POV Inéz
Seth hat die beiden Krawatten gekauft, die ich ihm ausgesucht habe und Spice scheint die gute Laune vergangen zu sein.
„Wo ist die gelbe? Ich sehe hier nur eine mattschwarze und eine graue." Er schnaubt und fühlt sich offensichtlich angegriffen, weil er den Berater spielen wollte.
„Ich kaufe nur, was mir steht." Gibt Seth entschlossen zurück und blickt auf seine silber blitzende Uhr.
„Du hast doch gesagt, dass dir die gelbe Krawatte steht, die ICH ausgesucht habe..."
„Ich habe meine Meinung geändert und jetzt Schluss mit diesen Banalitäten. Wir suchen noch ein paar Kleider für unseren Gast." Seth fordert mich auf, ihm zu folgen und das tue ich - wenn auch etwas zögerlich. Jaro lächelt mich ermutigend an und wir betreten den ersten Laden. Spice bleibt vor dem Laden stehen und setzt einen eiskalten Blick auf, als müsse er dort draußen Wache halten und den Überblick behalten.
~
Ich schaue mich um und bin überwältigt. In der kleinen Stadt, wo ich herkomme, gibt es sowas nicht.
Die Decke ist so hoch gebaut, wie die eines Palastes. Die gesamte Boutique ist in goldenen Farben gestaltet und ich komme aus dem Stauen nicht mehr heraus.Weiße, hohe Säulen ragen bis zur Decke und erinnern an griechische, alte Tempel. Diese Details, mit den vergoldeten zarten Pinselstrichen.
Dieser unglaubliche Geruch von frischen Rosen und einem warmen Sommerwind benebelt meine Sinne.
Jaro schlendert an den Mannequins vorbei, die wunderschöne Kleider und Schmuck tragen und bleibt an jeder stehen, um mich zu überzeugen, etwas auszusuchen. Ich bin zu verzaubert von diesem Anblick, um ihm Beachtung schenken zu können.„Gefällt dir was du siehst?" Reißt mich Seth aus den Gedanken, während er seine Hand über die Stoffe gleiten lässt.
„Es ist unfassbar....", ich drehe mich im Kreis und nehme diese Schönheit in meiner Seele auf, so als könne sie diese Leere füllen. Vielleicht tut sie es auch, wenn auch nur für einen Moment.
Denn jetzt ist dieser Moment vorbei und ich laufe einfach Gang durch Gang ab.
„Was ist mit diesem Stück hier? Rosa steht dir bestimmt sehr Inéz." Jaro drückt mir ein Kleid in die Hand und schiebt mich in eine Umkleidekabine.
„Wir warten dann draußen und wollen es sehen!" Fügt er euphorisch hinzu und ich atme tief ein und ziehe das Kleid an. Ich fühle mich wie ein Objekt, das sie gestalten und formen wollen.
Ich gehe raus und als die beiden mich betrachten, fühle ich mich plötzlich wie auf einem silbernen Tablett präsentiert. Wie ein Geschenk, ein Preis, ein Ding zum Betrachten.„DAS IST WUNDERSCH"-
„Das Kleid steht dir nicht." Unterbricht Seth Jaro.
„Was redest du da? Sie sieht ziemlich süß aus!"
Jaro funkelt mich an und eine Übelkeit steigt in mir auf. Klar, er ist recht nett zu mir, aber er ist ebenso ein Mörder, ein Folterer, ein jemand, der damit einverstanden ist, mich gefangen zu halten.„Nein. Nimm lieber das hier." Seth reicht mir ein dunkles Kleid und ich verschwinde erneut in der Kabine, um es anzuprobieren.
„Was ist dein Problem? Das Kleid stand ihr super!"
„Ich mag dunkle Farben an einer Frau mehr."
„Ich bezahle ihre Kleider, also hast du kein Mitspracherecht Seth!" Knurren sich die beiden an und ich lausche interessiert.„Ich mag das hier etwas mehr als das Rosane....", unterbreche ich die beiden und laufe aus der Kabine.
Jaro fällt die Kinnlage runter.
„Ich nehme alles zurück Seth, das hier ist ... es ist...", sein Mund ist trocken.
„... es ist perfekt." Beendet Seth den Satz.Ich erstarre, denn sein Blick ist partout nicht zu deuten. Er blickt einfach nur auf meine Gestalt und gibt keine Emotionen preis.
Jaro scheint seine Stimme wieder zurückbekommen zu haben.
„Inéz, wir nehmen jetzt einfach alle Kleider mit, die dir ins Auge stechen. Sie werden alle super aussehen." Er ruft den Verkäufer zu sich und fordert diesen auf, alle Kleider aus dem gesamten Laden einzupacken, die in meiner Größe sind.„Nein! NEIN! Das ist nicht nötig!" Versuche ich ihn umzustimmen, doch vergebens.
„Das ist doch das Mindeste. Es wird auch mir eine Freude machen, dich in den folgenden Monaten mit diesen Kleidern zu sehen."
Folgenden Monaten? Es werden wohl eher Jahre und wenn sich DIE passende Gelegenheit ergibt, werde ich sie ergreifen. Ich werde hier rauskommen. Ich lasse meine Sympathie doch nicht erkaufen durch teure Klamotten.
„Ich möchte nicht so viele Kleider, bitte! Können wir uns nicht fürs erste auf 15 Stück einigen?" Versuche ich es ein letztes Mal und diesmal stimmt er zu.
Auf einmal habe ich 15 sündhaft teure und entblößende Kleider und weiß nicht, wann ich diese überhaupt anziehen werde. Wenn es nach mir ginge, hätten es schlichte Kleider und Jeans auch getan.
„Dankeschön." Ich lächele Jaro an, der gerade seine Karte zurück in den Geldbeutel wandern lässt.
„Heute Abend möchte ich dich damit sehen, beim gemeinsamen Abendessen." Er nimmt mich bei der Hand und wir laufen in den nächsten Laden.Abendessen? Gemeinsam? Mit diesem Kleid? Will er mich verarschen. Die zwei denken doch echt, dass ich ein geldgeiles Mädchen bin, das sich einfach so fügt und mit ihnen zu Abend isst, als wäre nichts passiert. Ich wurde verdammt nochmal fast vergewalt*gt, gekidnappt und nun GEGEN MEINEN WILLEN festgehalten.
Die nächsten Läden beachte ich schon gar nicht mehr. Jaro redet auf mich ein, lächelt, lacht, die Einkaufstüten stapeln sich und ich sehe nur noch verschwommen. Ich bin stumm. Ich fühle nichts.
Spice läuft hinter mir und lässt mich nicht aus den Augen, so als könne er spüren, dass ich jeden Moment abhauen will. Ich höre ein angestrengtes Keuchen seinerseits, als Jaro ihm die gefühlt hundertste Tüte in die Hand drückt.
Seth telefoniert die gesamte Zeit und ab und zu wirft er mir einen prüfenden Blick zu.
Es ist wie ein Käfig, in dem ich festsitze, weggesperrt von der Freiheit. Ein vergoldeter Käfig, in dem ich mich gut benehmen muss, damit Seth - der die Schlüssel zu meiner Freiheit in seinen Händen hält - mich nicht für immer dort festhält.
Ich kenne ihn nicht gut, aber gut genug um zu wissen, dass er jederzeit in der Lage ist, diesen Schlüssel zu zerstören und mir die Freiheit zu verwehren. FÜR IMMER.(Danke für's Lesen <3 Und das beweist auch mal wieder, das Geld nicht alles ist. Es kann dein Leben um Einiges vereinfachen, aber dir nicht zwingend Glücklichkeit und Freiheit bescheren ;)
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Bring mich nicht in Versuchung
ChickLit✔️|BEENDET| „Jetzt gehört dir all' meine Aufmerksamkeit. Macht dich das feucht, Kleines?" Fragt er mit solch einer Ernsthaftigkeit, dass mein Mund staubtrocken wird. Seine langen Finger brennen auf meiner Haut. Sie sind eiskalt, aber hinterlassen ei...