56: "Jetzt geh dahin, wo der Pfeffer wächst."

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Am Samstag Morgen gehe ich in die Küche, wo Finn auf der Anrichte sitzt und seinen Tee schlürft. „Musst du los?", fragt er, als er sieht, dass ich bereits meine Schuhe anhabe. „Jep, sonst komme ich noch zu spät.", grinse ich und er springt von seinem Sitzplatz, um mich zu verabschieden. „Wenn du heute Nachmittag kein Sternekoch bist, dann bin ich sehr enttäuscht." „Ich bringe Abendbrot mit.", übergehe ich seine Bemerkung und er küsst mich lange. „Bis heute Nachmittag.", verabschiede ich mich und gehe zur Tür. „Bis heute Nachmittag.", wiederholt Finn meine Worte und ich schließe die Wohnungstür hinter mir. Dann mache ich mich auf den Weg zur Tiefgarage.

„Herzlich willkommen in unserem Kochkurs für Anfänger. Ich bin Lily und werde euch allen heute die nötigen Grundlagen beibringen. Und am Ende kochen wir zusammen ein leckeres Gericht. Seid ihr bereit?", ruft die lange, dünne Frau mit lilanen Haaren, die vorne neben einem Whiteboard steht. Ich nicke nur, während alle brav mit „Ja!", antworten. „Auf geht's. Sucht euch mal einen Partner.", ordnet sie an und ich stelle mich sofort zu Jack, der an der Küchentheke neben mir steht. Alle wuseln herum. Ein Mädchen mit po-langen, blonden Haaren kommt auf uns zu. „Hi, ich bin Veronica. Und wer bist du?" „Mi-...", beginne ich meinen Namen, doch Veronica lässt mich nicht ausreden. „Ich rede nicht mit dir, Brillenschlange. Ich rede mit dem Schnuckelchen neben dir." Sie zwinkert Jack zu. Angewidert rümpfe ich die Nase. Was ist das denn für eine... „Nenn Mira noch einmal Brillenschlange, und du kannst war erleben!", empört sich Jack und verteidigt mich somit. Dankbar lächele ich ihn an. Doch Veroni-Bitch lässt nicht locker. „Ach, soll sie sich nicht so anstellen. Schnuckel, machen wir lieber was zusammen und lassen deine Freundin mal hier." Sie schaut mich angeekelt an. „Bitte wie?", frage ich wütend. „Mira, lass. Sie ist es nicht wert.", flüstert Jack mir zu. Dann wendet er sich wieder an Veroni-Bitch. „Erstens. Mira ist meine beste Freundin und ich werde sie nicht für eine wie dich sitzen lassen. Zweitens. Ich bin kein Schnuckelchen, das kannst du dir sonst wohin stecken. Und wenn du jetzt nicht gleich abdampfst, ziehe ich dich an deinen eigenen Haaren hier weg!", ruft er wütend und lehnt sich bedrohlich nach vorne. „Du hast was Besseres als diesen Nerd dort verdient.", beharrt Veronica auf ihrer Aussage. „Dann ganz sicher nicht dich. Was Bemitleidenswerteres habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Oh und, Veronica, schau dich mal um! Alle haben einen Partner, nur du stehst hier noch ganz alleine. So alleine, wie du den Rest deines Lebens auch sein wirst, wenn du weiter so zu Leuten bist, wie gerade. Jetzt geh dahin, wo der Pfeffer wächst." Verblüfft über Jacks Moralpredigt schaue ich ihn gebannt an, während Veronica wütend schnaubt und sich auf dem Absatz umdreht, wobei ihre langen Haare im Quark landen, der auf unserer Anrichte steht. Ich grinse Jack an. Wir wechseln einen vielsagenden Blick und tun dann so, als hätten wir Veronica nicht gesehen.

„So, da jetzt alle einen Partner haben, können wir ja endlich anfangen.", seufzt Lily, nachdem sie eine Viertelstunde versucht hat, Veronica in eine Dreier-Gruppe mit zwei Jungen zu stecken, die wohl das genaue Klischee eines Nerds sind: Pickel im Gesicht, dicke Hornbrille mit starken Gläsern und Hemd und Hosenträgern. Nachdem Veroni-Bitch sich weigerte, hat Lily sie kurzerhand rausgeschmissen, sehr zu Jacks und meiner Freude. Ich lehne an unserer Küchenzeile und beobachte, wie Lily vorne einige Basic-Zutaten raussucht. „So, fangen wir an: Basis-Kuchenteig!"

„Sie hat sich wirklich an Jack rangemacht?", lacht Finn, als ich am Abend in der Küche stehe und mich an einer Tomatensauce versuche. „Ja, hat sie. Können wir das Thema jetzt zur Seite legen?", seufzt Jack, der neben Finn auf dem Küchentresen sitzt und sich Chips reinschiebt. Finn hält sich die Hand vor den Mund, um sein Lachen zu unterdrücken. „Reichst du mir bitte den Salzstreuer?", bitte ich ihn schmunzelnd und er dreht sich nach hinten, um den Salzstreuer vom anderen Ende des Küchentresens zu fischen. „Bitte sehr.", grinst er, immer noch amüsiert über Veroni-Bitch. „Lass und Veroni-Bitch vergessen- die müssen wir eh nie wieder sehen.", sage ich und gebe ein wenig Salz in die kochende, rote Masse in meinem Kochtopf. „Da hast du zum Glück Recht.", stimmt Jack mir zu und schüttet sich die letzten Chipskrümel direkt in den Mund. „Boah, kannst du auch zivilisiert essen?", stöhne ich angeekelt auf und wende mich wieder dem Herd zu. „Könnte ich, aber wäre weniger lustig.", grinst der Angesprochene und knüllt die leere Chipstüte zusammen. „Das waren die letzten Chips.", stellt Finn fest. „Hast du keine eingekauft?", frage ich traurig. Finn schüttelt den Kopf. „Och menno." „Beschwer dich nicht." „Tue ich nicht. Nie.", lächele ich und stecke meinen Zeigefinger in die Sauce, um sie zu probieren. „Heiß, heiß, heiß!", keuche ich und lecke schnell meinen Finger ab. „Wer steckt auch seinen Finger in eine kochende Sauce..." Jack schlägt sich mit der flachen Hand vor die Stirn. „Mira!", beantwortet Finn lachend die eigentlich rhetorisch gemeinte Frage. Ich verdrehe schmunzelnd die Augen und hole einen kleinen Löffel aus der Schublade. „Antreten zum Probieren, Jungs!"

Es ist mitten in der Nacht. Finn schläft neben mir und hat die eine Hand in seinen Haaren vergraben, die andere hängt über Bettkante hinaus. Ich liege nur noch dösend auf dem Bett und starre die Decke an. Schlafen kann ich irgendwie nicht. Da leuchtet mein Handy auf und zeigt mir einen Anruf an. „Jessi?", frage ich mich selbst verwirrt und nehme an. „Jessi?", frage ich leise, während ich aufstehe, um Finn nicht beim Schlafen zu stören. Ich verlasse den Raum und setze mich aufs Sofa. „Was ist los?", frage ich. Sie bleibt stumm. „Jessi?", frage ich erneut, diesmal etwas lauter. „Hier ist Noah.", meldet sich ihr Freund und ich ziehe verwirrt meine Augenbrauen hoch. „Noah, wieso rufst du von Jessis Handy mitten in der Nacht an?", seufze ich und lasse mich nach hinten fallen. „Ähm, also... D- Du... weißt doch über Beziehungen Bescheid." Ich rümpfe meine Nase. „Wie?" „Ich brauche einen Beziehungsratschlag." „Um... halb vier in der Nacht?", frage ich verwirrt. „Ja, bitte, es ist wichtig."

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