An dieser Stelle würde ich auch noch mal betonen wollen, sollte ich jemals über die Fahrkünste von Chris gelästert haben, nehme ich es an dieser Stelle zurück. Und Levi kommt nicht mal aus einer Großstadt! Irgendwann wollte ich auch gar nicht mehr richtig hinschauen, habe die Fahrt an mir vorbeiziehen lassen und habe Levi nur geholfen eine Parkplatz zu finden, da sie offenbar seltener hier in der Gegend ist, normalerweise alles immer in Bielefeld erledigt.
Einen richtigen Plan, was wir beide machen wollten, hatten wir wohl nicht, also ging es für uns einfach blind drauf los. Na gut, innerlich wollte ich ein paar Dinge besorgen, damit ich das vor dem Urlaub nicht mehr machen muss. Jetzt am kommenden Montag geht es für Chris und mich wieder in die Niederlande und bevor ich am Wochenende alles mit ihm zusammen besorgen müsste, wofür er nicht immer die Geduld hat, kann ich jetzt schon einiges von meiner List abhaken. Levi stellte sich meinem Plan auch nicht in den Weg, meinte ebenfalls, dass sie sich auch noch was anschaffen kann, da sie jetzt im Sommer auch das erste Mal mit Kyra zusammen wegfahren wird. Die beide treibt es an die Ostsee, damit sie auch im gleichen Zug die Familie von Levi besuchen könnten. Aufregend, da ich mich noch erinnere, wie ich das erste Mal bei der Familie von Chris war, obwohl ich ein Teil davon schon kannte, aber immer alles nur flüchtig. Mittlerweile wurde ich bei der Familie Reinelt als Mitglied aufgenommen und das wird auch der Grund sein, warum ich heutzutage so wenig über meine eigene nachdenken muss, oder warum ich die ganze Geschichte mit meinem Vater so schnell hinter mir lassen konnte. Wäre Chris nicht gewesen, wäre ich daran vermutlich wieder zerbrochen oder hätte eine Entscheidung getroffen, die mich innerlich nur wieder verletzt und zerstört hätte.
Ungewollt habe ich mich gedanklich wieder in derlei Thematiken gesteuert, aber dieses Mal kippt meine Stimmung nicht, weil ich an meine nicht vorhandene Familie denken muss, sondern an die Person, die heute nicht da sein kann. Ich verbringe gerne Zeit mit meiner besten Freundin, lasse die Tour und all das hinter mir, aber eigentlich wäre es mir lieber, wäre Chris gerade hier und nicht wieder in irgendeinen Studio, in einer ganz anderen Stadt, in einem ganz anderen Bundesland.
Levi: Alles gut bei dir?"
Im Normalfall hätte ich das Thema gleich wieder zerschlagen, hätte es mit einem »mit mir ist alles in Ordnung« zur Seite geschoben, aber mittlerweile fällt es mir nicht mehr so schwer, über Gefühle zu reden, da ich sie mittlerweile auch zulassen kann.
Juliette: Ich weiß, dass er nichts dafür kann und dass das heute unausweichlich war..."
Levi: Aber ich verstehe, dass du ihn gerne bei dir haben würdest."
Mein Lächeln wirkt aufgesetzt, weil es auch schlicht nur bestätigen soll, dass sie mit ihrer Vermutung vollkommen ins Schwarze getroffen hat. Vielleicht hätte ich einfach darauf bestehen sollen, dass ich mitkommen will. Dann würde ich zwar jetzt auch in einem verdammten Studio rumhängen und er hätte so weniger als mehr Zeit für mich, aber ich wäre immerhin in seiner Nähe. Dann hätten wir gemeinsam am Abend noch etwas unternehmen können, hätte einander zumindest und wären nicht wieder getrennt, nur durch das Handy miteinander verbunden. Wie abhängig man von einer Person sein kann.
Levi: Komm, lass da einen Kaffee trinken. Du musst an was anderes denken."Die Mittagsstunden sind schon vorbei, der Nachmittag beginnt allmählich und da das Wetter heute mehr als einladend ist, ist auch das Café nicht gerade leer, die Kellner sind ein wenig mit der Masse an Besuchern überfordert und wir beide müssen einen etwas längeren Moment auf unseren Eiskaffee warten, aber bei einer Sache sind wir beide uns gleich einig: Wir würden nicht mit denen tauschen wollen. Auch unsere Arbeit ist stressig, alles bringt immer irgendwelche Komplikationen mit sich, aber das hier wäre niemals unser Leben. Hier würde ich untergehen und in mir verenden.
Seit heute Morgen habe ich keine Nachricht mehr von Chris bekommen und auch jetzt zeigt mein Handy keine neue Nachricht mehr an. Das habe ich nur aus der Tasche geholt, da Levi nochmal mit ihrer Freundin kurz schreiben musste. Im Hintergrund ist wie immer ein Bild von uns beiden, mittlerweile aber eines, was er wieder gemacht hatte, als wir im letzten Winter eislaufen waren in Herford. Es hatte geschneit, in unserem Haar sieht man die kleinen Flocken und sein Lachen, was er mir in den Moment zu hören gegeben hatte, als er mir ein wenig Schnee auf den Kopf rieseln hat lassen, höre ich auch jetzt, wo ich mir nur das Bild von uns beiden anschaue.
Levi: Bist du wütend auf ihn?"
Juliette: Ich hätte einfach mitgehen sollen."
Das Handy drehe ich um, damit ich mich nicht weiter mit den Dingen beschäftigen würde, die ich sowieso nicht ändern kann. Er ist jetzt nicht hier, vielleicht kommt er in der Nacht wieder nach Hause und spätestens morgen früh würde er wieder am Frühstückstisch bei mir sitzen, versuchen alles wieder gut zu machen.
Juliette: Dann wäre ich zumindest bei ihm, auch wenn er keine Zeit für mich hätte."
Levi: Manchmal muss ich mich echt noch fragen, was du an den findest."
Ich zucke nur mit den Schultern, weil ich es ihr niemals erklären könnte. Es ist einfach seine Art, die er an den Tag legt. Ja, die auch mal anstrengend sein kann, aber er hat mir mein Leben wieder geschenkt. Die Rastlosigkeit war endlich vorbei, ich konnte ankommen und endlich anfangen zu heilen.
Juliette: So jemanden wie ihn habe ich einfach noch nie getroffen. Und ja, ich weiß auch nicht, warum es unbedingt Chris sein musste, aber ich bin einfach glücklich. Ginge es nach mir, würde ich ihn niemals mehr verlassen."
Dieses Grinsen dahinter kann ich kaum einsortieren, aber ich denke einfach, dass es ihre Reaktion auf mein indirektes Geständnis sein wird. Meine Worte und Gedanken ertränke ich in einen Schluck von meinem Eiskaffee, der sich in der Sonne langsam löst und beginnt zu schmelzen.
Levi: Er wird es wieder gut machen, dass er heute nicht da sein kann. Sicherlich."Als ich einmal zu ihr aufschaue, wendet sie ihren Blick von mir ab und schaut die Straße runter, in der wir uns befinden. Seltsam, dass er genau das gleiche gesagt hatte, aber im gleichen Zug ist es wohl nicht zu abwegig, so etwas zu behaupten. In den Moment will ich mich lieber wieder auf meine Freundin, unseren Nachmittag und den kommenden Urlaub fixieren und nicht auf das, was wir nicht haben...beziehungsweise, was ich gerade nicht habe. So schreibe ich auch keine Nachricht an ihn, lasse mein Handy in Ruhe und nutze die Zeit, die ich zusammen mit Levi habe.
Auch wenn wir nicht so lange gebraucht haben, um den Eiskaffee zu leeren, wir blieben danach noch eine Zeit auf unseren Plätzen sitzen, Levi bestellte sich ein Stück Kuchen, für mich hatten sie leider nichts da und erst nach über einer Stunde ging es für uns wieder weiter. Die letzten Besorgungen wurden erledigt, wir trieben uns in ein paar Geschäften rum, lachten zusammen und haben die Zeit vergessen. Daher hatte ich gegen 17.30 Uhr vorgeschlagen, ob wir zusammen was zum Abend essen gehen wollten, aber sie hatte Kyra versprochen, wieder zu Hause zu sein und das verstehe ich auch. Seltsam, am Jahrestag wieder allein am Abend zu Hause zu sein, aber ich weiß, dass sie zu ihrer Freundin muss und immerhin hat sie mich den Tag über abgelenkt...
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Never Less Than a Lover
Fanfiction10: Du gibst mir wieder Mut 09: Du zeigst mir das Gefühl von Geborgenheit 08: Du bist der erste, der mich richtig verstehen kann... Alles, was Juliette und Christian miteinander verband, war ein endloser Deal und ein Geheimnis, was niemals ans Licht...