67: "Er hat geweint, Mira."

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„Verdammter Bockmist.", fluche ich. Die Muffins sind komplett verkohlt. Ich schmeiße das Backblech förmlich auf das Kochfeld. Es klappert. „Was ist los?", kommt es aus dem Wohnzimmer. Dort sitzen Jack und Sophia auf dem Sofa. „Die Muffins sind hin!", rufe ich zurück. „Och nö!", seufzt Sophia. „Wir hätten Kekse!", schlage ich vor. „Nehme ich auch.", stimmt Jack zu. „Ich bin am Verhungern.", meckert er. „Klappe.", lächele ich leicht und nehme die Keksdose aus dem Schrank. Dann gehe ich zu meinen Gästen. „Nichts klappt in meinem Leben.", seufze ich und drücke Jack die Kekse in die Hand. „Was? Doch, klar!", widerspricht Sophia und schnappt sich ebenfalls einen Keks. „Was denn bitte?" „Du hast mich uns Jaeden wieder zusammen gebracht! Und jetzt kommt er mit nach England!", schwärmt sie. „Und ansonsten? Leute, ich habe meine Beziehung im Klo runtergespült, habe eine psychische Störung, habe die Muffins verkohlen lassen..." „Mira.", unterbricht Jack mich mit vollem Mund. „Es gibt immer Phasen, in denen es mal nicht so gut läuft. Und das mit Finn... Kommt auch wieder in Ordnung.", verspricht er. „Nein.", widerspreche ich. „Doch, glaub mir. Er war doch letztens bei mir, richtig? Da wo du angerufen hast.", erinnert er mich. Sophia isst noch einen Keks und beobachtet unsere Unterhaltung gebannt.

„Er hat geweint, Mira.", beginnt Jack. „Er liebt dich. Und genau deswegen distanziert er sich von dir. Das ist ja das Ding.", fährt er fort. „Wirklich?", frage ich entsetzt. „Oh mein Gott.", seufze ich dann und lehne mich zurück. „Kannst du laut sagen." „Und was hast du dazu gesagt?", frage ich nach. „Dass du ihn doch auch liebst. Und... von der Sache mit den Narben." „Oh.", sage ich knapp. „Oh.", sagt auch Sophia. „Es hat ihn noch mehr aufgelöst. Aber er... will jetzt auch nicht mehr mit dir zusammen sein." Jacks Stimme wird immer leiser. „Das hat er gesagt?", frage ich entgeistert. Jack nickt und zuckt mit den Schultern. Mir steigen Tränen in die Augen. „Er hat gesagt, wenn dir die Meinung Anderer wichtiger ist als deine Beziehung zu ihm, dann macht es keinen Sinn mehr.", seufzt er und umarmt mich. Auch Sophia legt einen Arm um mich. „Tut mir leid.", flüstert sie. Tränen laufen meine Wangen hinunter. „Ich muss los.", sagt Sophia nach einiger Zeit. „Ich habe noch einen Termin.", entschuldigt sie sich.

„Ich kann nicht mehr.", sage ich lustlos, als Sophia die Tür hinter sich zugezogen hat. Jack nickt. „Alles wird wieder gut.", versucht er mir einzureden. „Nein. In einer Woche bin ich weg.", seufze ich und deute auf einige gestapelte Umzugskartons in der Ecke. „Na und? Ihr gehört zusammen, merkt ihr das nicht?", erklärt Jack. „Jack, es hat keinen Sinn mehr.", seufze ich und lasse mich zurück fallen. „Dass Mira Stanford einfach so aufgibt...", sagt Jack enttäuscht. „Was soll ich denn tun?", schniefe ich. „Oh meine Güte.", seufzt Jack und nimmt mich in den Arm. „Du liebst ihn, er liebt dich. Viel großes Drama ums Offensichtliche." „Er ignoriert mich konsequent.", schniefe ich. „Weil er denkt, dass du ihm nicht wichtig genug bist." „Er ist der wichtigste Mensch auf der ganzen Welt für mich.", stelle ich klar. „Ich habe eine Idee.", sage ich dann nach einiger Zeit. „Lass uns auf die Dachterrasse."

„Was sollen wir hier?", fragt Jack verwirrt. „Du kannst ja auch wieder gehen.", zicke ich. „Okay, beruhig dich.", lächelt Jack schwach. „Ich... war sehr lange nicht mehr hier oben.", seufze ich und lehne mich gegen das Geländer.

„Du hast mit dem Hausmeister geredet.", stelle ich fest. „Gut kombiniert, Sherlock.", grinst mein Mitbewohner und öffnet die Tür zu den Treppen, die auf die, lange geschlossene, Dachterrasse führen. Wir gehen die Stufen hinauf, wo Finn die letzte Tür zur Terrasse aufstößt. Die Dachterrasse unseres Hochhauses stehen einige Tische und Stühle unter einem Pavillon. Auf der anderen Seite befindet sich ein kleiner Pool, der gerade von einem kleinen Glasaufbau überdacht wird. An dem Anbau, aus dem wir gerade die Treppen hoch gekommen sind, liegen immer noch ein paar trockene Blätter aus dem Herbst, die von der leichten Brise hin und her gewirbelt werden. Über den Dächern Vancouvers geht die Sonne unter und taucht den Himmel in ein kräftiges Orange-Rot. Seit wann so sentimental?, frage ich mich, während ich langsam zur Brüstung der Terrasse gehe und auf die tief unten liegenden Straßen hinab schaue.

„Achtung, sonst fällst du noch runter." Zwei Arme schlingen sich von hinten um meine Hüften und halten mich fest. „Ich falle schon nicht.", beruhige ich Finn lachend, während meine Arme von Gänsehaut überzogen werden. „Nur zur Sicherheit.", sagt er leise und legt seinen Kopf auf meinen. „Gut, dass du so klein bist, Stannie.", sagt er grinsend. Ich schüttele, soweit möglich, meinen Kopf und schmunzele. „So klein, dass ich es nicht mal mit Anlauf über das Geländer schaffen würde." „Du schaffst alles, wenn du willst." „Wieso sollte ich vom Hochhaus springen wollen?" „Ja, ok. Schon gut.", erwidert er. „Siehst du." Ich löse mich aus seinem Griff und gehe zu den Tischen. Ich setze mich hin. „Mehr Action kriegst du nicht, wenn du hier tatenlos rumsitzt!", mosert Finn lachend herum. „Wie?", frage ich. „Dir war langweilig. Dann sitz nicht hier rum und langweile dich weiter!" Er zieht mich wieder hoch. „Was ist denn dein Vorschlag?", frage ich grinsend. Finn schaut sich um. „Pool."

„Okay.", nimmt Jack das Ganze zur Kenntnis. „Ich wollte einfach nicht. Ich konnte nicht.", erkläre ich. „Verstehe ich.", nickt mein Zuhörer. Ich nicke ebenfalls. „Es tut einfach so weh.", sage ich leise. „Ich weiß." Jack schließt mich in seine Arme. „Danke.", nuschele ich gegen sein Shirt. Er ist nämlich schon wieder gewachsen. „Wofür?", fragt er lächelnd. „Du bist einfach immer für mich da.", seufze ich und drücke ihn fest an mich. „Aber natürlich. Wir sind doch Freunde." Ich lächele. Ja, Freunde.

Friends. // f.w.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt