Mir wäre es lieber gewesen, wäre July nicht gleich wieder zur Halle gefahren, um sich in der Arbeit zu verstecken und ihren Gedanken somit zu entkommen. Auf der anderen Seite weiß ich, dass sie es eventuell sonst anderweitig machen würde. Dann würde sie sich wieder hinter einem Glas Wein verstecken, bis sie gar nicht mehr der Herr über ihre Gefühle sein würde. Auch wenn heute keine Probe von Andreas und mir angesetzt war, weil er etwas mit seiner Familie zu tun hatte, ich bin sofort mit hergekommen, weil ich sie nicht alleinlassen werde. Weder zu Hause noch hier oder in irgendeiner anderen Situation, in der sie landen könnte oder in die sie sich verstrickt.
Mehr als auffällig hing ich eine lange Zeit in der Nähe des FOHs rum, wo sie sich mit Levi und Kyra über einige neue Einstellungen verständigte, wie der Aufbau jetzt am sinnvollsten gestaltet werden sollte und ich...saß am Rand mit meinem Mac und bin die alten Pläne durchgegangen, die ich heute morgen noch in meinem Arbeitszimmer aufgenommen habe, um sie auch bei allen weiteren Skizzen immer parat zu haben. Außerdem musste ich sie Kyra zukommen lassen, die Mail ist bereits abgeschickt, und jetzt werfe ich nur immer wieder ein Auge auf meine Freundin, die im Grunde gar nicht bei der Sache ist. Neben der Tatsache, dass sie in den Gesprächen immer wieder den Faden verliert, sodass Kyra und Levi immer wieder auch das eben gesagte wiederholen müssen, weiß sie selbst auch gar nicht, wie sie sich all die neuen Informationen merken oder aufschreiben sollte. Vom Rand werfe ich hier und da mal kleine Einwürfe rein, damit sie vor allem den Faden wiederbekommt, aber dabei merke ich, dass es sie nervt. Nicht, dass ich mich einmischen muss, sondern dass diese Nachricht einen solch großen Einfluss auf sie nimmt. Dass sie in den letzten Wochen und Monaten die ganze Geschichte so gut hinter sich lassen konnte und jetzt kommt alles erneut zum Vorschein und nimmt sie so derartig mit.
Daher wundert es mich auch gar nicht, dass July irgendwann die Nerven verliert, als irgendein Ablauf so gar nicht funktioniert, wie sie es haben wollte, weil sie selbst keine Konzentration dafür übrig hatte. Bevor ihre beste Freundin sie beruhigen könnte, deutet sie gestisch an, dass sie Abstand braucht und entscheidet sich gleich danach einmal nach draußen zu gehen. Levi wirft mir anschließend einen besorgten Blick zu, aber gerade denke ich, dass sie mich auch nicht da haben will. Lieber lasse ich meinen Kram auch einen Augenblick an Ort und Stelle und gehe in den kleinen Pausenraum, der hier unten mit ist, um kurz etwas trinken zu können und gedanklich durchzugehen, was ich mit ihr machen kann und was ich vor allem wirklich dringend unternehmen sollte.
Levi: Hattet ihr einen Streit miteinander?"
Subtil ein Thema einleiten, das können wir beide wohl kaum. Während sie ins Zimmer kommt, stellt sie gleich so nebenbei die Frage und wirft mir einen ernsten Blick zu. Immerhin weiß ich, dass sie ihre beste Freundin schützen würde, wenn ich ihr etwas antun sollte.
Chris: Sie hat einen Anruf von ihrem Bruder bekommen, dass ihr Vater im Krankenhaus liegt. Es sieht nicht gut aus und seine letzte Bitte an sie war es, dass er sie nochmal wiedersehen möchte."
An diesen einen Abend nach dem Clubbesuch zu Ostern hat Levi nebenbei die ersten Bruchstücke von Julys Verhältnis zu ihrer Familie mitbekommen. Und genau dagegen spricht wohl die Aufgelöste Art, die sie gerade an sich hat.
Levi: Okay...da wäre ich auch überfordert mit meinem Leben..."Für mich waren solche Entscheidungen immer gleich vollkommen klar, aber ich hatte eben auch ein ganz anderes Verhältnis zu meinen Papa. Daher weder ich ihr gerade wohl kaum eine gute Hilfe sein, da ich mich nur ganz schlecht in ihre Gefühlslage reinversetzten kann. Ich kann einzig für sie da sein, ihr zuhören und versuche ihr einen Halt zu geben, den sie braucht. Aber um ehrlich zu sein, auch ich fühle mich dort recht verloren und hoffe, dass sie aus was für Gründen auch immer eine Lösung und Antwort in sich finden kann, mit der sie am Ende auch gut leben kann.
Wort- und Lösungslos stehen wir beide jetzt im Raum, ich halte mein Glas Wasser in der Hand und Levi lehnt sich gegen eine der Schränke, schaut sich unbeholfen im Raum um. Wir beide warten vermutlich nur darauf, dass July uns irgendwie ein Anzeichen gibt, wie es weitergehen soll. Ob sie weiterhin versuche will die Kontrolle zu bewahren, oder ob sie lieber nach Hause will. Ginge es nach mir, würde ich sie einfach mitnehmen. Vielleicht muss ich ihr die Entscheidung auch abnehmen. Für den Augenblick vergessen wir das Thema, lassen es bei Seite liegen und stattdessen erinnere ich mich an die mittelgroße bis ziemlich schwere Katastrophe, die ich vor wenigen Tagen von Levi gezeigt bekommen habe.
Chris: Hast du mit Kyra gesprochen?"
Ihr Schweigen bringt mir schon die erste Antwort. Dass sie danach aber noch aktiver meine Blicke meidet und in ihrer Weise auch leicht rot wird, beantwortet mir bereits alles, sodass ich unbedacht lachen muss und meine Arme vor mir verschränke.
Chris: Lass mich raten...du wolltest mit ihr reden, bist zu ihr oder sie zu dir, aber am Ende warst du ein zu großer Feigling und nun steckt ihr in einem ewigen Kreislauf, dass ihr einander immer wieder nahe kommt und keine Spricht das offensichtliche aus."
Sichtbar ist sie patzig, wirft mir diesen Blick auch gleich wieder zu, allerdings erkenne ich in ihrem Blick auch gleich wieder etwas anderes, was sie mir vor allem dann zeigt, als sie mich einen Moment mustert und dann zur Seite wegschaut.
Levi: Ich will gar nicht wissen, was du mit meiner besten Freundin gemacht hast."
Chris: Ich habe aber recht, oder?"Ihren Kopf dreht sie wieder zur Seite weg, bevor sie anfängt unsicher zu nicken. Vielleicht hatte ich zu Beginn auch noch die Hoffnung, dass ich in Ruhe mit July über das Thema reden kann, dass am Ende noch alles wieder gut wird, aber als der Deal beschlossen war, war sowieso alles verloren. Eventuell will ich wissentlich jetzt nicht das Risiko eingehen, gleich zwei Techniker zu verlieren und zugleich will ich ihr den Schmerz ersparen, den ich durchmachen musste.
Chris: Ich weiß, dass es eine ätzende Situation ist, aber wenn du es schlicht in dich hinein frisst, wirst du einzig dich immer wieder verletzen, Levi. Sprich mit Kyra über das, was du für sie empfindest und was du wirklich willst."
Eine Antwort habe ich nicht erwartet, allerdings senkt sie ihren Blick kurzzeitig, bevor sie leicht misstrauisch in meine Richtung schaut und nicht nachvollziehen kann, warum ich gerade mit ihr darüber reden will.
Levi: Warum willst du mir helfen, wenn du mich eigentlich nicht leiden kannst?"
Chris: Weil du die beste Freundin meiner Freundin bist und ich bin froh, dass sie dich hat. Ich will dir auf der einen Seite den Schmerz ersparen, den ich spüren musste und zugleich...ich will dich nicht hassen. Du verdienst jemanden, der dich genauso liebt, wie du bist, denn egal, was deine Gedanken dir sagen, nichts davon bist du, du bist liebenswürdig...
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Never Less Than a Lover
Fanfic10: Du gibst mir wieder Mut 09: Du zeigst mir das Gefühl von Geborgenheit 08: Du bist der erste, der mich richtig verstehen kann... Alles, was Juliette und Christian miteinander verband, war ein endloser Deal und ein Geheimnis, was niemals ans Licht...