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Schockiert sah ich sie an. Ihr Blick blieb jedoch an Joachim kleben. Beide sahen, nein, starrten sich eher an. Joachim mit Fassungslosigkeit und Frau Stöhle mit einem selbstgefälligen Grinsen.

Muss ich so blind gewesen sein, dass ich nicht mal wusste, dass die Beiden etwas hatten? Joachim hatte nie von seiner Vergangenheit bezüglich verflossener Liebe geredet. Vielleicht war es auch ein Fehler ihn deswegen nicht angesprochen zu haben. In all den Jahren in denen Joachim und ich unser Glück planten, war dies unausgesprochen. Es war ein bitterer Nachgeschmack, der sich immer weiter verbreitet hatte. Wenn ich nun so darüber nachdenke, dann wäre es sicherlich auch nach einiger Zeit nicht mehr relevant gewesen. Dennoch wäre es wünschenswert, dass er wenigsten etwas von ihr im Geringsten erwähnt hätte.

Langsam drehte ich meinen Kopf zu Joachim, der sie immer noch anstarrte. Er konnte es nicht glauben, dass sie nun alles offenlegen würde und das noch vor mir. Vielleicht wollte sie mir auch damit nur eins reindrücken, aber dies war nicht so. Sie wollte Joachim eins reindrücken, sich an ihm abwälzen nur um ihren Schmutz an ihm loszuwerden. Er sollte die Last an allem tragen, und vielleicht hatte er auch einen gewissen Anteil an Schuld bei sich. Oder vielleicht doch nicht?
Jedoch konnte ich dies alles in diesem Augenblick überhaupt nicht schlussfolgern. Dass er mir solch ein Detail verschwiegen hat traf mich nach wie vor.

Es herrscht solch eine drückende Stimmung, die alles auffraß.

In mir stieg Wut auf, ebenso gefolgt von Traurigkeit. Ich ballte die Hände zu Fäusten, drückte meine Fingernägel in meine Handfläche, nur um ruhig zu bleiben. Innerlich tobte ich.

Ich wollte ihn anschreien.
Ihn zur Rede stellen.
Ihn beleidigen.
An ihm zerren und herausbekommen wieso das alles.
Ja, wieso eigentlich?

Kurz hielte ich inne und die Wut ließ ein wenig nach, da sich mein Verstand einschaltete.

Wieso erzählte sie das alles jetzt?
Vor allem, wieso hier?
Vor mir?
Mitten in auf dem Schulflur?

In Sekundenschnelle blickte ich zu ihr rüber. Ich erwartete, dass sie sich Joachim zu wendete, ihn fertigmachen würde.
Doch dies war nicht so.

Sie sah allein mich an, und das noch mit einem gierigen Grinsen.
Als wäre sie der reinste Psychopath.

Sie wollte meine Reaktion sehen, sie wollte sehen wie ich reagiere. Wie ich darauf reagiere, dass er sie von früher noch kennt.
Mir leuchtete ihre Vorgehensweise ein.

Schnell schloss ich meinen Mund und lockerte meine Fäuste wieder. Kurz atmete ich tief ein. Ich hob meinen Blick und sah auf. "Es interessiert mich nicht was meine Lehrer für ein Privatleben führen, es hat mich nicht zu interessieren". Meine Mundwinkel fuhren ein kleines Bisschen hoch. Mein Blick war auf die große Glasscheibe gerichtet, ich sah beide nicht an. Den Gefallen gab ich ihr nicht. Ich konnte deutlich spüren, dass ihre Mimik fiel.

Ich drehte mich um und wollte gehen, in meine Klasse. Wohl eher aus dem Gebäude still und heimlich, doch sie griff schon nach dem nächsten Strick. Hätte ich mir nicht so viel Zeit gelassen meine Wut zu kontrollieren und ihn innerlich fertig zu machen, hätte sie nicht daran greifen können. Doch nun war es zu spät als es zu früh sein konnte.

"Joachim, willst du nicht erzählen was du in den letzten Monaten zwischen 16:00 Uhr und 20:00 Uhr getrieben hast?" fing sie an zu reden. Ich spürte, dass ihr fanatischer Blick auf mir lag, er bohrte sich förmlich in meinen Rücken. "Janina, hör auf" sagte nun Joachim. Er wollte nicht, dass ich das erfahre, es würde mir die Kehle zuschnüren bis sie förmlich durchgeschnitten würde. "Jeden Tag, Montag bis Freitag, manchmal auch Samstags und Sonntags. Weißt du noch?". Sie hörte nicht auf. Nein. Sie würde weitermachen bis einer am Boden liegen würde. Völlig kaputt.

Her red lips | Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt