Kapitel 103

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Irgendwie waren wir beide uns, als wir wieder zu Hause angekommen sind, auch einig, dass wir uns bis zum Abend noch ein wenig ausruhen wollen und anstatt unten im Wohnzimmer eine Serie anzufangen, wobei wir sowieso spätestens nach einer Folge nicht mehr anwesend sein würden, sind Chris und ich auch gleich rauf ins Schlafzimmer und haben uns dort nochmal wieder hingelegt.

Zu gut habe ich auch seinen Wecker mitbekommen, den er sich gestellt hatte, damit wir zur richtigen Zeit auch wieder wach werden würden, aber gerade ist mir das eigentlich egal.
Chris: July..."
Mein innerer Wecker sagt mir allerdings, dass ich gerade lieber noch hier bleiben würde, dass ich im Grunde gar nicht bereit dafür bin, jetzt schon wieder aufzustehen und mich für die Firmenfeiern bereit zu machen. Daher kuschle ich mich lieber wieder an meinen Freund und lege meinen Kopf auf seiner Brust ab, gebe ihm somit gut genug zu verstehen, dass ich und er lieber hier zu Hause bleiben sollten. Dadurch bringe ich ihn aber einzig zum Lachen, was ich auch gleich zu hören bekomme.
Chris: Wir müssten so langsam mal aufstehen und uns fertig machen, oder etwa nicht?"
Juliette: Können wir nicht einfach hier bleiben?"
Chris: Es wäre schlecht, wenn der eine Chef nicht da ist, oder?"
Angestrengt atme ich aus, muss mir innerlich so langsam wohl auch eingestehen, dass er recht hat und dass wir beide eben nicht die ganze Zeit hierbleiben können, sondern dringen aufstehen müssen und uns für den Abend fertig machen sollten. Trotzdem schaue ich patzig zu ihm auf, sodass er auch gleich wieder auf seine typische Weise grinsen muss.
Juliette: Warum bin ich nochmal mit dem Chef zusammen?"
Chris: Weil ich Arsch es geschafft habe, dass du dich in mich verliebst."

Manchmal würde ich mir wünschen, dass er sich nicht an solche Aussagen von mir erinnern kann. Gerade nicht an die eine, die ich ihm in München an den Kopf geworfen habe, als unser Deal eigentlich vorbei gewesen ist. Der Moment, wo ich ihm das erste Mal gestanden habe, dass ich mich in ihn verliebt habe und daher so seltsam geworden bin.

Bevor ich jetzt wieder einen Kommentar dazu abgeben könnte, zu gut weiß Chris nämlich, dass ich es immer wieder hasse, wenn er mich genau an diesen Moment erinnert, dass ich ihn zu Beginn wirklich nicht sonderlich ausstehen konnte und innerhalb eines halben Jahres hat er es dann geschafft, dass ich mehr für ihn empfinde, küsst er kurz meine Stirn, bevor er mich loslässt uns als erstes aufsteht.
Chris: Weißt du, ich mache mich zuerst fertig und sage dir dann Bescheid. So kannst du noch einen Moment hier liegenbleiben."
Darauf muss ich nicht mal weiter antworten, da er die Antwort sowieso schon kennt. Lieber wäre es mir nur gewesen, wenn er noch bei mir geblieben wäre, aber ich weiß ja auch, dass wir wirklich dringend los müssen. Während Chris also ins Bad geht, liege ich den Moment noch unter der Decke gekuschelt und auch wenn ich in der Zeit nochmal wieder einschlafe, mittlerweile weiß Chris, wie er mich wachbekommt und dafür hasse ich ihn manchmal. Nachdem ich nochmal schnell im Bad war, duschen und meine Haare kämmen konnte, habe ich mich im Schlafzimmer umgezogen, im Spiegel betrachtet – unser neuer Schrank hat zwei Schiebetüren und eine davon ist ein einziger Spiegel, somit hatte mein kleiner nach all den Jahren endlich ausgedient – und lege zuletzt beide Armreifen um, sodass ich danach auch runter laufe kann. Unten im Flur wartet Chris, der bis eben noch am Handy war, mir jetzt dabei zusieht, wie ich mir meine Schuhe anziehe und die letzten Sachen zusammen sammle, wobei ich ihm einiges davon vor dem Gehen in die Hand drücke, woraufhin er mich leicht verwirrt anschaut.
Juliette: Ich habe keine Taschen dafür an mir und nun komm."

Ich gehe an ihm vorbei, bekomme ein paar Blicke von ihm ab, aber Chris kann darüber nur lachen, kommt mir nach und zieht hinter sich auch die Tür wieder zu, um nach wenigen Schritten, die er aufholen musste, neben mir herlaufen zu können. Als er auf meiner Höhe ist, nimmt er vorsichtig meine Hand, was mich auch dazu bringt, dass ich einen Moment zu ihm rauf schauen muss. In unserer Heimat macht er das seltener, wobei er dort auch immer weiter aus sich herauskommt und sich mehr traut. Als er meine Blicke nun bemerkt, muss er ein wenig lachen und schaut in meine Richtung runter.
Chris: Manchmal fühlt sich das ganze hier noch so surreal an."
Unser verdammter Deal zog sich über zweieinhalb Jahre, dann haben wir uns hinter einer Lüge versteckt, um einander weiterhin treffen zu können und erst währenddessen habe ich mich in ihn so richtig verliebt, sodass wir nun auch seit einem Jahr offiziell zusammen sind. Unsere echte Beziehung ist ein Bruchteil von dem, was wir mittlerweile miteinander erlebt haben. Im Vorhinein wussten wir auch schon vieles voneinander und dennoch ist es etwas ganz anderes, jetzt mit ihm zusammen zu sein, ein richtiges Paar zu sein.
Juliette: Ja...ich kann das gut nachvollziehen, Chrissy."
Anfangs konnte er es echt nicht leiden, dass ich ihn vor allem und jeden bei diesen Namen genannt habe. Zu Beginn nur dafür, damit ich seine Aufmerksamkeit bekomme. Aber mittlerweile scheint es manchmal so, als wäre es stolz darauf. Immerhin zeigt es ja, dass er eine Freundin hat, die ihn einen Spitznamen gibt.

Wie jedes Jahr wurde die Halle von Kreativ-Team gemütlich und schön umgebaut, sodass wir als Crew den Tag hier gemeinsam nutzen können, um die gelungene Tour ein wenig feiern zu können. Als wir beide durch das große Tor kommen, lässt Chris gleich meine Hand los und deutet an, dass er uns beide etwas zu trinken besorgen würde und ich stimme dem zu und sage, dass ich uns einen Platz suchen würde. Damit war er auch einverstanden, also trennten sich unsere Wege für den Augenblick.

An einen der Tische erkenne ich Martyn und Manu, zudem auch Kyra, die sich jetzt erstmals wieder hier blickenlassen konnte, nachdem sie so lange ausgefallen ist und diese Mischung zeigt auch gleich, dass Levi sich dort auch später mit zugesellen wird. Daher muss ich nicht lange nachdenken, sondern gehe mit zu dem Tisch und werde gleich von Martyn angeschaut, als er bemerkt haben muss, dass ich jetzt auch hier angekommen bin.
Martyn: Ach, das Chef-Paar kommt auch endlich an."
Juliette: Komm, für unsere Verhältnisse relativ pünktlich."
Wir lachen einen Moment, denn normalerweise bin ich aufgrund von Chris immer die letzte, die bei irgendwelchen treffen ankommt. Seine Unpünktlichkeit hat schlecht auf mich abgefärbt. Nachdem ich mich gesetzt habe und einen Moment mich sortieren konnte, wurde auch gleich ein Glas zu mir gestellt, sodass Chris sich gleich danach zu mir setzt. Dabei lächelt er mich kurz an, stellt sein Glas ebenfalls vor sich auf den Tisch ab, fügt sich in erste Gespräche ein, bevor er merkt, dass ich ihn etwas zu lange angeschaut habe.
Chris: Was gibt es?"
Juliette: Damals hatte hier alles angefangen."
Ein Drink, ein paar nette Gespräche, viele Komplimente und eine Nacht, die am Ende alles ändern und unser beider Leben vollkommen auf den Kopf stellen sollte.
Martyn: Was? Ihr seid doch damals im Dezember 2023 zusammengekommen."
Chris und ich wechseln ein paar Blicke, müssen leicht stumm lachen und ich greife nach meinem Glas, bevor wir wieder voneinander wegschauen.
Juliette: Weißt du..."
Chris: Das ist eine verdammt lange Geschichte..."

Und wir beide sind wohl auch froh, dass keine weiteren Nachfragen kommen, dass Martyn uns vorerst verwirrt ansieht, bevor er mit den Schultern zuckt und das Thema gleich wieder wechselt. Mein Blick geht nochmal kurz in mein Glas, bevor ich zur Seite schaue und bemerke, dass Chris mich auch ansieht. Da die anderen uns gerade so mehr oder weniger ignorieren, komme ich ihm etwas näher, um ihm etwas sagen zu können, sodass es aber nicht jeder gleich mitbekommt.
Juliette: Wir sollten es nicht herausfordern, dass sie die Wahrheit von uns beiden erfahren."
Chris: Es lief doch drei Jahre gut..."
Früher macht er es viel subtiler, sodass es kein Mensch je mitbekommt hat, jetzt kann ihm das egal sein, nur er muss es sich zutrauen. Chris legt einen Moment seinen Arm um mich, damit er mich noch ein Stückchen näher zu sich ziehen kann und gleich danach legt er seine Hand auf mein Bein, streicht vorsichtig darüber.
Chris: Jetzt ist es auch egal."
Mein Blick löst sich ein wenig, geht über ihn, sodass ich ihn zumindest für den Moment mustern kann, seine Jeansjacke ansehe, das dunkle Shirt, was er darunter trägt, die Kette, die ich ihm geschenkt habe, um seinen Hals und seine Ringe, die er wieder trägt. Vieles erinnert an damals und doch ist alles anders.
Levi: Ich bin später hier als du mit deinem Schatzi?"
Die Hände von Levi spüre ich kurz an meinen Schultern, Chris schaut patzig zu ihr hin und Levi muss lachen, lässt mich gleich wieder los und nimmt stattdessen neben Kyra Platz.
Juliette: Nicht so patzig sein, Chrissy."
Chris: Ich hasse euch beide..."

Vorsichtig lehne ich mich einen Moment gegen meinen Freund, grinse ihn freundlich an und nachdem er seinen patzigen Blick nicht mehr halten kann, muss er ebenfalls zuerst frech grinsen, bevor ich wieder seine dreckige Lache hören darf. Während danach die ersten Gespräche anfangen, lässt er die ganze Zeit seine Hand auf meinen Bein ruhen, kommt nach und nach in die Stimmung, ich leere ebenfalls das ein oder andere Glas und wir beide genießen den ersten Abend in der Crew, der wieder vollkommen ruhig und gelassen sich anfühlt, alles ist wieder beim Alten. Es ist weniger seltsam geworden, dass der Chef mit am Tisch sitzt, die Stimmung wurde immer ausgelassener und neben den ganzen Stress, der nach der Tour jetzt wegfiel und sich im Umzug wiedergefunden hat, scheint dieser Abend zu schnell vorbeizugehen. Aber nach unseren letzten Glas hat Chris mir seine Hand gereicht, mir nonverbal die Frage gestellt, ob wir nach Hause wollen und in seinen Blicken konnte ich gleich wieder verstehen, wieso er fragt. Ich biss mir dabei auf die Lippe, lachte einen Moment und nahm die Hand an, um aufstehen zu können.
Kyra: Ihr geht schon?"
Juliette: Schon? Es ist echt spät geworden."

An unseren Tisch sitzen jetzt nur noch Kyra und Levi, ein paar wenige andere sind auch noch da, aber die meisten sind bereits gegangen und auch wir beide wollen uns auf den Weg machen, endlich wieder nach Hause kommen.
Levi: Passt auf euch auf, kommt sicher wieder an."
Juliette: Mach dir keine Sorgen."
Auch wenn Levi es nicht einsortieren kann, ich werfe einen frechen Blick zu meinen Freund rüber, der mein Grinsen nur erwidern kann.
Juliette: Er wird schon auf mich aufpassen...

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