70: "Ruf bloß an, wenn du angekommen bist."

1.1K 87 36
                                    

Am nächsten Tag sitze ich im Taxi zum Flughafen. Mein Auto habe ich verkauft. Meine Umzugskartons sind in einem Container in einem Flugzeug auf den Weg über den großen Ozean, der mich von zuhause trennt. Im Kofferraum liegt mein Koffer. Neben mir mein Handgepäck. Ich betrachte meine Handyhülle. Mir steigen Tränen in die Augen. „Alles in Ordnung, Miss?", fragt der Taxifahrer freundlich. Ich nicke. „Ich... fahre nur heute endlich wieder nach Hause. Und doch werde ich Vancouver vermissen." „Wie lange haben Sie hier gelebt?", fragt er. Ich schniefe. „Fast zwei volle Jahre.", antworte ich. „Eine lange Zeit. Sie schaffen das, Miss. Und irgendwann werden sie zurückkommen.", versucht er mich aufzumuntern. Ich muss lächeln. „Ja, werde ich wohl.", lächele ich. „Das freut mich.", lächelt der freundliche Taxifahrer. „So, da sind wir auch schon. Ich helfe Ihnen noch mit ihren Koffern."

Ich betrete den Flughafen. In meinen Händen drehe ich mein Ticket. Mit meinem Blick suche ich meine Freunde, die mich verabschieden wollen. In zwei Stunden geht mein Flieger. In 24 Stunden würde ich zuhause in meinem Zimmer sitzen. Ich schlucke. Da entdecke ich meine Freunde und stecke mein Ticket in die Hosentasche. „Hey, Leute.", begrüße ich Jack, Wyatt, Sophia, Jaeden, Chosen und Jeremy und umarme sie alle. „Hi.", sagt Sophia traurig. „Ich kann immer noch nicht fassen, dass du wirklich wegfliegst.", seufzt Jaeden. „Es wird nicht dasselbe ohne dich sein.", sagt Jeremy. „Wir werden dich vermissen.", sagt Sophia. Sie und Jaeden würden in drei Tagen nach England fliegen. Ich muss kurz zum Check-In, bevor ich und die Anderen in einer Wartezone für Fliegende und Angehörige stehen und Sophia sich die erste Träne wegwischt. „Ich will nicht gehen.", sage ich. „Du freust dich doch sicher auf deine Familie.", sagt Wyatt. Ich nicke. „Aber natürlich.", nicke ich. „Und dennoch. Ihr seid einfach meine besten Freunde und ich werde euch vermissen.", sage ich. Niemand erwähnt Finn mit einem Wort. Und ich bin dankbar dafür.

„Ruf bloß an, wenn du angekommen bist!", ermahnt mich Jack wenig später. „Ja, klar.", versichere ich ihm und umarme ihn fest. „Wenn du es nicht tust, bist du tot.", droht Wyatt. „Jaja, macht euch mal keine Sorgen." Ich wische mir eine Träne aus dem Augenwinkel. „Ich werde euch alle so vermissen!", sage ich. „Wir werden dich auch vermissen.", sagt Chosen traurig. „Aber spätestens für die Premiere bin ich wieder da!", versichere ich und muss grinsen. „Das will ich hoffen!", lacht Jack. „Wir sind ohne dich nicht vollständig." Ich grinse. „Danke.", seufze ich und muss wieder eine Gruppenumarmung starten. „Erster Aufruf für Flug DH2312 nach Hamburg, Deutschland. Ich wiederhole. Erster Aufruf für Flug DH2312 nach Hamburg, Deutschland von Gate 2. Ich wiederhole, Gate 2. Alle Reisenden mögen sich bitte dort einfinden.", unterbricht eine Computerstimme uns. Ich hole tief Luft. Das soll es gewesen sein? „Ich muss los.", sage ich leise. „Ich weiß.", seufzt Jack und alle umarmen mich erneut. „Ich hab euch lieb.", murmele ich. „Wir dich auch.", sagt Wyatt leise. Tränen laufen meine Wangen hinunter. „Ich... werde mich jetzt wohl auf den Weg machen. Ich... werde euch allen Postkarten aus meiner Heimat schicken. Und deutsche Süßigkeiten. Und wir werden jeden Tag facetimen.", verspreche ich. Ich nehme meinen Rucksack und meinen Koffer. Den Rucksack hänge ich mir nur über eine Schulter und fahre den Griff des Koffers auf. Ich bin jedoch wie erstarrt. Ich betrachte alle meine Freunde, die mich allesamt mit Tränen in den Augen ansehen. „Ich bin nicht aus der Welt. Wir werden uns wiedersehen.", sage ich mehr zu mir selbst. Dann kommt Jack noch einmal auf mich zu. „Ich werde dich vermissen, Stanford.", schluchzt er und ich spüre, wie Tränen meinen Pullover nässen. Ich drücke ihn fest an mich. Die anderen schauen uns traurig an. „Ich dich auch, Grazer.", schniefe ich und löse mich aus seiner Umarmung. „Zweiter Aufruf für Flug DH2312 nach Hamburg, Deutschland. Ich wiederhole...", meldet sich wieder die Computerstimme. „Ich sollte jetzt wirklich gehen.", sage ich heiser und will aus der Wartezone heraus. Kurz vorher drehe ich mich um und betrachte die sechs Gestalten, die, mit Taschentüchern bewaffnet, dort nah beisammen stehen und mir unsicher zuwinken. Da fällt mein Blick hinter die Gruppe.

Ich reiße meine Augen auf. Ist das... Ich stelle mich auf die Zehenspitzen, wodurch ich die Aufmerksamkeit der anderen auch auf diese Person richte. Diese eine, dünne, große Person mit dunklen Locken, die quer durch die Halle in meine Richtung läuft. Mir steigen erneut Tränen in die Augen. „Finn.", flüstere ich lautlos. Ich lasse meinen Koffer los und gehe einige Schritte zurück in die Wartezone. „Miss, passen Sie auf ihren Koffer auf.", bittet mich eine Security. Ich ignoriere sie. Mein Puls schnellt in die Höhe und ich schlucke. „Mira!", brüllt Finn und rennt in Lichtgeschwindigkeit auf mich zu. Er springt über die Absperrung und kommt mir immer näher. „Finn?", frage ich komplett fassungslos. Was macht er hier? Ich lasse meinen Rucksack runterrutschen. Zwei Meter vor mir hält er an. „Letzter Aufruf für Flug DH2312 nach Hamburg, Deutschland.", meldet sich die Computerstimme erneut. Ich bekomme Gänsehaut. Finn sieht mich an. Ihm laufen Tränen in Strömen übers Gesicht. Seine Haare sind zerzaust. Seine Augenringe tieflila. Ich schlucke wieder. Dann kommt er auf mich zu.

Friends. // f.w.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt