22: "Meinst du, ich bin blind?"

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„Wie bitte?" Fin verschluckt sich beinahe an seinem Tee. „Woher weißt du denn das?" Ich klopfe ihm helfend auf den Rücken. „Er hat mir den Namen seines Schwarms nicht verraten wollen, meinte, dass sie bald in ein anderes Land zieht..." „Und?" Mein bester Freund nimmt sich seine Tasse Tee und nippt daran. „Wie und?" „Ja, woher willst du wissen, dass er dich meint?" Ich stocke. Ja, woher eigentlich? „Ähm, ich... So ein Gefühl.", versuche ich, die Situation zu retten. „Aha. Mira, es gibt noch tausende andere Mädchen, die bald aus Vancouver in ein anderes Land ziehen..." „Kann sein." „Ne, kann nicht sein- es ist so.", schließt Finn das Thema ab. „Heute Abend kommt Caleb vorbei, bevor wir zur Party fahren, oder?" Ich nicke. „Um sechszehn Uhr." Dann stehe ich auf, um den Geschirrspüler einzuräumen.

„Bitte was." Sophia schaut mich fassungslos an. Ich habe ihr soeben von dem Rat, den Jaeden wollte erzählt. Von meiner Vermutung weiß sie noch nichts. „Ja, frag mich nicht." Ich zucke mit den Schultern. „Meinst du, er meint mich?" „Wie meinst du das?", frage ich fassungslos. „Nach diesem Projekt werde ich für anderthalb Jahre nach England gehen. Für ein Filmprojekt. Habe ich dir das noch nicht erzählt?" „Ich, ähm- Nein?", frage ich zögernd. „England?" Sophia nickt. Dann öffnet sich die Tür des Pausenraums und Jaeden tritt heraus. „Hey, Mira.", begrüßt er mich. Dann bemerkt er Sophia, die, an sie Wand gelehnt, an ihren Nägeln herumknibbelt. „O- Hey, So-Sophia.", stottert er. Ich lege meinen Kopf schief, während ich mir innerlich mit der flachen Hand gegen die Stirn klatsche. „Jaeden?" Ich ziehe ihn weg von Sophia, die sich, nach einem Kopfnicken meinerseits, wieder nach drinnen verzieht. „Was denn?" „Du wolltest noch mal reden, hast du geschrieben. Also, hier bin ich." Ich setze mich auf den Boden und lehne mich gegen die Hauswand. Dann klopfe ich auf den Beton neben mir, woraufhin Jaeden sich neben mich fallen lässt. „Schieß los.", fordere ich ihn auf. „Ich wollte es ihr sagen, weißt du. Aber ich... trau mich nicht- es ist so, als würde ich wirklich stottern, wenn ich ihr gegenüber stehe." Ich nicke verstehend, dann grinse ich ihn schelmisch an. „Es ist Sophia." Er stockt und reißt die Augen auf. „Woher..." „Meinst du, ich bin blind?", grinse ich. Er wird ein wenig rot. „Anderthalb Jahre sind doch nicht so schlimm.", versuche ich, ihn aufzumuntern. „Was hast du schon ne Ahnung davon." Jaeden rauft seine Haare. „Ich bin für zwei volle Jahre dauerhaft von meiner Familie getrennt, die fast 8000 Kilometer von mir entfernt wohnt, während ich in meiner ersten eigenen Wohnung wohne, in einer komplett fremden Stadt..." „Ja, ich habe verstanden." Jaeden verdreht seine Augen. „Dann ist ja gut. Sag also nicht, dass ich das nicht verstehe." Jaeden steht auf. „Ja, okay. Du hast Recht." Er hält mir die Hand hin. Ich nehme sie und werde prompt von ihm auf die Beine gezogen. „Sag es ihr. Wird schon schiefgehen.", zwinkere ich ihm zu und gehe wieder hinein.

Zehn vor vier. Ich stehe vor dem Spiegel und überlege, ob ich meine Haare glätte oder sie kraus locke. Nachdenklich lege ich den Kopf schief, während Finn auf dem Küchentresen sitzt und das letzte Stück Pizza verschlingt. „Wieso machst du dir so einen Stress?", fragt er gelassen. Ich schaue ihm durch den Spiegel an. „Ich wollte immer schon auf eine dieser Mottopartys. Außerdem kommt Caleb ja auch.", rechtfertige ich mich und nehme mein Glätteisen von der Kommode. „Ja, dein Schatzi, der in zehn Minuten hier auf der Matte steht.", trällert mein Mitbewohner, während er sich in der Küche die Hände wäscht. „Genau der." Ich fange an, meine Haare zu glätten, während der Zeiger der Uhr immer weiter vorrückt.

Es klingelt. Finn huscht an mir vorbei und betätigt den Türsummer. „Wie viele Haare hast du denn bitte, dass du so lange brauchst, um deine Haare zu glätten?", fragt er, als er über meine Schulter in den Spiegel linst. „Um genau zu sein, haben blonde Menschen circa 150.000 Haare.", informiere ich meinen besten Freund grinsend. Er verdreht die Augen und geht ins Badezimmer. Ich schmunzle und bearbeite die letzte Strähne meines Kopfhaars, während die Tür sich langsam öffnet. „Schatz?" Caleb steckt seinen Kopf durch den Türspalt. „Komm rein.", fordere ich ihn auf, als ich das Glätteisen zum Abkühlen auf die Fensterbank lege. Kurz darauf umarmt mein Freund mich von hinten und gibt mir einen Kuss auf die Wange. „Hallöchen.", flüstert er mir ins Ohr. Mein Herz zieht sich zusammen. Schnell löse ich mich aus der Umarmung und drehe mich zu ihm. Er trägt das Sakko, welches wir zusammen gekauft haben, mit einer blauen Krawatte. „Schick.", sage ich und streiche seinen Hemdkragen glatt. Da kommt Finn aus dem Bad. „Hände gewaschen?", frage ich ihn. Er verdreht die Augen und geht wieder hinein. „Danke." „Ja, Mama. Schon gut." Kurz darauf kommt er wieder heraus. „Sag, Mama, wird Caleb mein neuer Dad?" Er grinst. Ich zeige ihm meinen Mittelfinger. „Komm, zu musst dich noch umziehen.", sagt Caleb und deutet auf mein überaus schickes Outfit. Pinke Jogginghose und grell gelbes Schlabbershirt. Ich muss schmunzeln. „Ja, ich gehe ja schon." Ich drehe mich um und gehe ins Schlafzimmer, zum Kleiderschrank. Caleb und Finn gehen ins Wohnzimmer. Dann schließe ich die Tür und streiche über den Stoff meines Kleides, das an einem Bügel an der Tür des Schrankes hängt. Da klopft es an der Tür. „Denk dran, ich muss mich auch noch umziehen!", höre ich Finns gedämpfte Stimme durch die Tür. Ich grinse und nehme mein Kleid herunter. „Jaja!", rufe ich nach draußen.

Ich schließe das Kleid am Reißverschluss an der Seite und drehe mich einmal im Kreis. Der Rock flattert um mich herum. Ich streiche den Stoff glatt und gehe ins Wohnzimmer, wo die Jungs auf dem Sofa sitzen. „Locke, du kannst dich jetzt umziehen gehen.", fordere ich Finn auf. „Locke?" Er steht auf und schaut mich verwirrt an, als er an mir vorbei geht. „Ich bin halt kreativ.", lache ich und gehe zum Sofa. „Wow." Caleb steht auf und kommt auf mich zu. Wie erstarrt stehe ich vor ihm, als er seine Hände an meine Hüfte legt und mich zu sich zieht. Dann flüstert er mir ins Ohr: „Wie wäre es, wenn du heute mal bei mir übernachtest?" Die Zweideutigkeit dieses Satzes treibt mir einen Schauer über den Rücken und einen Stich ins Herz. Ich lege meine Hände in seinen Nacken und lächele schwach. „Das geht nicht, ich muss morgen früh raus.", lüge ich und drücke ihm einen Kuss auf. „Sicher?", fragt Caleb grinsend. Ich nicke und ziehe einen Schmollmund. „Ich finde es ja auch nicht toll...", sage ich schnell und löse mich. „Ich müsste mal kurz ins Bad, wenn du verstehst...", entschuldige ich mich und gehe ins Bad.

Ich stütze mich am Waschbecken ab und schaue mich im Spiegel an. Geschminkt bin ich bereits, meine glatten Haare fallen mir in kleinen Strähnchen ins Gesicht. Wieso sage ich solche Sachen? Ich liebe Caleb, oder nicht? „Ich liebe Caleb", forme ich mit den Lippen. Wieder dieser Stich im Herzen. „Wo ist Mira?", höre ich Finns Stimme aus dem Wohnzimmer. „Bad.", sagt Caleb knapp. Kurz darauf klopft es. „Mira, alles okay?", fragt Finn durch die Tür. „Sie ist auf Klo, Finn, beruhig dich.", kommt es von meinem Freund. „Ich kenne sie anscheinend besser als du. Sie verschwindet nur ins Bad, 'Wenn du verstehst', wenn sie aus ner Situation fliehen will, die ihr unangenehm ist." Scheiße, Finn kennt mich wirklich besser. Ich starre noch einmal das blonde Mädchen im Spiegel an, dann betätige ich die Spülung. „Sag ich doch!", bestätigt Caleb seine Vermutung. Ich wasche meine Hände. Dann komme ich wieder heraus. Grinsend schaue ich die beiden Jungs an, die vor der Badezimmertür stehen. „Was macht ihr da?", frage ich. „Nichts, alles gut.", sagt Finn schnell. Ich nicke kurz und gehe an den beiden vorbei, zu meiner Kommode, auf der mein Handy liegt. „Fahren wir? Es ist halb."

„Mira! Finn! Caleb!", ruft eine Stimme. Ich drehe mich um und sehe Millie und Sadie, die am Eingang des Clubs stehen, in dem die Mottoparty stattfinden sollte. Ich winke fröhlich und ziehe Caleb automatisch hinter mir her, denn unsere Finger sind verschränkt. Finn folgt uns automatisch. „Da seid ihr ja. Dein Kleid ist ja ... wow!", begrüßt Sadie uns lächelnd und umarmt uns alle. Millie tut es ihr gleich. „Dein Kleid ist wunderschön. Steht dir.", zwinkert sie mir zu, als wir uns umarmen. „Da ist Jack!", stellt Caleb fest und winkt diesem zu, während er auf uns zukommt. „Hallöchen, Freunde.", begrüßt er uns und umarmt mich. „Wow, dein Kleid!", bemerkt er, als wir uns lösen. „Danke.", grinse ich verlegen. „Lass uns reingehen.", schlägt Finn vor und wir betreten den Club.

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