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Olivia und ich saßen eine Weile unten im Krankenzimmer und redeten. Olivia erzählte mir etwas, was ich eigentlich schon wusste. Sie hatte noch nie einen Freund und wünschte sich auch einen. Sie hätte es verdient, sie ist ein guter Mensch, hört immer zu, gibt Ratschläge und hilft wo sie kann. Als wir letztes Jahr in die gleiche Klasse kamen, kannte ich sie schon von den Jahren davor. Sie war auf meiner alten Schule in meiner Parallelklasse. Ich hatte nie etwas mit ihr zu tun gehabt, doch seit letztem Jahr ist sie einer der engsten Freundinnen von mir geworden. Als wir zusammen letztes Jahr mehr miteinander zutun hatte, lernte ich sie besser kennen und sie war anders als ich sie eingeschätzt hatte. Damals hatte ich auch noch keinen Freund und insgeheim hatte ich mir auch einen gewünscht, doch dann kam Joachim. Ich habe ihr immer noch nichts von ihm erzählt, das würde ich auch nicht machen, gerade auf jeden Fall nicht. Ich würde ihr genauso gerne erzählen, dass ich schwanger bin, doch ich hatte Angst. Angst, dass sie angewidert oder so etwas in der Art ist. Dass sie mich anders sieht und mit mir nichts mehr zu tun haben will. Sie hat gesehen, dass ich damals einen Knutschfleck hatte und sie hat mich seitdem nicht mehr darauf angesprochen. Ich denke, sie will, dass ich ihr alles selber erzähle, aber ich konnte es nicht, noch nicht. Ich habe nicht viele Freunde und das weiß sie auch, sie ist genauso wie ich, hatte auch keine guten Freunde. 

"Hörst du mir zu?" unterbricht sie mich, während ich nachdachte. "Mhm" ich sah sie an. Sie seufzte. "Geht's dir besser?". "Denke schon" sagte ich und sah auf meine Finger. Dann ging die Tür auf einmal auf und ein bekanntes Gesicht schritt in den Raum. "Ich wollte nur kurz nach Ihnen noch schauen" sagte Frau Wörle. Ich sagte ihr, dass es mir besser ginge und ich mich gerne bei ihr austragen möchte um zu gehen. "Sind Sie sicher? Ich lasse Sie nicht gehen, wenn's Ihnen immer noch nicht gut geht und ich will nicht, dass irgendetwas unterwegs passiert" sie sah mich an. Ich nickte. "Könnten Sie uns kurz alleine lassen?" sie sah Olivia an die nickte und aus dem Raum ging. Ich hatte seitdem ich klein war immer ein komisches Gefühl mit den Lehrern alleine zu reden und das ist heute auch noch so. 

Sie setzte sich zu mir auf die Liege. "Ich wollte Sie nochmal fragen, ob bei Ihnen alles in Ordnung ist, weil ich denke, dass es das nicht ist. Sie sehen in letzter Zeit blasser aus als sonst und beteiligen sich nicht, also überhaupt nicht am Unterricht" ich spürte ihren Blick auf mir. "Hat es vielleicht etwas damit zutun was letztes Schuljahr noch war? Ich meine ab der Klassenfahrt, weil da ging es Ihnen ja richtig schlecht". Ich wusste nicht was ich sagen soll. "Ja, also letzte Zeit ist ein bisschen stressig" sagte ich und strich mir über die Stirn. Sie nickte. "Ich meine ich mische  mich nicht in Ihr Leben ein, aber wenn irgendetwas sein sollte können Sie zu mir kommen oder wir haben eine Schulpsychologin an der Schule, wenn Sie wollen" erklärte sie mir. "Danke" sagte ich nur knapp. Das letzte was ich machen würde, ist zu einer Schulpsychologin zu gehen. Ich halte davon überhaupt nichts. Ich war schonmal bei einem an meiner alten Schule und dieser hatte mir überhaupt nichts gebracht. Es war umsonst. Nur er weiß halt nun von mir, obwohl, ich denke nicht, dass er sich daran erinnert. Das sind jetzt schon so viele Jahre her. Aber ich weiß es und das zählt. Ich mochte es nicht, dass andere Menschen etwas über mich bescheid wissen. Es war schon schlimm genug für mich, mich Joachim anzuvertrauen. Ich hatte eine Blockade, eine Art Mauer um mich herum und will sie nicht gerne kaputt machen, auch nicht durch Joachim. Ich weiß es ist falsch und man sollte keine Geheimnisse vor dem Partner haben, aber ich bin noch nicht so weit.

Sie stand auf. "Kann ich mich bei Ihnen austragen lassen?" ich sah sie an. Sie sah mich an und überlegte.

Während ich unterschrieb, sah sie mich weiterhin an. "Und Sie sind sicher, dass es Ihnen gut geht?". Ich nickte. Sie nahm das Klassenbuch und wollte gehen, doch sie wünschte mir noch gute Besserung bevor sie ging. Ich dachte Olivia würde sofort rein kommen, aber irgendwie kam sie nicht. Ist sie gegangen? Nein, das passt nicht zu ihr. Dann ging auf einmal die Tür auf und Olivia kam herein. "Wieso hat das so lange gebraucht? Also ich meine warst du irgendwo anders unterwegs?" lächelte ich sie an. "Äh nein, ich hab noch kurz mit Frau Wörle geredet" sagte sie.

"Wissen Sie was mit Emily los ist? Ich meine ich habe sie jetzt schon das zweite Jahr und sie hat sich verändert, auch ins Schlechte. Sie ist blasser geworden und spricht weniger. Hat das irgendetwas mit der Klassenfahrt vom letzten Jahr zu tun?". "Ich weiß es nicht, aber es ist mir damals auch aufgefallen, ich meine sie hat damals auf der Klassenfahrt ununterbrochen geweint, ich gehe mal davon aus, weil sie hatte immer geschwollene Augen und damals hat sie auch wenig gegessen". Frau Wörle nickte. "Und Sie wissen nicht was sie hat oder hatte? Hat ein Junge damit irgendwas zu tun oder so? So Liebeskummer mäßig" sie wedelte mit ihren Händen rum beim Wort Liebeskummer. "Ich weiß es wirklich nicht, sie hat mir oder Sandra auch nichts gesagt, tut mir leid". Frau Wörle nickte erneut und dachte nach. "Hat sie denn heute schon was gegessen?". "Nein". "Tun Sie mir einen Gefallen und schauen Sie ein bisschen nach ihr" lachte sie ein wenig. "Mach ich". 


Her red lips | Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt