89: "Ein Jahr."

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„Vielleicht solltest du mal mit ihm reden.", schlägt Finn das hier Offensichtliche vor. Ich nicke. „Muss ich ja. Er ist mein bester Freund.", erkläre ich mich und nehme Finn die Tasse Kakao wieder ab, woraufhin ich jedoch feststellen muss, dass er nicht einen Schluck übriggelassen hat. Empört schaue ich ihn an. „Du hast meinen Kakao ausgetrunken!", meckere ich, mit besonderer Betonung auf „meinen". Finn schaut mich mit seinem Welpenblick an. „Tut mir unendlich leid.", sagt er. Ich schüttele den Kopf. „Das kannst du dir sonst wohin stecken, mein Lieber.", sage ich beleidigt und stelle die Tasse weg. „Aber Stannie.", versucht es Finn. Ich schnaube gespielt wütend auf. „Nein, Finn, das war meiner!", stelle ich klar und drehe mich auf dem Absatz um, sodass meine Haare fliegen. „Ich gehe wieder schlafen.", rufe ich nach hinten und gehe ins Schlafzimmer.

Einige Stunden später sitze ich auf dem Sofa und halte mein Handy einen Arm lang von mir weg. Auf dem Display lächelt mich Sophia an. „Ich habe dein Geburtstagsgeschenk schon vor zwei Tagen losgeschickt. Wenn es nicht beim Zoll landet, sollte es an deinem Geburtstag da sein.", erklärt sie. „Ich habe auch was reingepackt!", meldet sich Jaeden, der neben ihr sitzt, und streckt seinen Kopf ins Bild. Ich winke kurz und lache. „Hallo Jae.", grinse ich. „Ja, also wenn dir mein Teil des Geschenks nicht gefällt, komme ich nach Vancouver und verkloppe dich!", droht er lachend mit erhobenem Finger. Ich schüttele den Kopf. „Ich bin mir sicher, dass es super-mega-ober-cool wird.", versichere ich ihm. Er nickt und verschwindet wieder aus dem Bild. „Und, wie läuft es bei #jadie?", fragt Sophia schelmisch grinsend. Ich kneife meine Lippen zusammen. „Ich habe nicht den geringsten Schimmer.", gebe ich zu. „Wieso das denn?" „Ich wollte wieder eine Verkupplungsaktion starten...", seufze ich. „Hat sie nicht funktioniert?", fragt Sophia mitleidig. Ich zucke mit den Schultern. „Das ist ja die Sache: Ich weiß es nicht.", brumme ich. „Wieso...?" „Sadie war hier und ich habe Jack herbestellt, damit die beiden reden können.", erkläre ich und unterbreche somit Sophias Frage. „Und?", fragt sie nach. Ich stütze meinen Kopf auf meine freie Hand und seufze auf. „Und dann sind sie abgehauen. Und seitdem habe ich von beiden nichts mehr gehört.", beende ich die kurze Erzählung. „Die sind bestimmt zu beschäftigt.", zwinkert Sophia mir zu. „Soph, das ist nicht lustig, ich habe echt Angst dass Jack sauer auf mich ist.", beschwere ich mich. „Wieso das denn?", fragt Sophia etwas verwirrt. „Es könnte sein, dass sie nichts gesagt haben, ich zu ihnen gegangen bin und gesagt habe, dass Sadie doch endlich mal was sagen muss, weil es ihre Idee war. Und da sind sie aufgestanden und sind gegangen.", erkläre ich. „Und wieso sollte Jack sauer auf dich sein?" „Er hat gesagt, ich soll nicht mit Sadie reden." „Das musst du mir jetzt etwas genauer erklären.", bittet Sophia mich und ich erzähle ihr die ganze Geschichte. Wie Jack weinte, mir sagte, ich solle nicht mit Sadie reden, ich es aber trotzdem tat und so weiter.

„Oh mann. Du solltest ihn anrufen.", seufzt Sophia, als ich meine Erzählung beende. „Ja, wollte ich ja, aber dann hast du angerufen.", lache ich. „Na dann will ich dich nicht weiter abhalten. Ich muss sowieso gleich los zum Dreh.", grinst Sophia. „Viel Spaß.", verabschiede ich die beiden und lege auf. Jetzt muss ich Jack wohl anrufen. Ich gehe auf seinen Kontakt und starre auf den kleinen, grünen Telefonhörer, der mich nach einem Klick mit Jack verbinden würde. Ich atme tief durch. Was, wenn er mich wirklich hasst, weil ich etwas getan habe, was er nicht wollte? Wird er mich anschreien? Ich seufze und drücke kurz auf den Hörer. Eigentlich bereue ich es in demselben Moment, aber es tutet. Also hebe ich das Handy an mein Ohr. Es tutet, und tutet, und tutet. Ignoriert er mich? Da meldet er sich.

„Was?", blafft er ins Mikrofon. „Jack?", frage ich unnötiger Weise nach. „Ja.", bemerkt er trocken. „Bist... du sauer?", frage ich unsicher. Als ob ich mir das nicht denken könnte. „Schon.", sagt er etwas genervt, aber in einem ruhigeren Ton. „Es tut mir leid. Du wolltest nicht, dass ich mit ihr rede, und ich habe es ignoriert.", rattere ich meine Entschuldigung herunter. „Geht es dir gut?", frage ich, als einige Zeit nichts kommt. „Ja.", sagt er trocken. „Schön, dass du es eingesehen hast." „Bist du sehr sauer?", frage ich wieder nach einiger Stille. Er schweigt weiter. „Jack?", frage ich beinahe schon flüsternd. „Mira.", sagt er etwas genervt. „Ja, entschuldige mal bitte, wenn du nichts sagst!", rege ich mich auf. Ich trommele auf der Sofalehne herum. Am anderen Ende der Leitung bleibt es weiterhin still. Auf einmal tutet es. Er hat aufgelegt. Ich nehme mein Handy von meinem Ohr und schaue es mir noch einmal an. Er hat wirklich aufgelegt. Wütend werfe ich mein Handy neben mich. Ich spüre, wie mir eine Träne über die Wange rollt. Da betritt Finn den Raum.

„Mira?" Ich drehe mich um und kneife meine Lippen zusammen. Dann sage ich leise. „Ich hab verkackt." „Wie jetzt?" „Jack ist mega sauer.", füge ich hinzu. „Das wird wieder.", seufzt Finn und setzt sich zu mir. Erst jetzt sehe ich, dass er ebenfalls rote Augen hat. Sofort ist der Streit- wenn man es Streit nennen kann- mit Jack vergessen und ich wende mich Finn zu. „Was ist passiert?", frage ich besorgt. „Ich habe ein Jobangebot bekommen.", sagt er leise. Ich lege meinen Kopf schief. „Und wieso hast du... Ich meine, du weinst so gut wie nie!", frage ich. „Ein Jobangebot ist doch was Gutes...", überlege ich. „Eigentlich schon.", stimmt Finn mir zu. „Und wieso..." „Ich muss dafür nach Boston ziehen.", sagt Finn so leise, dass ich es kaum verstehe. „Was?", frage ich entgeistert. „Boston. Massachusetts. 5100 Kilometer von hier. Ja, das habe ich schon nachgeschaut.", lächelt er leicht. Ich ziehe meine Augenbrauen hoch. „5100 Kilometer?", frage ich nach. Finn nickt. „Für wie lange?" „Ein Jahr." „Ein Jahr.", wiederhole ich monoton. Wieder nickt Finn und legt seine Hand auf meine Schulter. „Ich...", fange ich an. „Ich wollte eigentlich pendeln, aber...", beginnt Finn zu erklären. „Ist zu weit. Schon klar.", sage ich und starre ins Leere. „Finn?", frage ich dann, nachdem es einige Zeit still war. „Was ist das für ein Jobangebot?" „Ein Filmprojekt mit Leonardo DiCaprio und Tom Hanks..." Ich lasse ihn nicht weiter reden. „Du nimmst an.", sage ich. „Was?" „Du. Nimmst. An.", wiederhole ich. „Und du?", fragt Finn etwas entgeistert. „Ich will nicht ohne dich dorthin."

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