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Es war schon sehr spät, als ich Rüya's Geburtstagsparty verließ – es war bereits 1 Uhr nachts. Mein Bruder meinte, er würde heute bei Kerem übernachten, also würde er heute nicht nach Hause kommen. Da ich mein Auto etwas weiter entfernt von Rüya's Villa geparkt hatte, musste ich ein Stück zu Fuß gehen.

Auf dem Weg zu meinem Auto kam ich an einer hell erleuchteten Straße vorbei. Wie es meine Angewohnheit war, schaute ich in die Gassen rechts und links hinein. Plötzlich traute ich meinen Augen nicht: In einer Nebengasse sah ich einen Jungen, der von drei anderen Jungs brutal verprügelt und beschimpft wurde. Als ich erkannte, wer dieser Junge war, konnte ich es kaum glauben – es war Barış.

In diesem Moment war ich völlig überfordert und wusste nicht, was ich tun sollte. Das Einzige, was mir einfiel, war, mich zu verstecken, damit die Jungs mich nicht bemerkten. Ihre Stimmen kamen mir bekannt vor – waren das die Typen von der Party vorhin? Oder bildete ich mir das nur ein? Ich griff nach meinem Handy, um Hilfe zu rufen, aber dann merkte ich, dass ich mein Handy bei Rüya zuhause vergessen hatte.

Mir waren die Hände gebunden.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte ich plötzlich Sirenen in der Ferne. In Panik rannten die drei Angreifer davon. Ich weiß nicht, ob jemand die Polizei gerufen hatte oder ob es einfach nur Zufall war, dass ein Streifenwagen in der Nähe war. Sobald die drei verschwunden waren, kam ich aus meinem Versteck und eilte zu Barış, der regungslos und blutüberströmt am Boden lag. Seine Kleidung und sein Gesicht waren vor Blut kaum zu erkennen. Er war bewusstlos.

„Barış... Warum haben sie dir das angetan?" flüsterte ich mit Tränen in den Augen. Es war kaum zu glauben, ihn so schwer verletzt in meinen Armen zu halten. Noch immer hatte ich nicht richtig realisiert, dass das hier wirklich Barış war.

Langsam kam er wieder zu Bewusstsein, während ich verzweifelt versuchte, ihn hochzuheben. Ich konnte ihn nicht einfach hier liegen lassen, aber zurück zur Party konnte ich auch nicht. Also half ich ihm, so gut ich konnte, zu meinem Auto. Es war nicht mehr weit entfernt. Da er leicht bei Bewusstsein war, konnte er ein wenig mithelfen. Mit großer Mühe schaffte ich es, ihn zum Auto zu bringen. Als ich die Beifahrertür öffnete und den Sitz zurückstellte, verlor Barış plötzlich erneut das Bewusstsein und fiel mir in die Arme.

Irgendwie schaffte ich es, ihn ins Auto zu bekommen.

Ich rannte zur Fahrerseite und wollte ihn sofort ins Krankenhaus bringen. Doch mit schwacher Stimme hörte ich Barış flüstern: „Nicht ins Krankenhaus... bitte..."

Es war dumm von mir, auf ihn zu hören, aber ich entschied mich trotzdem, ihn nach Hause zu bringen, wo auch ich gerade wohnte. Obwohl es unvernünftig war, respektierte ich seinen Wunsch. Dank meiner medizinischen Kenntnisse und der Vorräte, die ich zu Hause hatte, hoffte ich, ihm zumindest vorübergehend helfen zu können. Noch nie in meinem Leben bin ich so schnell gefahren. Ich ignorierte rote Ampeln und Blitzer – mir war alles egal.

Zuhause angekommen:

Mit aller Kraft brachte ich Barış hoch in mein Zimmer. Wir stürzten dreimal auf dem Weg dorthin, und jedes Mal tat es mir im Herzen weh. Ich war einfach nicht stark genug.

Vorsichtig legte ich ihn auf mein Bett und versorgte seine Wunden so gut ich konnte, in der Hoffnung, dass es ihm bald besser gehen würde.

Ich hatte ihm Kleidung von meinem Bruder angezogen und seine eigenen Sachen entsorgt, da sie vollkommen ruiniert waren. Sein Oberkörper war übersät mit blauen Flecken, und jede Berührung an seiner Bauchwand schien ihm höllische Schmerzen zu bereiten.

Ich desinfizierte die große Platzwunde über seiner Augenbraue, eine weitere am Hinterkopf und die Schürfwunden an seinem Ellenbogen. Anschließend versorgte ich die Wunden mit Pflastern und kühlte sie behutsam.

Jedes Mal, wenn ich die Kühlkompresse auf seine Wunden legte, zuckte er vor Schmerz. Aber ich hatte keine andere Wahl.

Da lag er bewusstlos auf meinem Bett, und ich wusste nicht, was ich noch tun sollte. Ich konnte ihn keine Sekunde alleine lassen, aus Angst, dass ihm etwas zustoßen könnte, da er schwer atmete. Alle zehn bis fünfzehn Minuten überprüfte ich seinen Blutdruck und seine Temperatur. Der Blutdruck war normal, aber seine Körpertemperatur war besorgniserregend hoch.

Mein eigener Herzschlag war wohl genauso hoch. Ich hielt seine Hand fest und hoffte, dass er endlich die Augen öffnen würde. Auch seine Hände waren verletzt, und ich versorgte sie mit Verbänden.

Plötzlich spürte ich eine leichte Bewegung in seiner Hand. Schnell schaute ich nach, und da war er – er war wach.

„Barışımm..." flüsterte ich, als ich sah, wie er langsam den Kopf in meine Richtung drehte und mühsam die Augen öffnete.

Er versuchte, meinen Namen zu sagen.

„Pshhh, nicht reden..." unterbrach ich ihn sanft. Ich wollte nicht, dass er seine Kräfte verschwendete. Es reichte mir, dass er wach war.

„Ich..." begann er erneut, immer noch schwer atmend.

Ich küsste seine verletzte Hand und unterbrach ihn wieder. „Barış, nicht jetzt... Nicht jetzt... Okay?" flüsterte ich ihm zu.

Er schloss langsam wieder die Augen, aber ich wusste, dass er noch bei mir war. Seine veränderte Atmung verriet mir, dass er versuchte, den Schmerz zu verbergen.

Meine Augen waren vom Weinen so angeschwollen, dass ich kaum noch etwas sehen konnte. Aber der Gedanke, ihn alleine zu lassen, war unerträglich. Die ganze Nacht über saß ich neben ihm, hielt seine Hand fest umklammert und fuhr sanft mit meiner anderen Hand über seinen Kopf. Ich ließ ihn keinen Moment aus den Augen.

Dann fiel mir ein, dass ich vergessen hatte, die Tür abzuschließen. Langsam ließ ich seine Hand los und eilte leise zur Tür, um sie abzuschließen. Auch die Fenster im ersten Stock schloss ich ab. Als ich wieder nach oben lief, bemerkte ich Barış' Handy, das auf dem Boden lag. Es musste ihm heruntergefallen sein. Ich hob es auf und berührte das Display.

Er hatte 13 verpasste Anrufe: sieben von meinem Bruder Uğur, vier von Kerem und zwei von Rüya.

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WhatsApp-Nachrichten:

Kerem:
„Nerdesin oglum? Yazacaktin, yazmadin?!" „Baris! Cevap ver!!"

(Wo bist du? Du wolltest mir schreiben!
Baris - antworte mir!)

Rüya:
„Ruf mich bitte schnell an, wenn du diese Nachricht liest!"
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Da Baris sein Handy nur noch 13 % Akku hatte, schloss ich es ans Ladegerät an. Ich kannte seinen PIN nicht und konnte niemandem antworten. Mein eigenes Handy lag immer noch bei Rüya zu Hause. Ob sie schon bemerkt hatte, dass ich es dort vergessen hatte?

Als ich auf die Uhr schaute, war es bereits 7:35 Uhr. Baris war nun seit dreieinhalb Stunden bei mir und schlief - oder versuchte es zumindest.

Als ich wieder in mein Zimmer kam, lag Barig immer noch genauso da, wie ich ihn zurückgelassen hatte. Er hatte sich kein bisschen bewegt. Langsam setzte ich mich neben ihn und griff wieder nach seiner Hand.

Da hörte ich ihn plötzlich leise meinen Namen sagen: „Selin..."

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Vielen Dank & Fortsetzung folgt...
🤍

𝒃𝒂𝒔𝒊𝒎𝒂 𝒃𝒆𝒍𝒂𝒔𝒊𝒏Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt