86: "Ich darf das eigentlich nicht tun."

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„Was ist passiert?", fragt Finn mich in der Sekunde, in der ich die Wohnungstür hinter Jack schließe, der sich nun wieder auf den Heimweg macht. „Sein Leben läuft gerade einfach nicht... so optimal.", seufze ich und gehe in die Küche, um den Geschirrspüler einzuräumen. Finn folgt mir und drängelt sich vor, sodass er als erster am Spüler ankommt, und fängt an, das zu tun, was ich gerade vorhatte. Lächelnd stelle ich mich zu ihm und helfe mit. „Er hat geweint, Mira!", sagt mein Freund eindringlich und verteilt das Besteck im dazugehörigen Fach. „Genau das gleiche hat Jack mir mal über dich gesagt.", grinse ich. „Wann?", fragt Finn.

„Er hat geweint, Mira.", beginnt Jack. „Er liebt dich. Und genau deswegen distanziert er sich von dir. Das ist ja das Ding.", fährt er fort. „Wirklich?", frage ich entsetzt. „Oh mein Gott.", seufze ich dann und lehne mich zurück. „Kannst du laut sagen." „Und was hast du dazu gesagt?", frage ich nach. „Dass du ihn doch auch liebst. Und... von der Sache mit den Narben." „Oh.", sage ich knapp. „Oh.", sagt auch Sophia. „Es hat ihn noch mehr aufgelöst. Aber er... will jetzt auch nicht mehr mit dir zusammen sein." Jacks Stimme wird immer leiser. „Das hat er gesagt?", frage ich entgeistert. Jack nickt und zuckt mit den Schultern. Mir steigen Tränen in die Augen. „Er hat gesagt, wenn dir die Meinung Anderer wichtiger ist als deine Beziehung zu ihm, dann macht es keinen Sinn mehr.", seufzt er und umarmt mich.

„Nachdem du geweint hast, würde ich mal sagen.", antworte ich und sortiere die Teller ein. Finn überlegt kurz. „Wann habe ich aber... Oh.", fällt es ihm wieder ein. „Ach ja.", fügt er knapp hinzu. Ich kneife meine Lippen zusammen. Wir reden immer noch nicht darüber. „Aber ist sein Leben wirklich so schrecklich, dass er weinen muss?" „Willst du damit sagen, dass er nicht weinen darf?", frage ich etwas angenervt. „Was?", fragt Finn zurück. „Vielleicht, weil er ein Typ ist? Dürfen Typen nicht heulen?", frage ich nun komplett aufgelöst. „Mira, so habe ich das nicht gemeint!", sagt Finn mit fester Stimme. Er stellt den letzten Teller in den Spüler und schließt diesen, bevor er sich zu mir umdreht. Ich lehne gegen die Anrichte und atme flach. „Beruhig dich.", sagt er leise. Ich nicke. „Tut mir leid.", sage ich und will gehen, doch Finn fängt mich ab und nimmt mich in den Arm. Ich seufze und erwidere die Umarmung. „Manchmal habe ich das Gefühl, ich wäre älter.", schmunzelt er. Ich kneife ihn kurz, woraufhin er zusammenzuckt. „Au!", beschwert er sich. „Selber schuld.", nuschele ich gegen seine Schulter. „Ich bin älter und das ist auch gut so.", stelle ich klar. „Ich weiß.", grinst mein Freund. „Ich bin halt... eine Heulsuse.", rechtfertige ich mich. „Manchmal.", schmunzelt er. Wieder kneife ich zu. „Lass das!", lacht er. „Wie gesagt: Selber schuld.", grinse ich breit. „Hör auf, mich zu verstümmeln.", grinst er breit. „Ich kneife dich nur.", sage ich schulterzuckend. „Und seine Eltern sind geschieden, seine Mum zieht mit ihm bald nach Washington, er hat keinen Erfolg mehr beim Schauspielern, und er liebt Sadie, aber sie ihn nicht.", sage ich und lehne mein Kinn an seine Brust, sodass ich ihn ansehen kann. „Was?", fragt er etwas verwirrt. „Ich habe gerade deine Frage beantwortet.", grinse ich. „Etwas verspätet.", lacht er auf. „Ich bin Deutsche, bei uns verspätet sich immer alles.", lache ich und auch Finn muss lachen.

„Geht es dir jetzt wieder besser?", fragt Finn nach einer Weile. Ich nicke. „Danke.", sage ich. „Für dich würde ich alles tun.", lächelt er mich an. „Schleimer.", gebe ich zurück. „Ich liebe dich auch.", sagt er und legt seine Hände an meine Wangen. „Find ich toll.", grinse ich. „Stimmungszerstörer." „Du bist zu kitschig, Romeo.", sage ich schulterzuckend. „Klappe.", zischt mein Freund und drückt seine Lippen auf meine. Lächelnd erwidere ich den Kuss.

Am nächsten Tag sitze ich auf dem Fahrersitz und trommele ungeduldig auf dem Lenkrad herum. Die Ampel springt auf Grün und ich gebe Gas. Ich biege ab und fahre in die Tiefgarage des Hotels, in dem Sadie zurzeit wohnt. In meinen Gedanken wiederholt sich Jacks Satz.

„Nichts für ungut, Mira, aber... Lass gut sein. Du musst nicht immer die Beziehungen anderer retten."

Ich schüttele entschlossen den Kopf. Dann steige ich aus und gehe zum Fahrstuhl. Seufzend drücke ich auf den Knopf nach oben. Die Türen öffnen sich und ein Herr im Anzug drängt sich an mir vorbei, bevor ich den Aufzug betreten kann. Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter und fahre hoch zur Rezeption. Ich gehe schnellen Schrittes zu der älteren Dame, die irgendwas auf der Computertastatur vor ihr tippt. „Hallo.", sage ich und lege meine Hände am Tresen ab. „Was kann ich für sie tun?", fragt die Dame und richtet ihre Brille. „Könnten Sie mir bitte verraten, in welchem Zimmer Sadie Sink wohnt?", frage ich freundlich lächelnd. „Wie oft soll ich es noch sagen, Fans bekommen hier keine Auskunft über die Stars hier im Hotel.", seufzt die Frau genervt. Ich ziehe die Augenbrauen hoch. „Könnten Sie bitte bei ihr anrufen, und ihr sagen, dass Mira Stanford hier unten ist und zu ihr möchte?", frage ich immer noch freundlich. „Mira Stanford? Könnte ich ihren Ausweis sehen?", fragt die Dame zur Sicherheit und schaut mich über den Rand ihrer Brille hinweg an. Ich nicke und krame in meiner Tasche. Dann halte ich ihr meinen Ausweis hin. „Ich werde sie anrufen.", nickt sie Dame immer noch skeptisch und nimmt den Hörer in die Hand. „Mrs. Sink, hier ist eine gewisse Mira Stanford, die gerne zu Ihnen möchte.", sagt die Dame und sieht mich immer noch sehr kritisch an. „Okay. Natürlich." Sie legt auf und nickt mir zu. „Zimmer 207.", sagt sie knapp. „Vielen Dank.", sage ich und gehe zu den Fahrstühlen neben dem Treppenhaus.

„Hey, Mira.", begrüßt Sadie mich, als sie die Tür aufmacht und mich etwas verwirrt ansieht. „Hey.", lächele ich und umarme sie. „Was- Wieso bist du hier?", fragt sie und deutet aufs Zimmerinnere, wo ein Sofa unter dem Fenster steht. „Setz dich doch." Ich gehe zum Sofa und setze mich. „Wieso bist du jetzt hier?", fragt Sadie skeptisch. „Darf ich dich nicht einfach mal so besuchen?", frage ich. „Doch, aber..." „Ich muss mit dir reden.", sage ich geradeheraus. „Also doch.", seufzt sie und setzt sich zu mir. „Ich darf das eigentlich nicht tun.", sage ich leise. „Was?" Sadie ist sichtlich verwirrt. „Jack geht es beschissen.", kommt es aus mir heraus. „Was?", wiederholt Sadie. Ich kneife meine Lippen zusammen. „Er hat geweint. Er weint sonst nie.", fahre ich fort. Sadie lehnt sich zurück. Sie sieht etwas geschockt aus. „Wirklich?", fragt sie atemlos. Ich nicke. „Wenn er fragt, hast du es nicht von mir.", füge ich hinzu. „Er kommt nicht damit klar, dass du den Kontakt abbrechen willst- abgebrochen hast.", korrigiere ich mich selbst. Sadie holt tief Luft. „Das hätte ich nicht tun sollen.", sagt sie dann. „Wieso der Meinungswechsel?", frage ich und lehne mich ebenfalls zurück. „Als er mir gesagt hat, dass er sich auch mehr als Freundschaft mit mir vorstellen könnte... Ich wusste nicht, was ich tun sollte.", erklärt sie. „Und jetzt? Was hat sich geändert?", hake ich nach. „Er fehlt mir. Mir ist klar geworden, wie viel er mir wirklich bedeutet...", gibt sie zu. „Hab ich's mir doch gedacht.", grinse ich. „Ich muss mich bei ihm entschuldigen.", stellt Sadie fest. Ich nicke. „Wann?", frage ich. „Ich weiß es nicht." „Du hast viel Zeit zum Überlegen, ich muss wieder nach Hause. Finn und ich gehen ins Kino.", sage ich und stehe auf. „Aber nicht zu lange. Jack zieht bald nach Washington." „Was?", fragt Sadie. „Ich... Magst du nicht mitkommen und ich hole Jack auch dorthin und..." „Gute Idee.", unterbricht Sadie mich. Ich behalte es für mich, dass es eigentlich nur ein Spaß war und nicke. „Okay. Dann los..." Dann fahren wir zu mir, während ich Sadie mein Handy gebe, um Jack zu schreiben.

„Jack, Notfall. Komm bitte sofort zu uns."

„Ist schon ein wenig wie in einem Film.", seufzt Sadie. „Ein schlechter Film.", bemerke ich. „Das macht es nicht besser." „Oh. Ja. Tut mir leid." „Aber eigentlich hast du Recht. Das ist dumm." „Es wird nicht mehr dumm sein, wenn es funktioniert.", werfe ich ein. „Wenn es funktioniert." „Klar wird es das.", muntere ich sie auf. „Jack hat geantwortet. Er ist in zwanzig Minuten da.", informiert sie mich dann. 

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