57: "Eigentlich war ich... beschäftigt."

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„Also?", frage ich ungeduldig. Noah druckst seit einer gefühlten Ewigkeit drum herum. „Worum geht es denn jetzt?", frage ich mal wieder und seufze. „Man, Mira, das ist nicht so einfach." „Rück raus mit der Sprache, Schnapp!", stöhne ich genervt. „Ich will schlafen!" „Ja, okay. Also, Jessi will, dass ich ihre Eltern kennen lerne." Ich seufze erneut, dann gähne ich ausgiebig. „Und deswegen bin ich seit einer halben Stunde hier am Handy?", gähne ich und reibe meine Augen. „Mira! Das ist echt wichtig!" „Was ist denn dein Problem?", frage ich müde. „Ich... bin einfach nervös. Woher weiß ich, dass sie mich mögen werden?", fragt er besorgt. Ich lege mich auf den Bauch. „Du weißt es nicht.", sage ich wahrheitsgemäß. „Was?", fragt Noah komplett fassungslos. „Aber ich bin mir sicher, dass sie dich mögen werden. Du bist ein toller Kerl, Schnappi. Und Jessi ist sehr glücklich mit dir, also was sollten sie schon gegen dich haben?", sage ich aufmunternd. „Danke, Mira, das ist sehr süß von dir.", sagt Noah hörbar erleichtert. „Kein Problem. Darf ich jetzt schlafen?", gähne ich. „Von mir aus.", lacht Noah und verabschiedet sich. „Gute Nacht.", grinse ich und lege auf.

Gähnend sitze ich auf dem Fahrersitz und trommele auf dem Lenkrad herum. „Montage sind scheiße.", bemerke ich. Vor zwei Nächten hat Noah mich angerufen- heute Abend lernt er Jessis Eltern kennen. Ich starre auf die Ampel. „Das kannst du laut sagen.", erwidert Finn und lehnt sich gegen die Fensterscheibe. Draußen schüttet es wie aus Gießkannen. „So viel zum Sommer.", seufze ich. Die Ampel wird grün und ich fahre los. „Es ist Juli, mann! Wieso regnet es im Juli?", beschwert sich mein Freund. „Sieh es so...", versuche ich, eine positive Sache zu finden. „Heute nur drinnen drehen." Wenn ich wüsste.

„Regenszenen?", frage ich verblüfft. Finn seufzt und legt seine Stirn resigniert an meine Schulter. „Ich weiß, ihr seid nicht begeistert, aber so können wir richtig draußen drehen und müssen den Regen nicht simulieren.", erklärt Joanne. „Immerhin ist es warm.", versucht sie, uns zu überzeugen. Ich seufze und auch die Anderen sind immer noch nicht begeistert. Wyatt streicht seine lockigen Haare aus dem Gesicht. „Na, los, auf geht's!", ruft Joanne und klatscht in die Hände. „Ab in die Maske!"

Klatschnass stehen wir alle um eine Bank herum, die vor Richies fiktivem Haus steht. Finn sitzt auf dieser Bank, das Gesicht in seinen Händen vergraben. Ich habe eine Hand auf seine Schulter gelegt. Alle Anderen stehen bedrückt um uns herum. „Du wirst uns sehr fehlen.", beginnt Sophia das Gespräch. Mir steigen Tränen in die Augen. Meine Gedanken schweifen ab, zu dem Tag, an dem ich zurück nach Deutschland ziehen muss. Tränen rollen meine Wangen hinunter und tropfen auf den Bordstein, bevor ich mich neben Finn setze und seine Hand nehme. Ich vergesse beinahe, dass ich schauspielern muss. Schnell besinne ich mich und wende meinen Kopf Finn zu. „Vor allem mir.", sage ich mit brüchiger Stimme. „Ich weiß.", antwortet Finn mit roter Nase. Auch seine Augen sind rot. „Cut!", ruft der Regisseur. Finn und ich rühren uns kein bisschen, bis auf dass Finn seine Richiebrille abnimmt und neben sich legt. Ich starre auf den Fußboden. „Finn?", frage ich nach einer Weile. „Ja?" „Wir sollten reingehen, es ist kalt." Noch immer regnet es in Strömen. Er nickt und steht auf. Langsam gehen wir in Richtung des Studios. „Hast du an genau dasselbe gedacht wie ich?", fragt er leise. „Woran hast du denn gedacht?", frage ich unsicher zurück. „An den Tag, an dem du zurück musst.", schnieft er. „Finn.", schluchze ich. Er legt einen Arm um meine Schultern und öffnet die Tür zum Pausenraum. „Leute, alles in Ordnung?", fragt Wyatt besorgt und rubbelt sich seine Haare mit einem Handtuch trocken. Ich schniefe. „Mehr oder weniger."

Am Abend sitze ich auf dem Sofa und starre in Richtung des Fensters. Früher oder später werden die Dreharbeiten vorbei sein und ich muss dann wohl oder übel zurück nach Deutschland. In anderthalb Jahren werde ich in meinem Bett sitzen, Netflix schauen und meiner Mutter zurufen, dass ich keinen Hunger habe. Denn ich würde an einem gebrochenen Herzen sterben. Sentimental des Todes, Mira!, warne ich mich selbst. Kurzerhand schiebe ich meinen emotionalen Ausbruch auf den Liebesfilm, der gerade über meinen Fernseher flimmert. Noch anderthalb Jahre. Eine lange Zeit, rede ich mir ein. Dennoch wird mir bei dem Gedanken schlecht, meine neu gewonnenen Freunde zu verlassen. Wieder spüre ich, wie sich Tränen in meinen Augen sammeln. Da kommt Finn aus dem Bad und setzt sich neben mich. „Wow, du hast nicht gefragt, ob ich Hände... Mira, alles ok?", fragt er besorgt, als er mich sieht. Ich schüttele den Kopf. „Ich will hier nie weg.", schniefe ich und wische meine Tränen von meinen Wangen. „Das dauert noch eine lange Zeit...", seufzt Finn, aber ich höre, dass er auch nicht gerne darüber nachdenkt. Ich drehe ihm meinen Kopf zu. „Ich liebe dich.", flüstere ich und ziehe einen Mundwinkel hoch, als ich sehe, wie sich sein Gesichtsausdruck entspannt. „Ich liebe dich auch.", erwidert er und legt seine Lippen auf meine. Seine Hände legen sich an meinen Rücken und ziehen mich näher an Finn, der in den Kuss hinein lächelt. Ich lege eine Hand an seine Wange. Ich will ihn nie loslassen. , denke ich. Der Kuss wird immer intensiver und Finn drückt mich nach hinten.

Ich seufze. Mein Handy klingelt und ich löse mich von seinen Lippen. Etwas peinlich berührt richte ich mich auf und räuspere mich. Finn kratzt sich am Hinterkopf. „Ja?", melde ich mich. „Hier ist Jessi." „Ich weiß.", seufze ich. „Hallo, Jessi." Mein Blick fällt auf Finn, der mich gebannt beobachtet und eine Augenbraue hochzieht, als ich den Namen meiner Anruferin erwähne. „Was ist denn?", frage ich in den Hörer. „Eigentlich war ich... beschäftigt.", sage ich nach einigem Zögern und lächele Finn verlegen an. Er zieht einen Mundwinkel hoch und zieht seine Nase hoch. „Tut mir leid.", sagt Jessi und ich höre, wie sie grinst. „Du bist doof.", sage ich auf Deutsch. „Was ich sagen wollte: Ich bin gerade von dem Abendessen mit Noahs Eltern nach Hause gekommen." „Und?" „Sie mögen mich!", freut sie sich. „Das ist schön.", grinse ich und sehe Finns verwirrten Blick. „Ja, oder?" „Ja, sag ich ja. Du, können wir wann anders noch mal drüber reden?" „Du bist beschäftigt, ich weiß.", grinst Jessi hörbar. „Ich störe euch dann nicht weiter." „Jessi, du hast das Ganze sowieso zerstört.", lache ich. „Konnte ich ja nicht riechen!", lacht sie. „Machs gut.", verabschiede ich mich. „Bis demnächst. Wir schreiben." „Logo." Dann lege ich auf. „Ich habe wieder mal kein einziges Wort verstanden... Wieso redet ihr die meiste Zeit Deutsch?", beschwert Finn sich. „Ist hier in fremden Landen doch eine Art Geheimsprache, oder nicht?", grinse ich. „Worüber habt ihr bitte geredet, dass ihr eine Geheimsprache dafür braucht?", lacht mein Freund. „Dass sie stört.", grinse ich. „Ach ja?" „Logo.", grinse ich. „Oder waren wir gar nicht beschäftigt?" „Kann mich nicht mehr dran erinnern....", überlegt er angestrengt. „Oh nein, dann war's doch eine Halluzination ...", seufze ich enttäuscht und lehne mich zurück. „Oh, warte, war es...", beginnt Finn seinen Satz und legt seine Lippen auf meine. „Das?", fragt er, als wir uns lösen. „Könnte sein....", erinnere ich mich. Wieder versinken wir in einem Kuss, der immer intensiver wird. Da werden wir wieder unterbrochen.

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