3. "Danke."

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...löst Finn auf einmal seinen Blick von mir und nimmt seine Hand von meiner Wange. Dann geht er zum Tresen und blättert im Skript. „Okay, nächste Szene." Was? Wie angewurzelt stehe ich da und nicke nur schwach. „Ok.", meine Stimme ist brüchig. „Alles okay?", fragt Finn und legt eine Hand auf meinen Arm. „Mhm." Ich nicke wieder. „Den Kuss kriegen wir so bestimmt auch hin, oder nicht?", fragt Finn grinsend. Ich nicke wieder. „Ich bin gleich wieder da.", sage ich leise und gehe Richtung Bad. „Ähm, okay?"

Im Bad stütze ich mich aufs Waschbecken. Ich starre auf dieses blonde, dünne Mädchen mit runder Brille, das mich aus dem Spiegel heraus anschaut. Finn klopft gegen die Tür. „Mira? Geht es dir gut?" „Ja!", rufe ich und binde meine schulterlangen Haare zu einem Pferdeschwanz. Dann wische ich mit dem Ärmel meines Pullis über meine Stirn und klatsche leicht gegen meine Wangen. Dann komme ich wieder heraus. „Was ist?" Finn steht vor mir. Ich schaue ihm in die Augen. „Nichts. Ich wollte nur meine Haare zusammenbinden. Ich bin müde. Gute Nacht." Ich gehe an ihm vorbei, in mein Schlafzimmer und schließe die Tür. Ich drehe den Schlüssel im Schloss um. Müde war ich wirklich. Die Szene mit Finn erinnert mich zu sehr an meinen Ex in Deutschland. Ich ziehe gerade meinen Pulli über den Kopf, als es an der Tür klopft. „Ich kann nicht mehr nach Hause, die nächsten Bahnen fahren um vier Uhr morgens..." Ich werfe den Pulli aufs Bett und ziehe mein Schlafshirt an. Dann ziehe ich den BH aus dem Ärmel heraus. „Du kannst hier pennen.", rufe ich nach draußen, während ich meine Jeans ausziehe und zu dem Pulli werfe. Dann ziehe ich eine kurze Jogginghose an. Ich nehme die Anziehsachen von meinem Bett und werfe sie in meinen Wäschekorb neben der Tür, dann schließe ich wieder auf.

„Vertraust du mir nicht?", fragt Finn gespielt empört. Ich grinse. „Nicht bei sowas." Ich gehe ins Bad und nehme meine Zahnbürste. Währenddessen zieht Finn sich ebenfalls um. Er hat eine Schublade in meiner Schlafzimmerkommode bekommen, in der immer ein paar Sachen von ihm liegen. Er kommt in Jogginghose und weitem Shirt auch ins Bad und stellt sich neben mich, seine Zahnbürste in der Hand. Dann stehen wir stumm da und putzen Zähne. Bis Finn fragt: „Mira, es ist nicht alles okay. Ich bin dein bester Freund. Rede mit mir." Allerdings hört es sich, aufgrund von Zahnpastaschaum im Mund, eher an wie „Mira, esch ischt nischt allesch okay. Isch bin dein beschter Freund. Rede mid mir." Ich muss grinsen. „Wasch?" Finn spuckt seinen Mundinhalt ins Waschbecken. „Nix." Ich tue es ihm nach und wir spülen unsere Münder mit Wasser aus. „Also, du kannst mit mir drüber reden. Hast du Probleme bei der Szene?" Ich gehe an ihm vorbei ins Schlafzimmer und werfe mich auf mein King Size Bett. „Finn...", seufze ich und lege die Wolldecke für ihn auf die andere, nicht von mir besetzte Seite des Bettes. Er kommt nun ebenfalls rein und schließt die Tür. „Ist vorne abgeschlossen?" Er nickt und setzt sich auf die Bettkante, nimmt sein Kissen und schüttelt es auf. „Mira?" „Hm." Ich lege mich auf den Rücken und lege meine Hände unter meinen Kopf. „Also." Finn legt sich neben mich und faltet seine Hände über seinem Bauch. „Als ich noch in Deutschland war... Ich hatte einen Freund. Er war etwas wie Richie, wenn du verstehst. Immer witzig, oder besser gesagt möchtegernwitzig, hat eigentlich nie Gefühle gezeigt. Als er mir gesagt hat, dass er sich in mich verliebt hat... Es war eigentlich genau so wie in der Szene. Ich..." Meine Stimme bricht und ich wische mir eine Träne aus dem Gesicht. Ich setze mich auf und nehme ein Taschentuch aus der Taschentuchbox auf dem Nachttisch. Dann kann ich mich nicht mehr zurück halten. Tränen laufen über meine Wangen, ich schluchze laut auf und schnäuze in unzählige Taschentücher. Finn setzt sich ebenfalls hin und umarmt mich schräg von hinten und legt seinen Kopf auf meiner Schulter ab.

Ich schluchze vor mich hin, wische mit meinem Handrücken die Tränenspuren von meinen Wangen, während Finn mich einfach nur festhält. „Schhh. Nicht weinen...", murmelt er vor sich hin und ich muss ein wenig grinsen. Er schaut mich an. „Besser. Du bist viel hübscher wenn du lächelst." Dann drückt er mich wieder an sich. Ich schniefe und werfe das letzte Taschentuch für heute in den Mülleimer. „Danke." Wieder schniefe ich, Finn lässt mich los und legt sich hin. Er zieht die Wolldecke über seinen Körper und dreht sich zu mir. Ich lege mich ebenfalls hin und drehe mich zu ihm. „Danke.", wiederhole ich flüsternd und drehe mich Richtung Wand. Ich schließe die Augen und schlafe langsam ein. Mitten in der Nacht wache ich jedoch auf. Ich habe von ihm geträumt. Um Finn nicht zu wecken, bleibe ich still liegen. Tränen steigen mir in die Augen. Och nö. Sie laufen meine Wangen hinunter, saugen sich ins Kopfkissen. Ich schniefe wieder und fange leise an zu schluchzen. Wieso habe ich mich damals eigentlich in dieses Arschloch verliebt? Wieso ließ ich mich auf ihn ein? Es war klar, dass er mich abservieren würde. Ich schluchze. Mein ganzer Körper bebt, während die Tränen mein Kopfkissen nass machen. Auf einmal bewegt sich etwas hinter mir. Finn rutscht näher an mich und legt seinen Arm um mich. Er zieht mich noch etwas näher und flüstert „Shhhh."

Er ist so fürsorglich, echt süß. Nicht so wie sonst, wenn er sich das Maul zerreißt und einen Witz nach dem nächsten macht. Er hat echt Ähnlichkeiten mit seiner Filmrolle... Ich atme auf und drehe mich zu ihm. „Du bist ja wach!", sagt Finn verwundert. Ich nicke. Dann lege ich meine Arme um ihn und ziehe ihn an mich. Nun ist es sein Shirt, das nass wird. Ich vergrabe mein Gesicht in seiner Halsbeuge, während er seine Arme um mich legt und über meinen Rücken streichelt. „Mach dir keine Gedanken, Mira. Vergiss dieses Arschloch. Er ist 1000 Kilometer entfernt und hat bestimmt schon eine neue gefunden." Ich nicke. „Er ist ein Arsch. Nicht so wie du." Ich schniefe. Finn geht mit seinem Kopf zurück. „Wie meinst du das?" „Er hat sich nie um mich gekümmert, so wie du es gerade tust.", schluchze ich. „Ich muss ihn vergessen, ja." Finn gibt mir einen kleinen Kuss auf die Wange und mein Gesicht liegt schnell wieder in seiner Halsbeuge. Ich klammere mich förmlich an ihn. „Danke, Finn. Danke danke danke danke." Ich löse mich wieder von ihm und drehe mich auf den Rücken. „Für dich doch immer.", sagt er leise und dreht sich ebenfalls auf seinen Rücken. Sein linker Arm liegt noch an meinem Nacken, doch keiner von uns ändert etwas daran. Und so schlafen wir beide wieder ein und der Traum kam nicht wieder.

„Hello, Kinder!", rufe ichund steige aus dem Wagen. Meine Augen sind zwar noch etwas rot von heute Nacht,aber es fällt kaum auf. Heute ist ein voller Drehtag für mich. Finn steigt

ebenfalls aus. Er winkt Jaeden und Jeremy zu, die an der Tür des Studios stehen und auf uns warten. Wir gehen zu ihnen und ich umarme sie. Finn klatscht die beiden ab und wir gehen rein.

Szene 16 ist die erste für heute. Finn und ich stehen in einem kleinen Set, der den Hausflur von Lilys Familie darstellt. Alle anderen Darsteller wurden rausgeschickt. Nun sind es nunmehr nur noch zwanzig Leute, die uns anstarren. „Action!", brüllt der Regisseur.

Finn schließt die geöffnete Tür und stellt sich ca. 2 m vor mich. Die Kamera zoomt auf sein Gesicht. Er schiebt die Brille auf seiner Nase hoch, dann schwenkt die Kamera auf mich.

„Rich, was machst du hier?" In meinen Augen bilden sich Tränen- in diesem Fall passt es zur Szene. Alle werden denken, es sei Absicht, denke ich mir und stehe still da, während die Tränen meine Wangen hinunter laufen.

„Lily, ich... Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht beleidigen.", sagt Finn und durch den Vergrößerungseffekt seiner Brille sehe ich, wie ihm auch Tränen in die Augen steigen.

„Wow, eine Entschuldigung von Richie Tozier! Dass ich das noch miterleben darf!", rufe ich und schnaube wütend.

„Lily, hör auf damit! Ich will nicht immer nur der sein, der zu allem einen blöden Spruch auf Lager hat, seinen Äußerungen zufolge jede Mutter in Derry gevögelt hat und seine Gefühle nicht zeigt." Die erste Träne rollt seine Wange hinunter und tropft auf den Teppich, der auf dem Boden liegt.

„Rich, du hast keine Gefühle. Du bist ein Arsch! Ein Schandmaul, sagen sie. Und zwar zu Recht! Du musst immer alles ins Lächerliche ziehen, verdammt!" Ich stampfe auf, während meine Tränen immer weiter auf den Boden tropfen. Finn kommt einen Schritt näher.

„Lily, ich habe Gefühle. Das kannst du mir glauben. Sonst wäre ich nicht hier, okay?"

„Was meinst du?", frage ich mit brüchiger Stimme. Finn setzt noch einen Schritt nach vorne.

„Mann, Lily! Wenn ich bei dir bin, dann bin ich anders! Ich kann sein, wer ich wirklich bin. Und das ist mein voller Ernst." Finn kommt noch einen Schritt auf mich zu. Er steht jetzt direkt vor mir.

„Ich bin anders bei dir. Besser. Nicht dieses Arschloch wie sonst. Und es ist mir egal, wie kitschig das hier gerade klingt. Lily, ich habe Gefühle. Und zwar für dich." Finn legt mir seine linke Hand auf meine Wange und streichelt mit seinem Daumen darüber. Sein Gesicht nähert sich meinem, ganz langsam. Ich spüre seinen schweren Atem auf meinen Lippen, so nah ist er.

„Was..." Meine Stimme versagt kurz.

„Ich habe noch nie eine Sache so ernst gemeint, Lil. Nie." Finns Stimme ist nur noch ein schwaches Flüstern. Ich schaue ihm direkt in seine dunklen Augen.

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