29: "Mich langweilen?"

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Meine Augen öffnen sich. Draußen ist es hell. Der Himmel ist bedeckt. Verwundert richte ich mich auf. Ich bin auf dem Sofa eingeschlafen! „Gut geschlafen?", kommt es von hinten. Ich fahre herum. Dort steht, wie erwartet, mein bester Freund. Er trägt eine Jogginghose und ein viel zu großes T-Shirt, dass ihm verknautscht vom dünnen Körper hängt. Seine Haare sind verstubbelt und stehen verknotet in alle Richtungen ab. Er gähnt und streckt sich. Wie erstarrt beobachte ich ihn. „Mira, alles okay?", reißt er mich wieder aus meinen Gedanken. „Hm? Ähm, ja.", sage ich schnell. „Ich habe auf dem Sofa geschlafen?", frage ich verwirrt, während ich die Decke, mit der ich zugedeckt war, zusammenlege. „Ja. Du bist hier im Sitzen eingeschlafen. In der Nacht war ich kurz wach, weil ich Durst hatte. Da habe ich dich da gesehen und dich richtig hingelegt und zugedeckt. Hoffe, das ist okay.", sagt er mit seiner rauen Morgenstimme und geht in die Küche. Mein Blick verfolgt ihn, bis er hinter der Wand verschwindet. Ich seufze und stehe auf. „Es ist übrigens zehn vor acht.", kommt es von meinem Mitbewohner. Ich nicke. „Mira?" „Ja, okay. Ich mache mich jetzt fertig."

„Sophia?", bitte ich eine meiner besten Freundinnen heraus. Sie steht auf und lächelt Jaeden, der neben ihr saß, kurz verstohlen an, bevor sie zur mir kommt. Ich öffne die Tür. „Wenn ich bitten darf?" Ich halte ihr die Tür auf und ziehe Sophia ein wenig von dieser weg. „Was ist denn los?" „Habt ihr geredet?" „Nicht darüber, wenn du das meinst." Ich seufze. „Mensch, Sophia." „Tut mir leid, wirklich! Ich spreche schon mit ihm, keine Sorge." „Das hoffe ich auch für dich, Lillis.", grinse ich und umarme sie. Sie erwidert die Umarmung. „Mach dir keine Sorgen, Mira. Ich mag ihn ja wirklich und wenn ich eines will, dann mit ihm zusammen sein." „Was?" Ruckartig lösen wir die Umarmung und fahren herum. „Jaeden, was...?", frage ich. „Lässt du uns kurz alleine, Mira?", bittet er mich. Ich nicke. „Klar." Schnell gehe ich an Jaeden vorbei, Richtung Tür. Im Vorbeigehen sehe ich, wie seine Mundwinkel leicht nach oben zucken. Grinsend und voller Vorfreude gehe ich wieder hinein, zu Wyatt und Finn, die lachend auf dem Sofa sitzen. Chosen, Jeremy und Jack sitzen am Tisch und unterhalten sich über irgendwas mit Hundewelpen, oder so ähnlich. Ich schnappe mir einen Donut aus der Box auf dem Tisch und setze mich zu Wyatt und Finn aufs Sofa. Selbstzufrieden grinsend lehne ich mich zurück und beiße in den Donut. „Was ist los, Honigkuchenpferd?", fragt Wyatt. „Es hat geklappt.", sage ich. „Was?" „Finn weiß es." „Wirklich?" Finn lehnt sich vor und schaut mich an. Ich nicke. „Mission erfolgreich beendet, so wie's aussieht." „Bitte wie?", fragt Wyatt verdutzt. „Egal.", grinse ich und beiße noch einmal ab.

Finn ist mit Wyatt, Jack und Jeremy essen gegangen. Sie haben gefragt, ob ich mitwill, aber ich hatte keine Lust. Diesmal war es keine billige Ausrede. Ich stehe am Fenster und schaue über die nächtliche Stadt. Lichter blinken, Autos hupen und Menschen laufen unten an unzähligen Hotdogständen und Kiosken vorbei. Meine Gedanken schweifen ab, während ich an meiner Tasse Tee nippe.

Ich schluchze vor mich hin, wische mit meinem Handrücken die Tränenspuren von meinen Wangen, während Finn mich einfach nur festhält. „Schhh. Nicht weinen...", murmelt er vor sich hin und ich muss ein wenig grinsen. Er schaut mich an. „Besser. Du bist viel hübscher wenn du lächelst." Dann drückt er mich wieder an sich. Ich schniefe und werfe das letzte Taschentuch für heute in den Mülleimer. „Danke."

~

„Finn, ähm... Ich wollte nur was fragen." „Wasch denn?", fragt er und beißt nochmal ab. „Wieso hast du bei der Szene geweint?" Er schluckt runter und wendet sich mir zu. „Ich... musste an deine Geschichte von gestern Abend denken. Das hat mich, um ehrlich zu sein, echt fertig gemacht. Dich so zu sehen. Und dieses Bild hatte ich vor Augen." Er schiebt den letzten Rest seines Burgers in seinen Mund und stellt seinen Teller auf den Sofatisch. Ich esse die letzten paar Pommes von meinem Teller und stelle dieses auf Finns. „Wirklich?" Finn nickt. „Ja. Du bist meine beste Freundin, Mira. Ich hasse es, dich weinen zu sehen. Vor allem wegen so einem Arschloch."

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Finn seufzt. Dann schlingt er seine Arme um mich und verschränkt seine Hände vor meinem Bauch. „Es ist kein Date..." Auf einmal ist der ganze Stress vergessen. Meine Gedanken sind nicht mehr bei dem Date-oder-auch-nicht. Ich starre einfach nur auf die verschränkten Hände vor meinem Körper. Dann schaue ich in den Spiegel und betrachte diesen Lockenkopf auf meiner Schulter, der sich nun hebt und sich einfach gegen meinen Kopf lehnt. Mein Herz fängt an, wie wild zu klopfen. Finns Hände lösen sich und nehmen meine. Wie erstarrt beobachte ich das Ganze im Spiegel. So stehen wir da. Ich, ausgehfertig, mit knallroten Wangen, und hinter mir Finn in Jogginghose und Schlabbershirt, der meine Hände festhält und seinen Kopf gegen meinen gelehnt hat.

~

„Das wird's sein.", sage ich und nehme nebenbei Finn seinen Donut aus der Hand und beiße genüsslich hinein. „Ey!", beschwert er sich und rümpft die Nase. „Ich habe da schon abgebissen, das weißt du?" Ich grinse ihn zuckersüß an. „Wir haben schon so viel Speichel ausgetauscht, dass es mich eher weniger juckt.", sage ich und beiße erneut ab. „Wenn du das sagst..." Ich schaue mich kauend im Raum um. Alle sehen mich vielsagend an, während Finn, mit dem Rücken zu uns allen, eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank nimmt.

~

Ich schniefe erneut und wische vorsichtig meine Tränen weg. Ich komme wie die größte Heulsuse der Welt rüber, denke ich mir. Ich versuche, so leise wie möglich meine Tränen hinunterzuschlucken. Auf einmal legt sich ein Arm über meine Seite und zieht mich an sich. „Finn?", frage ich lautlos. Er schnarcht wieder. Er hat mich im Schlaf an sich gezogen, denke ich mir. Süß. Süß? Ich grinse. „Ja, süß.", flüstere ich und schließe meine Augen.

Ich schließe meine Augen. Die Flashbacks jagen mir einen Schauer nach dem nächsten über den Rücken. Verdammter Bockmist. Ich schüttele meinen Kopf, um wieder zu klaren Gedanken zu kommen. Ich trinke den Rest meines Tees aus. Geistesabwesend gehe ich in die Küche und stelle die leere Tasse in die Spüle. Mein Handy klingelt. „Ja?", melde ich mich. Mein leerer Blick schweift in der Küche umher. „Mira?", fragt Finn besorgt. „Ja, was ist?", frage ich und fasse mir an die Schläfe. „Geht es dir gut?" „Ja doch! Jetzt sag was ist.", sage ich, wenn auch etwas gereizt. „Ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich später komme." „Wie später?" „Wir gehen noch ins Kino. Dann komme ich aber auch wirklich." „Okay.", sage ich schlicht und ergreifend. „Okay?" „Ja, wieso denn auch nicht?", frage ich und lehne mich gegen den Küchentresen. „Gut. Weißt du, wie schwer es ist, dich jetzt nicht Mum zu nennen?" Ich höre förmlich, wie er grinst. „Klappe, Wolfie, jetzt ab zum Film.", grinse ich. „Ja, schon gut. Bis später." Schon hat er aufgelegt. Seufzend lege ich mein Handy auf die Anrichte und gehe wieder zum Sofa.

„Bin wieder zuhause!", ruft mein bester Freund und knallt die Tür überschwänglich zu. Ich schrecke aus meinen Gedanken auf. „Hey.", sage ich leise. Mein Blick ruht auf dem ausgeschalteten Fernseher. „Was machst du?", fragt Finn, als er den Raum betritt. „Mich langweilen?", schlage ich vor und drehe meinen Kopf zu ihm. „Ich weiß, wie wir das ändern können." Ich ziehe eine Augenbraue hoch. „Okay, ja, das klang falsch!", gibt er lachend zu. „Nein, mal im Ernst. Sie haben die Dachterrasse wieder geöffnet.", informiert er mich. Ich grinse. „Ja?" „Ja, wir können dort hoch, wenn du magst." Ich nicke und binde meine Haare zu einem Dutt, bevor ich meinen Schlüssel in die Hosentasche stopfe und Finn die Treppen nach oben folge.

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