Bring mich nicht in Versuchung

Ich bin doch keine Lehmfigur

POV Inéz

Vater kommt mich heute besuchen.
Wahrscheinlich holt er mich hier raus, denn die Ärztin macht keinerlei Fortschritte mit mir.

„Morgen, Ms Padre. Heute wird geduscht. Wir müssen die Sünde aus Ihnen herauswaschen." Sie macht ihren Kittel zurecht.

„Sie klingen wie eine gestörte Furie."

~

Im gruseligen Badezimmer angekommen, entledige ich mich -nicht vollständig- meiner Klamotten und steige in die Badewanne.

„Können Sie den Raum verlassen? Das ist mehr als unangenehm." Die Doktorin schüttelt verneinend den Kopf.

„Ihr Vater erzählte mir, Sie seien im Badezimmer von einem gewissen Jack Winster gefilmt worden. Ich bin hier, um sicherzustellen, dass diesmal alles reibungslos verläuft. Ihre Privatsphäre ist bei mir in guten Händen."

„IM BADEZIMMER GEFILMT WORDEN?! Wovon sprechen Sie?!" Jack hat mich gefilmt? Mein Vater hat das Video gesehen? Mir wird kotzübel.

Jack's Hände haften noch immer blass auf meiner Haut... ich werde mich immer schmutzig fühlen, so oft mich diese Schwachmatin auch „reinigen" wird.

Eigentlich ist das alles jetzt auch egal... was hat das noch für eine Bedeutung? Ich bin hier drinnen sowieso verloren und was spricht die Ziege von Privatsphäre?! Ihre Augen fressen sich in meine Haut, während sie meinen Körper mit Wasser beschüttet.

„Merken Sie nicht, wie erleichternd das ist?"

Nein, ich fühle mich kein Stück besser, aber wenn ich hier raus will, muss ich mitspielen.

„Ja, ich fühle es geradezu. Es ist, als würde sich meine Seele der Reinheit selbst offenbaren. Doktor, Sie sind ein heilendes Genie!"

„Habe ich es nicht oft genug gepredigt? Irgendwann, wirkt die Therapie und es scheint ganz so, als seien Sie auf dem richtigen Weg. Natürlich noch lange nicht so weit, um Sie zu entlassen, aber ich bleibe optimistisch!" Sie stützt sich auf und verlässt das Bad, um die ersten Fortschritte zu notieren. Endlich alleine.

Wann komme ich hier raus?!
Vater, wieso bist du nur so?

Reicht es nicht, wie du Mutter behandelt hast? Sie nie als deine <Frau> betitelt hast?
Sie war Dreck unter deinen Füßen.
Sie war eine Prostituierte und das Einzige was ich dazu sagen kann, ist, dass es mich nicht einen Hauch interessiert. Sie ist immer noch dieselbe für mich.

Aber für DICH? Nein, für dich nicht. Für dich war sie schon immer Abschaum, die Unreinheit und Schuld in Person. Jetzt setzt du alles auf eine Karte, versuchst mich durch verrückte Therapien so hinzubiegen, wie es dir recht ist.

Ich bin doch keine Lehmfigur, die du nach Lust und Belieben verformen kannst. Scheiße Vater, ich bin menschlich, aus Fleisch und Blut, eine Kombination aus Gefühlen, Verstand, Erinnerungen und Hoffnungen. Ich bin nicht das, was du willst. Ich bin ich. Wieso akzeptierst du das nicht einfach? Passt es nicht in dein mickriges, von Reinheit besessenes Hirn rein?!

„Aus der Badewanne Ms Padre. Es wird Zeit für die Unterleib-Untersuchung."

„Was meinen Sie damit?" Ich darf nicht ausrasten, weder beleidigende Kommentare von mir geben, sonst bleibe ich hier auf ewig gefangen. In diesem verschlossenen Raum der Keuschheit.

„Ihr Vater ließ mir eine Mail zukommen. Ich bin untröstlich über Ihr unsittliches Verhalten. Soeben hatte er ein Gespräch mit diesem Mr Soarez..."

Seth? Oh nein. Wenn die beiden ein Gespräch hatten, wird mindestens einer der beiden nicht lebend da raus gekommen sein. Da Vater eine Mail verschickt hat, will ich gar nicht wissen, was er mit Seth angestellt hat. Jetzt ergibt alles einen Sinn. Er ist ein Padre, in solch' einer Familie aufzuwachsen macht einen krank.

Mein Vater ist krank.

Krank
Im
Kopf.

„Was steht in der Email?"

„Das Gespräch macht Ihren Vater sehr wütend. Mr Soarez hat Sie wohl berührt, an Stellen, die ich nicht auszusprechen vermag." Sie schüttelt beunruhigt den Kopf und seufzt enttäuscht.

Kann die Olle auch in normalen Sätzen sprechen? Das ist alles so spießig.

Wieso hat Seth SOWAS meinem Vater erzählt? Tickt der nicht mehr richtig? Wie kann er so dumm sein? Welcher Entführer, würde in solch' einer Situation, SOWAS dem Vater seines Entführungsopfers erzählen? Jetzt wird er mich erst recht nicht hier rausholen.

Ein Klingeln ertönt und das muss dann wohl Vater sein. Ich muss Ruhe bewahren. Er stürmt in den Raum, sein Blick ist voller Scham, Wut und Ekel.

„Du hast ihm dein wertvollstes einfach so gegeben? Berührt hat dich dieser W*xxer!? Was bist du nur für eine dreckige Nutte? Lässt die Finger deines Entführers zwischen deine Beine gleiten? SAG MIR INÉZ? HAT ES DIR GEFALLEN?!"
Er packt meine Schultern und schüttelt mich durch. Ich sehe nichts mehr, außer viele böse Augenpaare, die mich wertend angaffen und ineinander verschwimmen.

„NEIN VATER, BITTE! Es war ein Ausrutscher. Ich werde ihn nie wieder an mich ranlassen."

„Lüg' doch nicht!"

„ICH LÜGE NICHT VATER! Ich bin klein, rein und unschuldig, schon vergessen?! Vater ich bin so, wie du mich willst. Ich werde ein besserer Mensch! Ich schwöre es!" Ich werde hier drin verrückt. Ich bekomme einen Knacks.

„Das musst du mir beweisen. Ich gebe dir ein paar Wochen Zeit, mich von deiner Reinheit zu überzeugen."

„Was soll ich tun?"

„Nichts sollst du tun, nur widerstehen."

Widerstehen?

~

Er verlässt den Raum und kommt nach einigen Minuten zurück. Ich reiße die Augen unglaubwürdig auf. Das ist Seth! Scheiße.

Ist er tot? Er bewegt sich nicht. Vater trägt ihn auf das Bett und wendet sich zurück zu mir.

„Vater, was tust du mit ihm? Wie hast du ihn gefangen genommen? Was wird das hier?!"

„Ich stelle dich auf die Probe. Ihr beide, hier eingesperrt, keiner weiß wo ihr seid, keiner wird euch retten. Widerstehe ihm und erst dann, werde ich mir eventuell überlegen, dich zurück zu mir ins Anwesen zu holen." Das ist krankhaft. Mein Vater stellt ein gestörtes Versuchsprojekt auf die Beine.

„Und Seth? Was wird mit ihm passieren?!" Vater verpasst mir eine Ohrfeige.

„Das kann dir doch egal sein. Schau, ich kann dir nicht vertrauen. Wärst du rein, wäre dir sein Schicksal egal. Du brauchst keine Männer, außer deinen Vater und Onkel. Wir werden dich beschützen."

~

Mein Blick fällt auf Seth, der dort reglos liegt.
Ich kann das alles nicht glauben.
Besonders schockiert es mich, dass ich nicht mehr in Miguels Anwesen bin. Ich dachte die letzten Wochen, ich sei immer noch dort?

Wo bin ich jetzt? Ist das eine Art Erziehungsanstalt? Was für Versuche wollen sie hier mit mir und Seth durchführen?

Was wird Seth mir antun, wenn er erfährt, dass ich eine verdammte Padre bin?
Wird er verändert sein?
Hat er mich vermisst?
Wie wurde er gefangen genommen?
Wollte er mich vielleicht zurück zu sich holen?

„Ich gehe jetzt. Enttäusche mich nicht erneut."
Vater geht und mit ihm diese eigenartige Ärztin.
Die Tür fällt langsam ins Schloss und ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Seth, wir sind verloren.

(Danke für's Lesen <3 Gerne Kommis dalassen oder Votes 🌟 ;)