Ich musste jetzt zu ihm. Sofort wischte ich mir meine Tränen aus den Augen und stand auf. Ich beeilte mich und machte mich auf den Weg ins Krankenhaus, ich musste ihn sehen, ich musste sehen ob es ihm gut ging. Unterbewusst nahm ich nicht wahr, dass mir wieder Tränen die Wangen runter liefen.
Ich erinnerte mich an sein Lächeln gestern, seine friedlich schlafende Gestalt am Morgen, seine Augen die funkelten als wären sie kleine Sterne, die auf den Monitor gerichtet waren und unser Kleines betrachtete.. Seine Stimme, die mir immer wieder eine Gänsehaut brachte, seine Lippen, die mich sanft küssten..
War es schon vorbei..?
Das ganze Glück..?Ich spürte wie immer mehr Tränen welche der Himmel vergoss und es anfing zu regnen. Langsam blickte ich hinauf und der Himmel war schwarz wie mein Herz, die Wolken in mir verdichten meine Gefühle und wurden taub. Meine Tränen vermischten sich mit denen des Himmels. Es sah düster aus, außen und innen. Die Sonne ist gegangen, verdeckt.
Die Menschen holten langsam ihren Regenschirm heraus und fuhren ihren Alltag fort. Vorsichtig sank ich meinen Blick und sah auf meine Hände herab. Wie sollen diese Hände das stand halten? Wie sollten zwei weitere Hände das verstehen?
Mit zitternden Lippen und nassen Haaren, trat ich einen Schritt vor den anderen.
Einen Schritt näher an der Wahrheit.
Einen Schritt näher an den Glauben.
Einen Schritt näher an der Verzweiflung.Die Tränen des Himmels ummantelt mich, hielten mich gefangen. Was wäre wenn?
Das große sterile Gebäude kam immer näher und ein altbekannter Duft stieg mir in die Nase. Desinfektionsmittel. Vor dem Krankenhaus blieb ich stehen. Entweder Sieg oder Niederlage. Meine Finger waren schon taub vor Kälte, dennoch interessierte es mich nicht. Kälte umfuhr meinen gesamten Körper.
„Emily?" hörte ich seine Stimme. Joachim..? Langsam drehte ich mich um. „Alles in Ordnung?" holte mich die Realität wieder ein. „Du siehst fertig aus" kam die Person näher und legte ihre Hände auf meine Arme. „Was machst du hier?" fragte ich sie, ohne auf ihre Frage zu reagieren. „Das war mein letzter Tag hier, ich gehe" lächelte sie mich leicht an. Dass wir im Regen standen, interessierte mich nicht. „Schon?" krätzte ich kaum hörbar.
Sie nickte. „Du hast dich verändert" lächelte sie mich leicht an und musterte mich. Ja, es waren zwei Jahre her. „Du dich nicht". Ich zwang mich zu einem müden Lächeln, mir fehlte die Kraft, er fehlte mir.. oder war es nur die Ungewissheit?
Sie lachte. „Ich muss los, mein Vorstellungsgespräch für meinen neuen Job fängt bald an". Sie legte mir eine Hand auf die Schulter. „Vorstellungsgespräch?" ich sah sie an. Erneut ein nicken. „Ich werde umziehen, nach Augsburg". „Nach.. Augsburg?" wiederholte ich leise. „Ich wünsch dir alles gute, Emily" ihre Stimme war weich und freundlich wie damals. Dann drehte sie sich um und ging.
„Evelyn" meine Stimme klang wie eine kleine Maus, die ihren Käse verloren hatte. Sie drehte sich um. „Ich wünsche dir ebenso Glück, auch wenn wir nicht mehr zusammen uns vor der Stationsleitung verstecken können" lächelte ich, es war ein echtes Lächeln. Erinnerungen spielten sich in meinem Kopf ab, als wir zusammen hier gearbeitet hatten.
„Es war schön dich kennenzulernen" lachte sie kurz auf, bevor sie mir ein Lächeln schenkte und verschwand.Erneut holte mich die Gegenwart ein und ich war wegen etwas Wichtigem hier. Wieder blickte ich zu dem großen Schild des Gebäudes bevor ich eintritt.
Viele Ärzte liefen umher, sowie Patienten. Sofort musste ich an die Zeit mit Evelyn denken. Wie wir zusammen durchs Krankenhaus liefen und Umwege machten, um der Station für einen kurzen Augenblick zu entkommen. Wie sie auf den Eis Automaten deutete und sagte, dass wir uns im Sommer hier ein Eis holen werden, leider haben wir es nicht mehr geschafft.
Ich ging auf den Glaskasten zu und erkundigte mich über Joachim. „Er liegt auf Station 7, Zimmernummer 3.067, 3. Sto-" wollte die Dame sagen, doch ich schnitt ihr das Wort ab. „Stock, danke".
Mit zittrigen Knien ging ich in den Aufzug und konnte meine Gedanken nicht sortieren. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an bis die Glastür aufging und ich in die Station 7 lief. Ich beachtete die Krankenschwestern an der Pforte nicht und wusste natürlich wohin ich musste, nicht umsonst hatte ich hier mal gearbeitet.
Je näher ich seiner Zimmernummer kam, desto nervöser wurde ich. Als ich vor der bestimmten Tür stand, kam eine Krankenschwester raus. „Oh, tut mir leid" sagte sie und lächelte mich an, ich blickte jedoch an ihr vorbei und sah ein leeres Bett und jemand ein Bett weiter hinten liegen. Sofort erkannte ich sein Gesicht und ging zu ihm. Völlig erstarrt fokussierte ich ihn, dort liegend.
„Sie sind eine Angehörige von ihm?" fragte die Krankenschwester leise und kam zu mir. Ich sagte nichts, weil ich immer noch so schockiert war. Vorsichtig ging ich zum Bett und auf ihn zu. Sie erklärte etwas, ich hörte ihr aber weniger zu. Ich merkte nicht mal, dass sie wieder gegangen war. Ich setzte mich auf einen Stuhl, der neben ihm stand.
Meine Tränen flossen stumm über meine Wangen. Wieso? Sein Kopf war in eine weiße Kompresse gewickelt, an seinem Arm war eine Infusion und ein kleiner Automat piepte in regelmäßigen Abständen leise. Ich nahm seine Hand in meine und sah ihn immer noch geschockt an. Das Einzigste was in meinem Kopf hallte, war ein Wort.
Ein einziges Wort, was sie mir sagte.
Ein Wort was mich aufkeuchen ließ.
Ein einziges, kleines Wort.Koma.
Ist das das Ende?
Ab hier wusste ich es; Niederlage
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17. März 2019; 10.48 UhrJoachim ist ins Koma gefallen.
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Her red lips | Band 2
RomanceNachdem die große Neuigkeit verarbeitet ist, bereiten sich Emily und Joachim auf ihre Zukunft vor und was sie alles mit sich bringt. Alles scheint perfekt zu sein, doch auch in jeder Beziehung gibt es ein Geheimnis, welches wie ein dunkler Schatten...