33: "Das ist mein voller Ernst."

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Ich sitze zuhause auf dem Sofa. Die Wohnung wirkt groß und leer. Ich bin allein. Niemand ist hier. Niemand. Ich schlucke einmal fest und starre weiter am Fernseher vorbei in die dunkle Nacht. Geweint habe ich den ganzen Tag nicht. Dafür war ich emotionslos und abweisend. Meine Schultern hängen den ganzen Tag schlaff herunter. Heute hatte ich frei. Langsam lehne ich mich zurück und seufze. Ich laufe immer noch im Schlafanzug herum, oder anders gesagt: Meine Motivation ist nicht vorhanden. Meine Augenlider hängen auf halb acht, meine Augenringe ziehen sich gefühlt bis zum Kinn und mir tut alles weh. Da klingelt mein Handy. Auf dem Display steht ein Name, den ich im Moment weder lesen noch hören will.

Caleb. Ich drücke auf ablehnen und lege mich bäuchlings auf die Couch und lege meinen Kopf auf meine Arme. Auf dem Fernseher läuft Supernatural. Doch erfreuen kann ich mich daran nicht. Mein leerer Blick fährt vom Küchentresen zu der Badezimmertür. Wie oft war Finn dort durch gekommen und hatte sich auf dem Absatz wieder umgedreht, weil ich ihm aufgetragen hatte, sich auch wirklich die Hände zu waschen. Bei dem Gedanken daran ziehen sich meine Mundwinkel automatisch hoch. Jedoch nur für einen kurzen Moment. Ach Mann. Wieder klingelt mein Handy. Ich nehme, ohne auf das Display zu sehen, an und blaffe „Caleb, was willst du?" ins Mikrofon. „Mira?", kommt die verwirrte Stimme von Jack durch den Hörer. „Oh, Jack. Du bist es.", sage ich motivationslos. „Alles in Ordnung?", fragt er. „Na ja.", seufze ich. „Ja, ich weiß... Abgesehen davon?", hakt er nach. „Geht so. Was wolltest du denn?", frage ich matt. „Du klingst müde." „Das beantwortet meine Frage nicht." „Mira, ich soll dir ausrichten, dass die Dreharbeiten für eine Woche unterbrochen werden." „Wieso das?", frage ich verwirrt. „...Finn und seine Stranger Things Kollegen sind in Deutschland, für ein paar Interviews." „Aha.", nehme ich die Info zur Kenntnis. „Jack?" „Ja?" „Willst du für die Woche bei mir wohnen?" „Bin ich dann dein Finn-Ersatz?" „Nein, einfach ein sehr guter Freund, der bei mir wohnt, damit ich nicht alleine bin." „Du hast mich." Ich höre, wie er grinst. „Danke.", sage ich. „Wie lange hast du geschlafen?", fragt mein neuer Mitbewohner. „Ich... weiß nicht genau.", gebe ich zu. „Ich konnte nicht schlafen. Deshalb nicht allzu lange." „Hm, okay. Geh heute mal früher schlafen- von mir aus auch mit Schlaftablette. Morgen komme ich mit meinen Sachen, okay?" „Ja, okay.", gebe ich mich geschlagen. „Den Schlaf könntest du wirklich gebrauchen, Mira, du bist total fertig." „Hm.", stimme ich zu. „Gute Nacht. Bis morgen.", sagt er sanft. „Nacht, Jackie.", sage ich atemlos und lege auf. Ich sollte wirklich schlafen gehen.

Es klingelt an der Tür. Ich schlurfe in Jogginghose und T-Shirt zur Tür und betätige den Türsummer. Von unten schallt das Öffnen und Schließen der Eingangstür durchs Treppenhaus. Ich öffne die Wohnungstür und lehne mich müde gegen den Türrahmen. Da kommt Jack mit einem Riesenrucksack auf dem Rücken aus dem Fahrstuhl. Als er mich sieht, lächelt er erst. Dann sieht er, wie fertig ich wirklich aussehe, und sieht mich besorgt an. Er kommt auf mich zu und umarmt mich einfach nur. „Hallo, Jack.", sage ich. „Hey." Er geht in die Wohnung und stellt seine Tasche neben die Badezimmertür. „Hast du besser geschlafen diese Nacht?", fragt er dann. „Nach anderthalb Tabletten ging es. Aufgewacht bin ich trotzdem zwei Mal." „Mann, Mira, so kann das nicht weiter gehen. Ihr müsst reden!" Er setzt sich aufs Sofa. Ich gehe zu ihm. „Das weiß ich doch, Jack!", seufze ich. „Jetzt ist er sowieso erst mal eine Woche weg." „Und diese Woche willst du an Schlafmangel sterben?" Ich lächele schwach. „Du bist doof." „Das ist mein voller Ernst.", sagt er mit fester Stimme. Ich rolle mit den Augen. „Ich werde es wohl noch schaffen, einzuschlafen!", sage ich und lasse mich gegen die Sofalehne fallen.

Oder auch nicht. Ich liege im Bett und starre die Decke an. Neben mir liegt Jack und schnarcht leise. Meine Gedanken schweifen ab. Ich dachte an das, was Sophia mir gesagt hatte.

„Wieso hat er dich dann geküsst?"

Ja, wieso eigentlich? War da doch mehr? Meine Augen fallen langsam zu. Ich muss dennoch immer weiter an ihn denken. Ich wälze mich auf die Seite und falle in einen tiefen Schlaf.

„Mira?", reißt Jack mich aus dem Tiefschlaf. „Hm?", stöhne ich und gähne ausgiebig. „Du hast den Wecker überschlafen.", grinst er. Ich schlage die Hände über dem Kopf zusammen. „Wie spät ist es?", frage ich müde. „Halb zehn." „Wieso ist der Wecker an?", frage ich mich. „Um elf treffen wir uns zum Brunch mit Jaeden und Sophia, schon vergessen?", antwortet Jack auf meine Frage. „Ach ja." Langsam setze ich mich auf und reibe meine Augen. Das hatte ich tatsächlich vergessen. „Stehst du auf? Ich habe Tee gemacht.", sagt er. „Wow, danke!", rufe ich. Ich setze meine Füße auf den Boden. „Früchte.", präsentiert mein neuer Mitbewohner seine Arbeit. „Danke.", lächele ich schwach und nehme die Tasse. „Geht es dir etwas besser?", erkundigt sich Jack besorgt. „Es geht. Soll ich ehrlich sein?" Er nickt. „Ich vermisse ihn. Aber wenn er in meiner Nähe ist, will ich eigentlich nur, dass er geht." „Och Mira...", seufzt Jack mitleidig und legt seine Hand auf meinen Arm. Ich nippe an meinem Tee. „Muss ich mit zum Brunch?", frage ich unmotiviert. „Willst du, dass ich das fünfte Rad am Wagen bin?", grinst Jack. „Ja, schon gut. Ich gehe mich anziehen.", ergebe ich mich und gehe ins Schlafzimmer.

„Hier links?", frage ich ermattet. „Ja. Geht's dir gut?" „Ja, Grazer.", sage ich genervt. „Bist du schwanger oder so? Deine Stimmungsschwankungen sind ja schrecklich!", grinst er. Ich verdrehe die Augen. „Ja, klar, immer.", sage ich voller Ironie. „Du bist doof, Jackie." Ich muss grinsen. „So, jetzt vergessen wir Finn mal nur für eine Stunde und konzentrieren uns auf das Treffen mit dem neuen Traumpaar." „Ja, das nur wegen mir zusammengekommen ist.", betone ich lächelnd und parke den Wagen vor dem Restaurant. „Eigenlob stinkt, Mira. Da sind die beiden ja schon." Er winkt den beiden zu. „Na, dann mal los."

„Wie geht's dir?" Ich seufze. „Ach, diese Frage wurde mir schon so oft gestellt...", antworte ich auf Sophias Frage. „Tut mir leid. Aber du..." „...siehst echt fertig aus.", beendet Jaeden neben ihr ihren Satz. Sophia kichert. Ich atme einmal tief durch. „Muss das sein?", frage ich. „Tut mir leid." „Entschuldige dich nicht die ganze Zeit, Soph.", sage ich und lächele sie an. „Okay. Tut mir... Ich meine... Ok." Ich lache auf. „Übrigens, Mira..." Sophia wirft einen Seitenblick zu ihrem Freund. „Ich habe es ihm erzählt, ich hoffe, das ist nicht schlimm." Jaeden nickt. Ich schüttele den Kopf. „Nein, alles gut.", sage ich schwach und trinke einen Schluck meines Tees. „Okay."

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