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Da wir sehr früh losmussten, hatten mein Bruder und ich keine Zeit, mit unserer Familie zu frühstücken. Stattdessen besorgten wir uns unterwegs etwas Kleines zu essen.

Als Kind war ich ein riesiger Fan des Vereins, für den Uğur jetzt spielt. Ich hatte alles, was es von diesem Verein gab: Trikots, Schals, sogar Bettwäsche. Doch als ich 16 Jahre alt war, verlor ich plötzlich das Interesse daran. Warum genau, wusste ich nie. Vielleicht lag es an der Verletzung meines Bruders, die ihn fast seine Karriere gekostet hätte, aber sicher bin ich mir nicht. Trotzdem, wenn Uğur glücklich ist, bin ich es auch.

Obwohl ich nicht zum ersten Mal ins Stadion fuhr, war ich aufgeregt. Als Kind war ich oft dort gewesen, aber dieses Mal fühlte es sich anders an. Nachdenklich schaute ich aus dem Fenster, während mein Bruder dorthin fuhr.

„Abiçim, ich muss noch kurz woanders hin. Willst du mitkommen oder soll ich dich hier absetzen? Es dauert nicht lang, fünf Minuten," fragte Uğur mich, während er den Blick auf die Straße gerichtet hielt.

„Lass mich hier raus," antwortete ich. „Ich will mich hier ein wenig umschauen. Es ist schon sechs Jahre her, dass ich das letzte Mal hier war."

„Tamam abiçim, ich bin dann gleich bei dir.," sagte er und lächelte mir zu, bevor er das Auto abbremste.

Ich nickte, nahm meine Tasche und stieg aus dem Auto. Es war wirklich warm, vielleicht 25 Grad, aber es fühlte sich an wie 35 Grad an. Solches Wetter kann man sich in Deutschland nur erträumen.

Ein paar Meter von mir entfernt hielt ein Auto an, aus dem drei junge Männer ausstiegen. Da ich den Verein seit Jahren nicht mehr verfolgt hatte und sich in den letzten sechs Jahren vieles verändert hatte, hatte ich keine Ahnung, wer diese Jungs waren. Aber ich war mir ziemlich sicher, dass es Spieler des Vereins waren – sie sahen einfach so aus. Ich stand da wie angewurzelt, ohne zu wissen, warum ich mich nicht rühren konnte.

Sie schauten nicht in meine Richtung, als wäre ich unsichtbar. Doch dann blickte einer der Jungs, ein großer, blondhaariger Kerl, zu mir herüber. Sein Gesichtsausdruck war verwundert, und ich konnte es ihm nicht verübeln – schließlich stand ich da wie eine Statue.

Zum Glück kam Uğur plötzlich von hinten und tippte mir auf die Schulter.

„Noldu kız?" (Was ist los?)

„Yok bir şey," (Nichts, alles gut) murmelte ich.

Einer der Jungs, der jetzt zu uns kam, rief Uğur freudig zu: „Uğur, unutmamışsın, geldin lan!" (Uğur, du hast es nicht vergessen, du bist gekommen!)

„Ben ne zaman bir şey unuttum, abi? Ayıpsın," (Wann habe ich je etwas vergessen, Bruder? Sehr unhöflich von dir,) erwiderte Uğur lachend.

Die Jungs begrüßten sich mit einem aufwändigen Handschlag, der aussah, als hätten sie ihn lange einstudiert. Ich stand immer noch wie angewurzelt da.

„Kız kim?" (Wer ist das Mädchen?) fragte der Typ, der meinen Bruder begrüßt hatte.

„O benim kız kardeşim, abi," (Das ist meine kleine Schwester,) erklärte Uğur lächelnd.

„Aa, o meşhur kız kardeşin, doktor desene!" (Ah, das ist also deine berühmte Schwester, die Ärztin?) sagte der Junge lachend.

Ich dachte nur: Berühmt? Ärztin? Was labbert der?

Uğur lachte: „Ne meşhuru, ne doktoru, abi, yapma!" (Was für berühmt, Ärztin? Hör auf!)

Der Junge lachte: „Şaka yaptım, alınma." (Ich habe Spaß gemacht, nimm es nicht übel.)

Er wandte sich wieder an Uğur: „Eee, tanıştırmak istemiyorsun herhalde?" (Willst du sie uns nicht vorstellen?)

„Ah, pardon. Evet, Selin, kız kardeşim," (Oh, stimmt, meine Schwester Selin,) sagte Uğur und zeigte auf mich.

𝒃𝒂𝒔𝒊𝒎𝒂 𝒃𝒆𝒍𝒂𝒔𝒊𝒏Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt