dass die Raketen extra für mich den Nachthimmel erleuchten, es war immer mein Geschenk."

„Am 01.Januar, Silvester....also. Das ist wohl der besonderste Tag, den man als Geburtstag haben kann." Da werde ich schon neidisch, ich hätte auch so einen ausgefallenen Geburtstag verdient...

„Wieso <war> es dein Geschenk? Ist es das etwa nicht mehr, hat das Ganze seinen Reiz nach 18 Jahren verloren?" Ich muss schmunzeln.

„Oder liegt es daran, dass du später realisiert hast, dass die Raketen nicht WEGEN DIR hochgehen, sondern weil sich das Jahr wechselt?" Ich zwinkere ihr zu.

Ihre Augen werden glasig. Naja, vielleicht ist das ja ihre Art zu lachen? Jeder drückt Emotionen verschieden aus.

„Nein, ich feiere meinen Geburtstag nicht mehr seit ich 6 bin. Meine Mutter nahm sich das Leben und seitdem hasse ich diesen Tag." Sie setzt einen weiteren Samen in die Erde und ich schlucke. An ihrem sechsten Geburtstag? Das ist hart.

„Tut mir leid. Ich verlor vor ein paar Jahren meine Eltern, der verf*ckte Hurensohn Miguel Padre hat sie umgebracht. Ich trauere nicht, ich will mich aber rächen. Bis in die tiefste Ecke meiner Seele, will ich ihn leiden sehen. Selbst die Eltern von Jaro hat er getötet." Er ist mehr Monster, als ich je sein könnte...
Naja, ich kann schon mehr Monster sein, aber etwas Selbstachtung hat noch keinem geschadet. Lediglich seine Frau Eva nahm ich ihm. Ich war - für meine Verhältnisse - noch ziemlich nachsichtig. Letztens im Club, da habe ich Miguel's Tochter kennenlernen dürfen. Ich bin begeistert, dass er noch eine Schwachstelle hat. Verletzlichkeit ist etwas Kostbares in dieser Szene.

„Ich habe das mit deinen und Jaros Eltern bereits gehört. Natalia hat es mir erzählt." Sie schaut mich traurig an. „Mein Beileid." Ergänzt sie noch.

„Natalia?" Manchmal könnte ich sie töten. Sie kann echt so eine Tratschtante sein. Aber ich werde sie nicht loswerden, denn normalerweise, bringt sie mir viel Geld ein und hat eine natürliche, attraktive Aura. Für mich persönlich nicht, aber der Geschmack der Kunden steht an erster Stelle. Und die Kunden wollen Natalia, also bekommen sie Natalia.

„Natalia ist meine neue Freundin, genauso wie Lydia." Lächelt Inéz.

„Lydia, du meinst das blonde Zimmermädchen?"

„Ja."

„Ähm gut okay....ich überlasse dich dann mal wieder dem Blumenbeet." Verabschiede ich mich, denn Spice hat mir eine Nachricht zugeschickt.
<Boss, es ist dringend. An der Eingangstüre haben Sie Besuch!>

Wer mag wohl am frühen Nachmittag, meine „erdige" Gesprächsrunde mit Inéz stören?
Ich hoffe für denjenigen, dass sich meine vielen Schritte zur Türe gelohnt haben.

(Danke für's Lesen <3 Hat hier jemand von euch, auch ein Beet angelegt ;) ?