28: "Geküsst?"

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Das Klingeln des Weckers reißt mich, wie jeden Morgen, aus dem Tiefschlaf. Stöhnend stelle ich ihn aus und schlage die Hände über meinem Kopf zusammen. Auch Finn wird wach und streckt sich. Finn. Mir fallen meine Gedanken von gestern Abend ein. Verdammt. Schnell setze ich mich auf, wobei mir etwas schwindelig wird. Schnell fasse ich an meine Schläfe. „Alles gut?", fragt Finn verschlafen. Wie erstarrt beobachte ich, wie er seine Jogginghose überzieht. „Mira?" Ich wende meinen Blick ab. „Ja, mir geht's gut. Bin zu schnell hochgekommen." Finn nickt verstehend und geht ins Bad. Ich strecke mich und stehe auf. Schnell streife ich meine Plüschsocken an und streife mir einen Pullover über, denn die Gänsehaut ist wieder da. Diesmal war es teils auch wegen der Kälte. Finn hatte gestern vergessen, das Fenster zu schließen. Dann gehe ich in die Küche, um etwas zu essen heraus zu holen. „Deine Frühstückschideen schind immer scho kreativ!", kommt es von Finn, der, mit einer Zahnbürste im Mund, im Türrahmen lehnt. Ich schüttele grinsend den Kopf. „Danke, Senor. Jetzt geh wieder ins Bad, bevor du das Laminat mit Zahnpasta vollkleckerst.", sage ich und stelle das Nutella auf den Tresen. „Schon gut, Mum." Er dreht sich um und verschwindet wieder im Bad. Mum. Wieder dieser Stich. Verdammter Bockmist.

Ich sitze, immer noch in kurzer Schlafanzughose, Pulli und Plüschsocken, am Tresen und drehe den Toast auf meinem Teller umher. Finn kommt aus dem Schlafzimmer und umarmt mich von hinten, was mir sofort einen Schauer über den Rücken jagt. „Willst du dich nicht anziehen?", fragt er lächelnd. Ich drehe weiter den Toast. „Gleich." „Oh, Tee!", stellt Finn fest. „Extra kein Früchtetee. Es ist Roiboos.", informiere ich ihn und nehme das Messer, um mir Nutella auf meinen Toast zu schmieren. „Wie aufmerksam.", bedankt sich Finn und setzt sich neben mich. Ich schmiere also Nutella auf meinen Toast und reiche Finn das Messer. „Danke." Nun macht auch er sich sein Nutellatoast. „Sag mal, ist alles in Ordnung?", fragt er und beißt in seinen Toast. „Ich habe diese Frage schon viel zu oft in letzter Zeit gehört.", seufze ich und beiße ab. „Tut mir leid. Darf ich mir nicht mal mehr Sorgen um dich machen?", fragt mein bester Freund schmunzelnd. „Doch, klar." Ich stopfe mir den letzten Rest des Toasts in den Mund und gehe ins Bad, während Finn sich einen zweiten Toast schmiert.

Ich putze meine Zähne, wasche mein Gesicht und meine Haare. Die gesamte Zeit über muss ich über die Stiche und die Gänsehaut nachdenken. Es kam immer dann auf, wenn Finn da war. Die Gänsehaut und die Schauer. Immer dann, wenn er etwas Liebes sagte, immer wenn er mich, und wenn nur aus Versehen, berührte. Die Stiche, immer wenn er mich verletzte. Ich rubbele meine Haare mit dem Handtuch trocken. Dann begebe ich mich ins Schlafzimmer, um mich anzuziehen. Eine hellblaue Jeans, ein pinker Pulli. Dann gehe ich zurück zu Finn, der noch immer am Essen ist. „Wie viele hast du jetzt gegessen?", frage ich verdutzt. „Nach dem fünften habe ich aufgehört, zu zählen.", grinst er verlegen. „Oh meine Güte.", lache ich und stelle meinen Teller weg. „Wir müssen gleich los."

„Sophia, sag mal, was habt ihr gestern denn jetzt noch so gemacht?", frage ich Sophia, die ich eben gerade beiseite genommen habe, um sie auszuquetschen. „Wir waren essen.", sagt sie. „Wieso war es dann so ruhig?", hake ich nach. „Jetzt lass mich doch zu Ende erzählen!", ruft sie empört. Ich hebe schützend die Hände. „Ja, okay, fahr fort!" „Okay, also. Wir waren nach dem Kino wirklich essen. Dann hat er mich gefragt, ob wir noch zu ihm gehen wollen..." Skeptisch ziehe ich eine Augenbraue hoch. „Ja, ich weiß. Normalerweise ist das ein Aufreißer-Move, aber komm schon, es ist Jaeden!", rechtfertigt sie ihre Erzählung. Ich nicke langsam. „Ja, okay, auch wieder wahr." „Wir sind also zu ihm, und saßen auf der Dachterrasse. Da hast du angerufen." Ich grinse. „Grins nicht so blöd.", beschwert Sophia sich. „Wir saßen also auf der Dachterrasse. Es war wie in einem Film, weißt du, mit bunten Lichterkerzen und Vollmond...", schwärmt sie weiter. Ich verschränke die Arme vor der Brust. Liebend gerne hätte ich jetzt Popcorn gehabt. Da ich jedoch keins habe, höre ich einfach weiter zu und kaue auf meinem Kaugummi herum. „Na ja, und dann... Hat er gesagt, dass er froh ist, dass wir mal alleine weg waren, weil er das schon lange wollte.", lächelt sie und fährt durch ihre kurzen Haare. „Ich sagte dann 'Ja, ich auch' und wir haben uns die Sterne angesehen. Dann hat er angefangen, davon zu erzählen, wie sehr er mich vermissen wird, wenn ich nach England gehe. Ich habe fast angefangen zu heulen, Mira, das sag ich dir." Sophia fächert sich mit ihren Händen Luft zu. Ich grinse vielsagend. „Klingt doch toll! Und dann?" Sie grinst über beide Backen. „Habt ihr euch....", fange ich an. „Geküsst?", fragt Sophia leise. Ich nicke einmal. „Und?", hake ich nach. „Vielleicht?", grinst sie. Ich knuffe ihr in die Seite. „Ja, okay." Ich quietsche wie ein zwölfjähriges Mädchen und fasse Sophia am Arm. „Hat ja gut geklappt!", freue ich mich. „Was?" Ich stocke. Verplappert, Mira, hast du toll gemacht. „War das von Anfang an geplant, dass du und Finn nicht kommt?" Ich starre auf meine Fußspitzen. Sie wird so sauer sein, denke ich mir und knete meine Fingerknöchel. „Eine Verkupplungsaktion also.", sagt sie ernst. Ich kneife meine Lippen zusammen. Ich erwarte eine Standpauke. Ich erwarte eine Ohrfeige. Ich erwarte, von Sophia angeschrien zu werden, was ich mir denn dabei gedacht hätte. Dennoch tat sie das, was ich nie im Leben in dieser Situation erwartet hätte.

Sie umarmt mich. „Danke.", flüstert sie. Völlig perplex lege ich meine Arme um sie, bin jedoch völlig erstarrt. „S-Seid ihr jetzt zusammen oder so?", stammele ich. Sophia löst sich von mir. „Ich weiß es nicht, um ehrlich zu sein.", gibt sie zu. „Da habt ihr ja ein Gesprächsthema.", zwinkere ich ihr zu. Denn genau in dem Moment kommt Jaeden heraus. „Gesprächsthema?", fragt er verwirrt. „Ich geh mal wieder rein.", sage ich und klopfe Jaeden im Vorbeigehen auf die Schulter. Immer noch verwirrt geht er zu Sophia. „Hey.", höre ich noch von ihm, dann schließe ich grinsend die Tür hinter mir. „Was...?", fragt Wyatt, als ich mich grinsend neben ihn aufs Sofa fallen lasse. „Alles gut.", sage ich und lehne mich zurück. „Ähm, okay." „Hey, Stannie, wieso grinst'n du so blöd?", höre ich eine mir sehr bekannte Stimme. „Klappe, Kleiner. Ich habe einfach gute Laune.", erkläre ich. Was ja auch stimmt. Keine Lüge. „Na dann." Finn pflanzt sich neben Wyatt und stützt seinen Kopf in die Hände. „Alles gut?", frage ich über Wyatt hinweg. „Denke schon, ja. Müde.", sagt er und lehnt sich zurück. Dann gähnt er, wie zum Beweis, ausgiebig und legt den Kopf in den Nacken. „Gute Nacht.", grinse ich. „Ich hasse dich." „Tust du nicht.", lächele ich. „Tu ich nicht."

„Geht's dir wieder besser?", frage ich, als wir im Auto sitzen. Finn nickt mehr oder weniger überzeugend. „Vielleicht solltest du mal in Erwägung ziehen, vor Mitternacht schlafen zu gehen.", schlage ich vor. „Ja, Mum.", seufzt er und schaltet das Radio ein. Ich drehe den Schlüssel um und fahre vom Parkplatz auf die Straße. Mum. Verdammter Bockmist, schon wieder diese Stiche. „Nenn mich nicht Mum." Wow, Mira, tolle Maßnahme. „Wieso?", fragt mein Beifahrer. „Das klingt, als wäre ich 40.", rechtfertige ich mich. „Du bist 40, oder nicht?" Ich zeige ihm meinen Mittelfinger. „Hey, wenn's dich wirklich stört, dann höre ich auf damit.", sagt er unerwartet lieb. Ich drehe ihm kurz meinen Kopf zu, bevor ich mich wieder auf die Straße konzentriere, um auf den Highway zu fahren. „Wirklich?", frage ich ungläubig. „Ja, natürlich." Er starrt geradeaus auf die Straße. Ich muss schmunzeln.

„Hat Sophia dir jetzt alles erzählt?" Wir stehen im Fahrstuhl, auf dem Weg nach Hause. „Aber so was von.", grinse ich. „Rück schon raus mit der Sprache, Stannie!", drängelt mein bester Freund. „Gleich." Die Türen öffnen sich und wir verlassen den Fahrstuhl. „Komm schon!" „Du bist ungeduldig, Wolfhard." Ich öffne die Wohnungstür und streife meine Schuhe ab. „Sie haben sich geküsst.", sage ich, wie nebenbei. „Bitte wie?", fragt Finn und zieht seine Augenbrauen hoch. „Ja." „Sind sie zusammen?", fragt er, während er seine Schuhe auszieht. „Wissen sie nicht. Keine Ahnung. Sieht aber gut aus.", grinse ich. „Endlich mal!", ruft Finn erleichtert und schmeißt sich auf das Sofa. Ich setze mich zu ihm. „Nicht wahr." Jetzt setzt unangenehme Stille ein. Finn starrt seitlich aus dem Fenster, während ich nervös auf meine Finger schaue. Nervös? Wieso nervös? Mein Bein fängt an, zu zittern. Finn kratzt sich am Hinterkopf. Dann steht er langsam auf, und streckt sich. „Ich... gehe dann mal schlafen.", sagt er leise und geht Richtung Schlafzimmer. „Hm.", nehme ich seine Aussage zur Kenntnis, ohne meinen Blick von meinen Fingern zu nehmen. „Gute Nacht.", höre ich noch, bevor sich die Tür zum Schlafzimmer schließt.

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