5: "Nicht noch mehr Chips!"

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„Hallo?" Langsam öffnen sich meine Augen. Oh verdammt, ich war tatsächlich während Finns Kopfmassage eingeschlafen! „Mira, du Blödmann!" „Blödfrau, wenn schon." Ich grinse und setze mich auf. „Der Film ist schon vorbei!", meint Finn nur und widmet sich seinem Handy. „Du hast mich schlafen lassen?" „Ähm, nein? Ich habe nicht mitbekommen, dass du pennst!", ruft er empört. „Und ich dachte schon, du wärst mal nett gewesen..." Gespielt beleidigt drehe ich mich weg von ihm und verschränke die Arme vor der Brust. „Als ob du das dachtest!", lacht er. „Okay, ja, hast Recht. Zu so was bist du ja gar nicht in der Lage..." Der Satz tropft geradezu vor Sarkasmus und ich denke daran, wie Finn mich getröstet hat, als ich wegen meinem Ex geweint habe. Apropos Ex- der ist für mich endgültig Geschichte. Aber so was von. „Niemals." Finn richtet sein Handy auf mich. „Schaut mal wer angepisst ist!" Ich drehe mich zu ihm und lächele lieb in die Kamera. „Ich nicht!" Finn lässt sein Handy sinken. „Du hast das ganze Video ruiniert..." „Was? Oh nein, was habe ich getan?", rufe ich und raufe meine Haare. Finn verdreht nur die Augen. „Willkommen in meiner Snapchatstory, Engelchen." Ich öffne Snapchat und tippe auf „Arsch"s Story. Finn lunzt über den Rand meines Handys.

„Ich heiße Arsch?" „Nein, du bist einer.", entgegne ich zuckersüß und schaue mir das Video von mir an. „Und du hast einen, na und?" Ich schaue ihn an. „Bitte was?" „Nichts." „Ah, ja, genau." „Nein, wirklich." „Hast du gerade gesagt, ich habe Arsch?" „Nein?", fragt er zögernd. Ich lache und wuschle seine Locken durch. „Schon gut. Tu mal nicht so dumm." „Was?" „Ach ja, du bist ja dumm! Dann sei einfach du selbst, Schätzchen, entfalte dein wahres Ich!" Er schlägt mir gegens Bein. „Wofür war der?" „Nenn mich noch einmal Schätzchen, und du bist tot!" „Wie darf ich dich denn nennen?" „Finn, gutaussehend..." Ich pruste los. „Der war smooth. Also darf ich dich nur Finn nennen, Finnieboy?" „Uh, bloß nicht Finnieboy, bitte! Das ist ja Ohrenkrebs!" Er hält sich seine Ohren zu. Da klingelt sein Handy. Ich kann gerade noch lesen, wer anruft, bevor er abnimmt. „Was denn?", fragt er genervt. „Man, ich kann jetzt nicht, bin beschäftigt. Bye." Er legt wieder auf. „Spielst du ‚hard to get'? Das hilft nicht sonderlich." „Klappe, Stanford. Das ist meine Sache." Ich nicke nur. „Na dann, wenn du meinst, sie würde dich dann interessanter finden, wenn du sie angiftest..." Ich zucke mit den Schultern und gehe in die Küche, um mir etwas zu trinken zu holen. Finn bleibt sitzen und starrt in die Leere. Dann nimmt er sein Handy und tippt darauf herum. Ich schmunzle und trinke einen Schluck Wasser. „Hey, tut mir leid, ich... war grade auf Klo." Innerlich schlage ich meine flache Hand vor die Stirn. Klo? Was? „Ja, wie gesagt, sorry. Was war denn?" Ich bleibe um die Ecke stehen und lausche. „Ah, ja... okay. Klar! Morgen Abend, wenn ich Drehschluss habe? ... So gegen 18 Uhr?" Ich grinse. Macht er gerade ein Date aus? Ich trinke weiter. „Okay, ja, das freut mich auch. Okay. Bis morgen!" Er legt auf und ich komme ins Wohnzimmer. Finn starrt lächelnd auf sein Handy. „Hast du morgen etwa ein Date?" „Hast du gelauscht?" Finn sieht mich spitzfindig an. „Nein, ich hab mir nur was zu trinken geholt." Ich zucke mit den Schultern. „Also?" Er grinst mich an. „Das wüsstest du wohl gerne." Ich nicke. „Ja, denn solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, will ich wissen mit wem du wohin wie lange gehst!" Ich hebe meinen Zeigefinger. „Verstanden?" Finn verdreht die Augen. „Erstens: Du besitzt nicht mal einen Esstisch. Meines Wissens zählen Sofatische nicht." Ich verschränke die Arme. „Ach ja?" Er nickt. „Ja. Und zweitens: Du bist immer noch nicht meine Mum, ob du es glaubst oder nicht!" Er steht auf. „Wenn du's wissen willst: Ich gehe morgen ins Kino und danach essen. Mit Millie." Ich grinse. „Grins nicht so, Blödmann." „Blödfrau! Du lernst es nie." „Man, Blödfrau existiert nicht mal!" Ich drehe mich um und gehe wieder in die Küche, um mein Glas wegzubringen. „Jetzt schon!"

Finn folgt mir. „Es ist kurz vor Mitternacht...." „Und?" Finn geht zum Vorratsschrank. „Mitternachtssnack?" Er grinst zuckersüß. „Hast du etwa schon wieder Hunger? Junge, du wirst fett!" Ich lache und öffne den Vorratsschrank. „Chips?" Finn nickt eifrig. Ich reiche ihm den letzten Rest Paprikachips und schließe den Schrank wieder. Erfreut reißt Finn die Tüte auf und stopft sich Chips in den Mund. Ich verziehe das Gesicht. „Die Krümel machst du weg, damit das klar ist!", sage ich und mache mich auf den Weg ins Bad, um mich fertig zu machen. Ich stehe also da und putze Zähne, als Finn in der Tür steht, den Mund voller Chips, die Tüte in der einen Hand. Mit der anderen putzt er sich die Krümel aus den Mundwinkeln. Ich rümpfe die Nase. „Du bischt ekelig." Ich spüle meinen Mund aus und schaue ihn an. „Das kann man sich ja nicht angucken." Ich gehe an ihm vorbei ins Schlafzimmer und schließe ab. „Du vertraust mir immer noch nicht?" „Nein, Arschloch, tue ich nicht." Ich höre förmlich sein breites Lächeln. Und das Knuspern der Chips. Ich verdrehe die Augen. Manchmal frage ich mich, wieso ich mit dem befreundet bin, denke ich, während ich meinen Pulli über den Kopf ziehe. Draußen ist es verdächtig ruhig. Ich ziehe meinen Pyjama an und schließe wieder auf. „Finn?" „Bin in der Küche!" Ich laufe zu ihm. „Nicht noch mehr Chips!" Ich reiße ihm die Tüte aus der Hand. „Du wirst fett und außerdem haben wir dann keine mehr! Wenn die alle sind, kaufe ich keine neuen!" „Ja, Mum..." „Geh Händewaschen." Finn schlurft nun also ins Bad, während ich die Chips wieder im Schrank verstaue. Dann gehe ich ins Wohnzimmer, wo ich die Jalousien herunterlasse. Fenster für Fenster verdecken nun graue Lamellen das nächtliche Vancouver. Finn kommt ebenfalls rein. „Es ist spät. Wir sollten schlafen.", sage ich leise und gehe ins Schlafzimmer. Ich lege mich aufs Bett und kurze Zeit später kommt Finn rein. „Was ist denn mit deinen Haaren passiert?", kichere ich leise. „Sie sind nass. Was sonst?" Ich zucke mit den Schultern. „Hauptsache, ich muss deine nassen Haare nicht anfassen." Finn verdreht die Augen. Seine glatten, nassen Haare hängen ihm ins Gesicht. „Mit glatten Haaren siehst du beknackt aus.", sage ich und knipse das Licht aus. „Danke." „Gute Nacht, Finnieboy." „Ich wünsche dir die schlimmsten Alpträume, Stannie." „Stannie?", lache ich. „Jep, neuer Spitzname für dich." „Wie lieb von dir." „Nacht." „Hm." Ich schließe meine Augen und schlafe langsam ein.

Das helle Klingeln meines Weckers reißt uns aus dem Schlaf. Ich strecke mich und stoppe den Wecker. „Wie spät ist es?", fragt Finn verschlafen. Ich stöhne auf. „Halb sieben..." „Was? Wieso..." Finn schlägt seine Hände über dem Kopf zusammen und lässt sich wieder nach hinten fallen. „Heute fangen wir doch früher an, Hornochse.", sage ich mit rauer Stimme. Dann reibe ich mir den Schlaf aus den Augen und setze meine Füße auf den Boden. Meine Haare stehen in alle Richtungen ab. Ich nehme meine Brille vom Nachttisch und setze sie mir auf die Nase. „Halleluja, ich kann sehen!", rufe ich und stehe auf. Finn liegt noch im Bett und hat sich seine Decke über den Kopf gezogen. „Aufstehen, Schlafmütze!", rufe ich und ziehe die Decke weg. Finn stöhnt genervt auf und hält sich die Augen zu. „Boah, Mira!" Dann steht er letztendlich doch auf. „Du.bist.tot." Er sieht mich mit gesenktem Kopf an. „Tot." Ich gehe einen Schritt zurück. Dann kommt Finn auf mich zu und umarmt mich einfach. „Hö?", sage ich. „Ich will nicht gehen..." Finn lässt sich fallen. Gerade so kann ich ihn auffangen.

„Hey!", schreie ich. Finn fängt sich wieder und stellt sich hin. „Tot bist du trotzdem." Ich nicke. „Klar. Das sagst du mir seit 5 Monaten jeden Tag, mein Freund." Ich ziehe die Jalousien hoch. „Ihh! Licht!", schreit Finn. „Die Nachbarn denken sich auch, was für Verrückte da in ihrer Nachbarswohnung wohnen!", lache ich und öffne das Fenster. Die kalte Morgenluft knallt mir entgegen. Der Himmel ist blau und die Sonne steht noch tief. „Es ist kalt, mach zu!" Finn verkriecht sich unter seine Decke, die ich ihm gleich wieder wegziehe. „Dann geh ins Bad und mach dich fertig." Mit einer ausschwenkenden Geste zeige ich ihm die Tür. Er verdreht die Augen und steht auf. Ich schließe das Fenster und ziehe mich an. Eine dunkle Jeans, einen hellblauen Hoodie mit pinken Bändchen und knallgelbe Socken. Style kann ich, denke ich, während ich mich im Spiegel betrachte. Da kommt Finn wieder rein. „Raumwechsel!", rufe ich und mache mich auf ins Bad, während Finn sich im Schlafzimmer auch endlich anzieht. Ich betrachte mich im Spiegel, dann mache ich meine Kontaktlinsen rein und putze Zähne. Finn öffnet die Tür. Er trägt ein langes, weißes Shirt und eine schwarze Jeans mit Löchern an den Knien. Dennoch muss ich grinsen. „Was?" Ich deute auf seine Füße. „Du hast zwei verschiedene Socken an!" Er schaut ebenfalls nach unten. Die eine Socke ist knallrot, während die andere pink aufleuchtet. „Oh man." Er seufzt. „Egal. Was willst du frühstücken?" Seine Locken stehen in alle Richtungen und sind total verknotet. „Mach einfach mal." „Wenn du meinst." Ich glaube, das werde ich bereuen, denke ich und wasche mein Gesicht. Etwas Lipenpflege- fertig. „Willst du normalen Toast oder diesen Vollkornkack?" kommt es aus der Küche. Ich öffne die Tür einen Spalt. „Ich hätte gerne diesen Vollkornkack, der nebenbei gesagt echt gut schmeckt!" Dann mache ich die Tür wieder zu und bürste meine Haare. Duschen wäre heute Abend auch mal wieder eine Option, denke ich und flechte mir zwei französische Zöpfe.

„Essen!", ruft Finn. Ich befestige den zweiten Zopf mit einem Haargummi und gehe zum Küchentresen. Dort liegen, auf einem Teller, zwei Toastscheiben mit Nutella. „Kreativ.", sage ich und beiße genüsslich in ein Brot. Finn kommt mit dem selben auf seinem Teller zu mir und setzt sich neben mich auf einen Hocker. „Trinken?", frage ich kauend. „Oh." Er geht zur Spüle und holt zwei Gläser, die er mit Wasser füllt. „Danke.", sage ich, als er mir eins reicht. „Immerhin hast du Frühstück gemacht." „Eben." Er beißt ab. „Der Wille tschählt." „Man spricht nicht mit vol... ach vergiss es." Ich beiße noch einmal ab. „Wir müssen in 'ner halben Stunde da sein, iss mal schneller." „Klappe, Neunmalklug." Ich grinse.

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