Mitten in der Nacht werde ich irgendwann unsanft wach, muss zuerst auch überhaupt darauf klarkommen, wieder halbwegs geistig anwesend zu sein, bevor ich es schaffe mich halbwegs im Bett aufzurichten. Mit meinen Handrücken gehe ich mir dabei einmal über meine Augen, mein Gehirn schaltet sich auch allmählich wieder ein, und mit meiner anderen Hand stütze ich mich vorerst im Bett ab, bevor ich halbwegs in der Dunkelheit meine Freundin erkennen kann, die auch der Grund ist, warum ich überhaupt wach geworden bin.
Ihren Blick hat sie nach vorne gerichtet, offenbar hat sie auch noch nicht mal mitbekommen, dass ich auch wachgeworden bin. Genau kann ich nicht mal definieren, was mich geweckt hat. Dass sie aufgeschreckt ist, vielleicht irgendeinen Laut von sich gegeben hat oder einfach nur die hektische Bewegung neben mir im Bett? Wie dem auch sei, sie sitzt neben mir, ihre Atmung geht etwas zu schnell, als dass sie behaupten könnte, dass rein gar nichts mit ihr los ist und ihre generelle Haltung mir gegenüber und ihre vollkommene Abwesenheit lassen mich auch gleich wieder besorgter werden.
Chris: July..."
Gerade ist meine Stimme nur ein gebrochenes Hauchen, was sie wohl auch nur mit Mühe und Not verstanden haben wird. Als meine eine Hand dann auch noch auf ihre Schulter trifft, hört sie für einen kurzen Moment auf zu atmen, hält vollkommen in ihrer Position still, bevor diese Anspannung, die ihren Körper bis gerade eben eingenommen hat, langsam abfällt und sie somit auch wieder freigibt. Ihren Kopf lässt sie einen Moment hängen, atmet einmal tief durch, bevor sie ihn zu meiner Seite dreht, damit ich sie in der Dunkelheit des Zimmers zumindest ein wenig wieder wahrnehmen kann. Keiner von uns beiden bringt ein Wort hervor. Ich weiß grundlegend gerade nicht, was ich genau sagen sollte und ihr fehlen vermutlich schlicht die Worte. Nicht mal kann ich mich an ein schwaches Lächeln wagen, ich mustere sie nur vorsichtig, bis July sich einen Moment räuspert und sich so von mir wegdreht, dass ich meine Hand zurückziehen muss.
Juliette: Es ist alles okay, Chris...leg dich einfach wieder hin."
Chris: Auf gar keinen Fall."Wenn ich in den letzten Jahren eines von mir selbst gelernt habe, dann ist niemals »alles okay«, wenn man mitten in der Nacht aufschreckt und dann auch noch den eigenen Partner mit aufwachen lässt. Einen Teufel würde ich tun und mich jetzt einfach wieder zum Schlafen legen, viel zu viele Nächte hat sie mich neben sich ausgehalten, wo ich wach war, sie wachgehalten habe oder gar wecken musste, weil ich mit meinen eigenen Gedanken nicht klargekommen bin. Jetzt bin ich an der Reihe und muss für sie da sein.
Einen kurzen Augenblick drehe ich mich zur anderen Seite, tippe zwei Mal daneben auf meinen Nachttisch, bis ich doch die kleine Lampe erwische, die zumindest wieder etwas Licht in das Zimmer bringt. Gleich danach drehe ich mich wieder zu ihr und setze mich halbwegs ordentlich ihr gegenüber, wobei ich versuche die Decke noch auf mir liegen zu lassen, da es mir zu kalt geworden ist.
Chris: Ich lasse dich jetzt nicht mit deinen Gedanken allein, July."
Unbedacht will ich eine Hand an ihre Schulter legen, aber bevor diese auf ihre Haut treffen würde, halte ich inne und lasse sie stattdessen wieder ins Bett fallen, schaue sie nur ruhig und bedacht an, auch wenn sie das in den Moment gar nicht bemerken wird. Gerade sitzt sie mit den Rücken gewandt noch zu mir, hat ihren Kopf gesenkt und hat ihre Hände bei sich, lässt diese immer wieder über ihre Beine streichen.
Chris: Ich war oft genug in der Nacht wach, dass ich wissen kann, wie schrecklich laut die Gedanken werden können, wenn man versucht sie zu unterdrücken."
Sie war die erste, der ich diese Wahrheit sagen konnte und die mich nicht für verrückt gehalten hat. Dass mir der Stress einfach zusetzt und dass ich dann die Kontrolle über meine Gedanken verliere. July bringt mich zur Ruhe und lässt sie mich vergessen, aber das hier wird etwas anderes sein. Trotz allem ändert es nichts daran, dass sie aus dem gleichen Grund wach geworden ist – weil ihre Gedanken sie bis in den Schlaf quälen.
Chris: Du warst oft genug wegen mir in der Nacht wach...jetzt bin ich für dich da..."
Nachdem ich das einmal ausgesprochen habe, hält sie ihre Hände plötzlich still, lässt ihren Kopf kurz nochmal hängen und stützt sich mit den Händen danach ab, damit sie sich wieder aufs Bett und mir gegenüber setzen kann. Dabei braucht es nochmal einen Moment, bis sie vorerst nach meiner einen Hand greift und dann auch wieder ihren Kopf hebt, um mich ansehen zu können. Auch wenn es nicht danach aussieht, als müsste sie weinen oder ähnliches, genau kann ich erkennen, dass sie emotional gerade so viel durchmacht, dass sie genau in diese Situation kommen musste.
Juliette: Ich stecke in einem ätzenden Dilemma fest..."Was sollte ich anderes machen, als zu versuchen, für sie da zu sein und ihr den Halt zu geben, der ihr gerade wieder genommen wurde? Ich kann nur bei ihr sitzen, ihr zuhören und versuche zu helfen, so gut es eben geht.
Juliette: Auf der einen Seite will ich diesen Menschen nicht mehr sehen. Er hat sich mein ganzes Leben nie für mich interessiert. Seit 20 Jahren haben wir keinen Kontakt mehr, er weiß nicht mal mehr, wer ich jetzt bin. Wo ich lebe, was ich mache, wie es mir geht."
In ihrer Stimme, die kurz vorm Brechen ist, höre ich den Schmerz, den sie selten so offen mir gegenüber zeigt. Meist dann, wenn sie betrunken war und alles wieder rauf gekommen ist. Jetzt schaffen das ihre Emotionen aber auch in einem Moment der Schwäche.
Juliette: Und zugleich...will ich wissen, was er von mir will. Warum er mich sehen will."
Um keine weitere Reaktion von sich zu geben, presst sie ihre Lippen aufeinander und kneift ihre Augen zusammen, bevor sie wieder ein paar Worte hervorbringen kann.
Juliette: Was soll ich bitte tun, Chris..."
Wenn ich das mal so genau wissen könnte. Und dass ich danach nicht gleich eine Antwort für sie habe, bringt July auch wieder dazu, zu mir zu sehen, wo sie einzig meinen vollkommen überforderten Blick bemerkt, der sie nicht weiterbringen kann. Als sie sich das eingestehen muss, dass wohl kaum einer ihr diese Entscheidung abnehmen kann, knickt sie wieder etwas ein und so will ich sie nicht mit der Frage alleinlassen. Vorsichtig drücke ich ihre Hand, senke meinen Blick darauf, als sie mich wieder ansehen würde und versuche innerlich eine Antwort zu finden, die es eigentlich nicht gibt.
Chris: Ich kann dir diese Frage nicht abnehmen, aber...ich glaube, dass du es bereuen würdest, würdest du nicht nochmal mit ihm reden, herausfinden, was er will. Was war, kann er nicht ungeschehen machen, aber...wenn du es nicht machst..."Sie indirekt daran erinnern zu müssen, dass ihre Chance bald abgelaufen sein wird, dass seine Zeit nur noch begrenzt ist, bringt sie jetzt dazu, dass die ersten Tränen ihr Gesicht runterlaufen. Dann lasse ich ihre Hand los, lege meine Arme um sie und drücke July vorsichtig gegen meinen Körper, wo sie sich gleich an meinen Schulter festgreift.
July wirkt ruhig, auch wenn sie etwas braucht, um sich in den Moment einmal auszuweinen, was sie am Abend nicht tun wollte. Diese starke Frau kann sie nicht immer und überall spielen, und mir gegenüber versucht sie es auch gar nicht mehr. Für einen Moment halte ich sie fest, bin für sie da, bis ihr Körper nicht mehr kann, wieder runterfährt und sie zur Ruhe kommen lässt, sodass ich mich mit ihr auch wieder hinlege. Dabei halte ich sie fest im Arm, schalte das Licht nur wieder aus, bevor ich wieder vollkommen für sie da bin, sie an mich drücke. Einmal hebt sie dort noch ihren Blick an, schaut zu mir rauf.
Juliette: Ich habe Angst, dass ich die falsche Entscheidung treffe. Gerade schien alles perfekt zu sein...und jetzt zerbricht es wieder in mir...
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Never Less Than a Lover
Fiksi Penggemar10: Du gibst mir wieder Mut 09: Du zeigst mir das Gefühl von Geborgenheit 08: Du bist der erste, der mich richtig verstehen kann... Alles, was Juliette und Christian miteinander verband, war ein endloser Deal und ein Geheimnis, was niemals ans Licht...