Seth und Jaro hasse ich auch....irgendwie?

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POV Inéz

Ich hasse diese Einsamkeit, kombiniert mit der Tatsache, dass ich quasi hinter Gitter festsitze.
Ich bin seit Wochen alleine in diesem Zimmer und habe keine Ahnung, ob Seth überhaupt noch am Leben ist...

Die Doktorin erzählte meinem Vater, dass Seth hart geworden ist, als er über mich träumte. Vater wurde zornig, packte -den mit Medikamenten vollgestopften- Seth und riss ihn aus dem Zimmer. Seth's Gebrüll schallte tagelang durch diese Wände. Ich will mir gar nicht ausmalen, was sie mit ihm anstellten. Doch vor ein paar Tagen verstummten seine Schreie, wie aus dem Nichts, wurde es totenstill...

Ich habe Angst, wirklich wahrhaftige Angst um Seth.
Ich hasse mich dafür, dass mir etwas an dem Kerl liegt, doch ändern wird sich meine Anziehungskraft zu ihm, niemals. Er ist ein Idiot, ein süßer scheiß Idiot.

~

„Mam' Sie müssen etwas zu sich nehmen und endlich mal ein Lächeln auf's Gesicht bekommen. Wenn Ihr Vater erfährt, wie Sie diesem Perversling hinterher trauern...ich will es mir gar nicht vorstellen. Mr Padre würde Sie dafür mächtig bestrafen!"

„Mich mächtig bestrafen? Vater? Das tut er seit vielen, unzähligen Wochen. Medikamente, Einsperren, mich schlagen, beleidigen, mich aushungern lassen! Das ist doch wohl Strafe genug!"

„Mam' Ihr Vater will doch, dass sie essen. Er befiehlt es Ihnen regelrecht. Sie haben in kürzester Zeit extrem an Gewicht verloren...das ist nicht gut für die Statistik." Sie schüttelt hoffnungslos den Kopf.

Scheiß auf die Statistik. Ganz ehrlich, WEN INTERESSIERTS?! MICH JEDENFALLS NICHT DIE BOHNE!

Die Ärztin hat recht, ich erkenne mich kaum wieder. Wie kann man so schnell abnehmen?! Ich erschrecke mich beim Anblick meiner dünnen Fingerknöchel und die Handgelenke erst! Nichts als Knochen und trockene Haut. Ich widere mich selbst an, wie ich es früher stets tat.

„Essen Sie Miss oder ich muss zu anderen Mitteln greifen." Sie hält mir ein Stück trockenes Brot gegen den Mund und ich verschließe widerwillig die Lippen.

„Geht es Mr Soarez gut? Beantworten Sie diese Frage und ich werde das trockene Brot herunterschlucken."

„Ihr Vater traf eine Entscheidung über Mr Soarez' Schicksal und die ist nur zu Ihrem Besten! Jetzt essen sie endlich!"

„Hat Vater ihn umgebracht?!"

„Essen sie!"

„Hat vater IHN UMGEBRACHT?! Verdammt antworten Sie!!!"

Die Doktorin greift in ihren Kittel und ich weiß, was mich jetzt erwartet. Ein tiefer Schlaf.

~

„Na also, jetzt isst sie endlich was!"

„Mr Padre, ihre Tochter will wissen wie es um Mr Soarez steht. So unreine Gedanken schießen ihr durch den Kopf."

„Von ihrem Mr Soarez wird sie so schnell nichts mehr sehen. Sagen Sie ihr nichts, das würde sie in ihrem Wandlungsprozess zurückwerfen. Ich brauche keine depressive, magersüchtige Tochter."
Er klingt ernst, todernst.

„Bis dann Mr Padre, ich werde Ihnen Bericht erstatten." Piepst die Doktorin.

Ich öffne vorsichtig meine Augen und bemerke erst jetzt, dass ich gefesselt auf einem Stuhl sitze. Etwas steckt in meinem Mund und es ist ein Plastikschlauch. Zermatschtes Essen wird direkt in meinen Hals gedrückt und ich gerate in Panik. Ich habe das Gefühl zu ersticken und beginne zu weinen.

Ich weine wieder. Ich dachte, ich wäre aus dieser Phase raus. Ich habe keine Entscheidungsmacht mehr .... nicht einmal über meine Bewegungen, geschweige denn über mein Essensverhalten. Gezwungen werde ich zu allem, wie ein dressiertes Pferd im Zirkus.

Mein Vater ist der gruselige Clown, vor dem man Alpträume bekommt und das Zelt ist dieses Zimmer, diese Zelle, in der ich festsitze. Ich bin ein Projekt, durch und durch.

Nicht einmal meine Meinung kann ich ihr pfeifen!? Na wie auch? Der beschissene Schlauch steckt in meinem Hals und wenn weiterhin Essen hindurch sickert, drohe ich zu kotzen. Wortwörtlich.
Ich ekele mich vor mir selbst.
Vor dieser Ärztin.
Vor dem Clown, der sich neuerdings Pablo nennt.

Seth, ich brauche dich. Rette mich.
Jaro, dich brauche ich auch. Hol' mich hier raus.
Zéni? Weißt du, was sie hier mit mir tun? So wie du mich ansahst, wenn du mich jetzt sehen würdest... würdest du mich nicht wieder erkennen.

„So, das ist erstmal genug für heute." Die Doktorin zapft den Schlauch ab und putzt mir den Mund. Ich bin klein, rein und unschuldig. So klein, sodass mir sogar eine Erwachsene den Mund säubern muss. Lächerlich und völlig krank sind sie alle im Kopf! Allesamt Seelenschänder und wenn etwas rein ist, dann ganz sicherlich nicht ihre Herzen. Sie haben nicht einmal welche... sie sind leer.

Ihre Körper sind eine Hülle, sie verbergen ihre dreckigen Geheimnisse. Die Schwärze, die Dunkelheit, die grausamen Gedanken... all diese Abscheulichkeiten stecken in ihnen.

Frau Doktor.

Jack.

Miguel

und Vater.

Ihr seid das, was ich HASSE.

Es gibt zwei Arten von hassen.
Die vier hasse ich abgrundtief. Ich will sie am besten nie wieder zu Gesicht bekommen. Bei Jack bin ich schonmal auf der sicheren Seite...

Seth und Jaro hasse ich auch... irgendwie? Aber es ist ein anderes Hassen. Es ist ein liebevolles Hassen. Ein Hassen, das stets zwischen Sympathie und Abneigung schwankt. Ich wäre lieber für immer bei den beiden, als noch eine Nacht länger in diesem Kerker.

(Danke für's Lesen <3 Gerne Votes dalassen
Und, was denkt ihr über Inéz' Situation?)

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