34: "Man sollte den Koch verklagen!"

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Die Woche ist fast vorbei. Gefühlte 1000 Mal haben mich Leute gefragt, ob es mir gut geht. Außer Jaeden, Sophia und Jack weiß immer noch keiner, was passiert ist. Morgen würde Finn wieder kommen. Mir wurde immer, wenn es mir in den Sinn kam, flau im Magen. Vor Aufregung? Nervosität? Ich weiß es nicht. Ich sitze auf dem Sofa und schaue weiter Supernatural. Jack ist neben mir im Sitzen eingeschlafen. Meine Einstellung hat sich kaum geändert. Sophia würde es eine Tiefphase nennen. Ich habe nach dem Brunch so gut wie jedes Treffen abgesagt. Ich wollte nicht mehr vor die Tür und saß den ganzen Tag mit Jogginghose auf dem Sofa. Obwohl Jack mit motivieren wollte, mal essen zu gehen, und sei es nur ins Café gegenüber, verneinte ich immer. Ich fühle mich immer noch schlecht deswegen. Da klingelt mein Handy und reißt meinen Mitbewohner aus seinem Schlaf.

„Wer ist das?", fragt er verschlafen. Ich starre aufs Display. „Caleb.", sage ich atemlos. „Gehst du ran?" Ich schüttele den Kopf. „Ich kann nicht." Ich drücke den roten Hörer und lege mein Handy neben mich. „Wirst du jemals können?", fragt Jack. Ich zucke mit den Schultern. „Vielleicht wenn das mit Finn geklärt ist.", antworte ich leise und lehne mich schlapp zurück. „Willst du was essen?" Ich schaue weiter auf den Fernseher und schüttele den Kopf. „Mira, du solltest aber was essen." „Ich habe keinen Hunger." „Mira, du hast seit zwei Tagen kaum was gegessen!", versucht er mich zu überzeugen. „Ich habe Toast gegessen." „Ja, einen pro Tag!", regt er sich auf. „Willst du verhungern?" Ich atme einmal tief durch. „Na schön. Ich esse was. Wenn du dann Ruhe gibst..." „Pizza?" Ich drehe meinen Kopf zu ihm. „Von mir aus." „Salami?" Ich schüttele den Kopf. „Nein, Hawaii." „Okay." Er tiptt auf seinem Handy herum. Ich widme mich wieder Supernatural, obwohl meine Gedanken eigentlich ganz woanders sind.

„Pizza ist da." Jack läuft zur Tür. „Super.", sage ich mehr oder weniger überzeugend. Alleine bei dem Gedanken, etwas essen zu müssen, wird mir schlecht. Aber das kann ich ja nicht sagen. Kurz darauf kommt Jack mit zwei Pizzakartons zurück ins Wohnzimmer. „Bitte sehr..." Er reicht mir einen davon. Ich klappe ihn auf. Vor mir liegt eine lecker aussehende Hawaiipizza mit extra viel Ananas. Normalerweise würde ich sofort anfangen, diese in mich reinzustopfen, aber heute... Der sonst so gute Geruch steigt in meine Nase. Ich lege den Karton schnell neben mich und renne ins Bad. „Mira?", ruft Jack besorgt. Ich hänge über der Kloschüssel und entleere meinen ohnehin schon leeren Magen. „Mira?" Ich schließe die Augen. Mir wird schwindelig. Alles wird schwarz.

Es ist Abend. Die Sonne geht über den Bergen unter und taucht die Welt in ein orange-rotes Licht. Ich schaue Richtung Horizont, bis mich eine Stimme aus meinen Gedanken reißt. „Mira?" Es ist die Stimme, die ich so lange nicht mehr gehört habe. Die Stimme meines eigentlich besten Freundes. Ich fahre herum und schaue direkt in seine dunklen Augen. Ein paar Strähnen seiner Locken hängen ihm ins Gesicht. „Es tut mir leid.", sagt er leise und nimmt mein Gesicht in seine Hände. „So leid. Das musst du mir glauben, Mira. Sie wacht auf!" Verwundert schüttele ich meinen Kopf. Wie bitte? „Sie wacht auf, ruft eine Schwester!", kommt Jacks Stimme aus Finns Mund.

„Mira!" Ich öffne meine Augen. Um mich herum ist alles weiß. An der Wand hängt ein Bild einer Blume. Und in meinem Augenwinkel sehe ich Jack, der mich, halb über mich gebeugt, erfreut angrinst. Schnell fahre ich hoch. „Wo bin ich?", frage ich leise. Ich schaue mich im Raum um- sterile weiße Wände, das Blumenbild, Sonnenblumen auf einem Tischchen neben meinem Bett. Und Jack. „Im Krankenhaus, Mira.", beantwortet dieser meine Frage. Ich nicke. „Was ist passiert?" „Du hast dich übergeben und bist ohnmächtig geworden." Ich hebe meinen Arm, der, wie mir auffällt, an einer Infusion hängt. „Dir fehlen sämtliche Vitamine und Nährstoffe, dadurch, dass du so wenig gegessen hast.", teilt er mir besorgt mit. Ich lasse mich zurück auf mein Kissen fallen. „Wie lange bin ich hier?", frage ich schwach. „Nur ein paar Stunden. Es ist jetzt halb elf." „Morgens?", frage ich erschrocken. „Nein, abends. So lange warst du auch nicht weg. Höchstens fünf Stunden." Ich schlucke. „Wann komme ich hier wieder raus?" „Das weiß ich nicht, genau, aber der Arzt wird es dir gleich verraten.", gibt Jack zu und wie aufs Stichwort kommt der Arzt herein. „Guten Tag, Mrs. Stanford. Ich bin Dr. Smith. Wie geht es ihnen?" Ich nicke schwach. „Es geht. Mir ist schwindelig." „Okay. Das ist normal. Sie bekommen im Moment eine Infusion, die sie mit wichtigen Nährstoffen, Vitaminen etc. versorgt. Ihnen fehlt sehr viel Flüssigkeit." Er reicht mir ein Glas Wasser vom Nachttisch. Durstig nehme ich einen Schluck und warte auf weitere Informationen. „Wir behalten Sie noch eine Nacht zur Sicherheit hier. Dann können Sie wieder nach Hause. Aber Sie müssen richtig essen und trinken, das ist sehr wichtig, wie Sie sich denken können." Ich nicke. „Jetzt ruhen Sie sich erst einmal ein wenig aus. Wenn Sie irgendwas brauchen sollten, dann rufen Sie die Schwester." Wieder nicke ich und Dr. Smith verlässt den Raum.

Die Nacht war eine der schlaflosesten meines Lebens. Immer wieder musste ich auf die Toilette. Besser ging es mir dennoch nicht. Jack hatte in einem Klappbett neben meinem geschlafen, weil ich auf keinen Fall alleine sein wollte. Im Moment ist er ein so guter Freund für mich. Ich sitze auf meinem Bett und versuche, das Krankenhausessen runterzubekommen. Nicht, weil ich nicht essen will- das hat sich über Nacht wieder gebessert- sondern weil es einfach nur ekelhaft schmeckt. Auch Jack neben mir hat Probleme damit. „Man sollte den Koch verklagen!"; beschwert er sich. Ich grinse. „Sollte man tun, ja." „Ich bin froh, dass du versuchst, wieder normal zu essen.", wechselt er das Thema. „Ja, noch mal im Krankenhaus landen oder gar eine Essstörung entwickeln- darauf habe ich keine Lust.", erkläre ich und Jack nickt zustimmend. „Kann ich verstehen." Er piekst einen Rosenkohl auf. „Wie zäh kann Rosenkohl eigentlich sein?" Ich muss lächeln. „Das ist wohl ein neuer Maßstab für zäh.", sage ich und schiebe mir ein Stück Fleisch in den Mund. „Okay, warte- das ist schlimmer.", sage ich und spucke es zurück auf den Teller. „Ich bin froh, wenn ich wieder zuhause bin." „Frag mich mal! Ich musste auf einem unbequemen Klappbett schlafen!", lacht Jack. Ich muss auch lachen. Meine Sorgen wegen Finn sind wie weggeblasen. Das Einzige, was gerade wichtig ist, ist gesund werden.

„Es tut mir leid, aber sie dürfen erst in ein, zwei Tagen nach Hause.", überbringt Dr. Smith die schlechte Nachricht. Ich lasse mich zurück fallen. „Wieso das?", frage ich. „Ihr Zustand hat sich wieder verschlechtert. Ihre Blutzuckerwerte sinken rasend schnell." Ich schaue ihn verblüfft an. „Habe ich Diabetes?", frage ich vorsichtshalber nach. Der Arzt lächelt. „Nein, haben Sie da mal keine Sorgen. Sie brauchen nur eine weitere Infusion und ein paar Tabletten. Die bringe ich Ihnen gleich. Sie müssen strikte Bettruhe einhalten, verstanden? Mr. Grazer, achten Sie bitte darauf?" Der Angesprochene nickt verständnisvoll und schaut mich besorgt an. „Bis gleich.", verabschiedet sich Dr. Smith und verlässt den Raum. „Noch zwei Tage?", frage ich ungläubig und schlage die Hände überm Kopf zusammen. „Ich habe jetzt schon kein Lust mehr auf diesen Krankenhausfraß!", beschwere ich mich. „Und noch schlimmer ist: ab morgen fängt der Dreh doch wieder an weil Finn heute...", Jack bricht ab und schlägt sich die Hand vor den Mund. „Schon ok.", sage ich matt und lege mich wieder erschöpft hin. „Ich kann aber nicht die zwei Tage noch hier bleiben.", sagt Jack vorsichtig. Ich nicke. „Verstehe ich. Kein Problem. Ich habe nicht erwartet, dass du vier Tage mit mir im Krankenhaus wohnst...", beruhige ich ihn. „Ich bin schon dankbar, dass du die Woche bei mir in der Wohnung gewohnt hast und die eine Nacht hier auf dem Klappbett verbracht hast." Er beugt sich über mich und umarmt mich fest. „Kein Problem. Für dich immer gerne." Ich lächele. Er löst sich von mir und schaut mich mitleidig an. „Soll ich die Anderen fragen, ob sie dich besuchen wollen?", lächelt er. Ich nicke. „Gerne. Ich würde sie gerne wiedersehen und ihnen sagen, dass es mir leid tut, dass ich die Woche immer abgesagt habe..." „Okay."

„Da ist Besuch für sie, Mrs. Stanford." Die Krankenschwester steckt ihren Kopf durch den Türspalt. Ich nicke. „Wie viele denn?", frage ich schwach. Die Infusion hat mich ein wenig geschwächt. „Fünf. Sollen sie alle auf einmal reinkommen?" Ich nicke. Die Schwester öffnet die Tür ganz und fünf Leute strömen in meinen kleinen Raum. Ich erkenne Jack, Chosen, Jaeden, Sophia und... Mir stockt der Atem, als er auf mich zuläuft und mich einfach nur wortlos umarmt.

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