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Weiterhin diskutierte ich mit den Ärzten, ich würde nicht nachgeben, nicht wenn es um sein Leben geht. „Emily" murmelte jemand so leise meinen Namen, dass ich ihn schon fast gar nicht wahrnehmen konnte. Sofort sah ich in die Richtung und war geschockt. Ist das..? „Joachim?" fragte ich ihn mit aufgerissen Augen und kam zu ihm. Ich nahm seine Hand in meine und sah ihn erwartungsvoll an. Es herrschte solch eine dicke Stille, die unbeschreiblich war. Keiner traute sich etwas zu sagen. Angst, Hoffnung, Verlust, Freude, Verzweiflung stand in diesem Raum. Hatte er wirklich nach all den Wochen wirklich meinen Namen gesagt? War er doch nicht in so einem tiefen Koma wie wir vermutet hatten, gelandet? Immer noch völlig verspannt und mit einem Gefühlschaos in mir, starrte ich ihn an. Wie ein Wunder, öffnete er langsam die Augen und das blau, welches ich so lange schon vermisst hatte, war zurück.

Mein Herz began so schnell zu schlagen wie lange nicht mehr. Pure Glückshormone durchflossen meinen gesamten Körper. Seine Augen waren noch ein wenig vom Licht geblendet. Immer noch mit einem unbeschreiblichen Blick sah ich ihn an. Als er langsam alles realisierte und mir seit Wochen wieder in die Augen sieht, lächelte er sanft. Mein Gesicht ließ ich automatisch in meine Hände gleiten und weinte wie nie zuvor. Es war ein unbeschreibliches Chaos in mir. Er strich mit seinem Daumen langsam über meinen Handrücken. Er war da, er war wirklich wieder da. „Weine nicht". Das erste Mal seit langem hörte ich wieder seine Stimme und sie berührte mein Herz zu tiefst. Meine Tränen wurden immer mehr und flossen wie in Strömen runter.

Mein Herz schlug so schnell wie es nur konnte und das allein nur durch seine Stimme. Ich bemerkte nicht mal, dass die ganzen Ärzte und die Krankenschwester wieder aus dem Zimmer gegangen waren, um uns erstmal allein zu lassen. „Sieh mich an". Mein Herz schlug so schnell und hart gegen meinen Brustkorb, dass ich jeden Moment umkippen würden. Er strich langsam meine Hand von meinem Gesicht. Ich öffnete meine Augen und sah ihn wieder an und endlich war sein Körper wieder mit Leben erfüllt. Ich konnte es nicht beschreiben. „Komm her" lächelte er und zog mich zu sich.

Behutsam strich er mir über den Kopf und gab mir ebenso einen Kuss auf diesen. „Endlich kann ich dich wieder anfassen" murmelte er leise und sog meinen Duft in seine Nase. Als ich immer noch nichts von mir gab, öffnete er seinen Mund. „Sag was, bitte". Ich stützte mich ein wenig vom Bett ab und sah auf ihn herab. Fürsorglich wischte er mir die letzten Tränen von den Wangen. Wie sehr ich es auch versuchte, ich schaffte es nicht ein Wort heraus zu bringen. Ich war von dieser Situation sowas von überfordert und überrascht. Ich wusste nicht mal was ich zuerst sagen sollte. Ich hatte ihn wieder..

„Meine alte Stationsleitung würde mich umbringen, wenn sie mich jetzt auf dem Bett liegen sehen könnte" murmelte ich leise und begriff noch nicht alles. Er sah auf mich. „Das ist das Erste was dir einfällt?" Joachim sah mich belustigt an. Ein Grinsen huschte über mein Gesicht. „Du weißt nicht wie ich um dich gekämpft habe. Sie wollten die Maschinen abstellen!" erneut war ich den Tränen nahe und senkte meinen Blick.

Seine Hand fuhr zu meinem Kinn und hob meinen Kopf an, sodass ich ihn ansehen musste. „Und dafür danke ich dir so unfassbar sehr" sein Blick war klar auf meine Augen gerichtet. Ich bückte mich erneut zu ihm runter und umarmte ihn innig. Wie ich diese Wärme vermisst hatte, wie ich ihn vermisst hatte. Es herrschte erneutes Schweigen in dem Raum. „Ich hab dich so sehr vermisst" immer mehr drückte ich ihn an mich während er mir über den Rücken strich. "Ich liebe dich so sehr, so unfassbar sehr Joachim" laut schluchzte ich auf. Er drückte mich noch fester an sich und gab mir einen Kuss auf den Kopf. "Ich liebe dich auch so sehr, mein Schatz" hauchte er gegen meine Haare.

„Weisst du, in dem Nichts in dem ich gefangen war, vergaß ich langsam alles was ich hatte. Ich vergaß mein Leben, meine Erinnerungen, meine Freunde, meine Eltern, sogar dich, nur irgendwas nahm ich immer wieder war. Eine Stimme glaube ich, ich weiß es nicht, und sie war da. Irgendwie klammerte ich mich an diese kleine Hoffnung, die ich hatte. Und als ich alles wieder wahrnahm, hörte ich sie wieder, nur noch klarer" er stoppte plötzlich und ich löste mich von ihm und richtete mich auf, um ihn ansehen zu können. „Ich glaube, das warst du die ganze Zeit. Ich sah dich und du machtest dich über mich lustig, dass ich sogar deinen Namen vergessen hatte" ein kleines Grinsen huschte ihm über die Lippen und steckte mich somit an. „Doch, als ich dich dann sah, kam alles wie auf einen Schlag wieder und ich erinnerte mich an alles wieder. Emily, ich denke du bist mein Licht in der Dunkelheit gewesen" er drückte meine Hand sanft und ich musste mich zusammen reißen nicht wieder zu heulen. Seine Worte waren so wunderschön und sprachen mir zu. „Ich war jeden Tag da, jeden einzelnen" mit meiner freien Hand umgriff ich ebenso seine Hand, die ich sowieso schon hielt. Ein Lächeln umspielte seine Lippen erneut und ich küsste ihn. Dieser Kuss war aus purer Leidenschaft und das Gefühl der Vollständigkeit kehrte endlich wieder zurück.

Auf einmal unterbrach er den Kuss. „Dein Bauch ist ja gewachsen!" mit großen Augen sah er auf die kleine Wölbung. „Das sind Muskeln" grinste ich und er lachte auf. Vorsichtig fuhr er darüber und sah ihn fasziniert an. „Ich hab so viel verpasst.." flüsterte er kaum hörbar auf. Ich legte meine Hände auf sein Gesicht und richtete seinen Blick zu meinem Gesicht. „Joachim, die Hauptsache ist, dass du wieder da bist". Sachte nickte er und umschloss seine Hände mit meinen.

Ich erzählte ihm alles, was er innerhalb der drei Wochen verpasst hatte und dass sich alle in der Schule Sorgen um ihn machten. „Puh" er fuhr sich durch die Haare und dachte nach. Soeben wurde ich auch still und dachte nach. Ich überlegte, ob ich ihn fragen sollte oder ob es zu früh wäre, jedoch hatte ich keine Ruhe. Mich juckte es unter meinen Fingernägeln es zu wissen.

„Uhm, w-weißt du was genau passiert ist, am Unfallort?" vorsichtig sah ich ihn an. Er blickte zu mir und dachte nach. „Ich weiß nur, dass mich jemand in meine Seite gefahren ist, mehr nicht, aber sowas kann passieren. Mach dir keine Sorgen, ich bin wieder da" er legte seine Hand wieder auf meine. Nachdenklich sah ich zu ihr runter. „Dein Auto sah ziemlich schlimm aus", erneut sah ich ihn an, doch er konnte sich daran ja nicht erinnern. „Emily, es ist vorbei und es war ein Unfall. Unfälle passieren, außerdem wird diese Person schon wissen was auf sie zukommen wird". „Aber der Fahrer hat Fahrerflucht begangen! Er ist einfach weitergefahren!" Wut kochte wieder in mir hoch als ich daran dachte. Am Liebsten würde ich demjenigen den Kopf umdrehen.

„Es wird sich schon ergeben, lass uns von etwas anderes reden" langsam strich er mir wieder über den Handrücken.

Her red lips | Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt