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Vorsichtig strich mir jemand einzelne Haarsträhnen aus dem Gesicht während ich tief und fest schlief. „Emily" hauchte dieser jemand mir sanft entgegen. Langsam bewegte ich meinen Kopf und drehte ihn auf die linke Seite.
„Ich muss zur Schule, wir müssen noch für die Prüfung Vorbereitungen treffen. Denkst du ich kann dich hier allein lassen?" Joachim's Stimme war sanft und klang ein wenig besorgt. Natürlich hatte er nicht vergessen was vor kurzem passiert war. Deswegen machte er sich auch Sorgen sowie auch Vorwürfe. Er wollte mich nicht mehr allein lassen, doch das würde nicht immer so weitergehen. Er konnte ja nicht 24/7 bei mir sein, nein.
„Mhm" murmelte ich leise und drehte meinen Kopf wieder nach rechts um weiterschlafen zu können. Auf Joachim's Gesicht huschte ein kleines Lächeln.

„Ich werde nicht lang bleiben, versprochen". Er bückte sich über mich und gab mir einen kurzen Kuss auf den Kopf bevor er dann ging. Ich hingegen war schon wieder tief und fest eingeschlafen.

Als ich dann später wieder wach wurde, sah ich mich verwirrt um. Wo war Joachim? Die rechte Seite des Bettes war leer und sein Handy lag auch nicht mehr da. Ich runzelte die Stirn, doch dann fiel mir ein was er zu mir gesagt hatte. Langsam dämmerte es mir.
Ich sah auf die Uhr, 10:36 Uhr.
Mit einem lauten Seufzer ließ ich mich wieder in die Kissen fallen und schloss meine Augen. Meine Augen waren zwar müde, doch mein Gehirn war hellwach. Erneut öffnete ich die Augen und starrte die Decke an.
Dann griff ich nach meinem Handy und entsperrte es. Ein paar Snapchat Nachrichten, E-Mails und Instagram Mitteilungen, nichts besonderes. Ich ging auf WhatsApp und schaute ob ich eine Nachricht bekommen hatte, doch nichts. Insgeheim hoffte ich, dass Joachim mir geschrieben hatte, doch er kann mir ja schlecht während der Arbeit eine Nachricht schreiben.

Dann hielt ich inne. Moment, heute war doch Sonntag. Doch dann fiel es mir wieder ein was er heute morgen gesagt hatte. Die Prüfungen standen ja so gut wie vor der Tür. Wenn ich nur daran dachte, wurde mir schlecht. Ich hatte Angst vor den Prüfungen, normalerweise hatte ich nie Angst vor Arbeiten oder sogar Prüfungen, doch dieses Jahr war es anders. Wenn ich schon an die Menge an Arbeit dachte, welche man in den Prüfungen abverlangt dann bekam ich schon Angstschweiß, welcher sich auf meiner Haut spiegelte.
Schnell schwang ich meine Beine aus dem Bett und stand auf, doch wie auf einen Schlag wurde mir schwindelig. „Das darf doch nicht wahr sein" murrte ich und trank einen Schluck Wasser. Wieder kamen diese Schwindelanfälle. Genervt stöhnte ich auf und trank das Glas Wasser von gestern Nacht, welches ich noch extra hingestellt hatte, aus. Nach kurzer Zeit war es dann wieder weg und ich stand langsam auf um ins Bad zu gehen.

Am Montagnachmittag hatten Joachim und ich eine Vorsorgeuntersuchung beim Frauenarzt. Ich war nun in der 15. Woche und das Kleine bewegte sich schon fleißig. Ich hatte sogar einmal mitbekommen wie es Schluckauf hatte. Es war einfach zuckersüß. Ich freute mich schon so sehr auf unser kleines Kind und hoffte nur, dass die Zeit schneller vorbeigehen würde und es endlich da wäre.

Als wir beim Frauenarzt waren, meldete ich mich an und anschließend gingen wir wie schon gewohnt ins Wartezimmer. Eine weitere Frau saß drinnen und las in einer Zeitschrift, dabei hatte sie noch eine kleine Tochter. Joachim und ich begrüßten sie und setzten uns gegenüber hin. Ich sah dem kleinen Mädchen zu wie sie an dem kleinen Tisch saß und etwas aus Bauklötzen baute. Ein leichtes Lächeln huschte mir übers Gesicht als ich ihr zu sah. Meine Hand fuhr zu Joachim's und ich verhakte unsere Finger ineinander.
Ich sah wieder zu der blonden Frau und bemerkte erst jetzt, dass sie erneut schwanger war. Ich freute mich für sie, da sie auch so glücklich aussah und dieses Glück auch ausstrahlte. Wie auf Knopfdruck kam die Dame von der Pforte herein und rief sie auf. Wir verabschiedeten uns von ihr. Ich sah dem kleinen Mädchen wieder zu wie sie aufstand und sich ihr Kleid glatt strich. Unbewusst legte ich mein Kopf auf Joachim's Schulter ohne den Blick von ihr zu nehmen. Sie rannte schnell zu der Blondine und nahm ihre Hand in ihre. Somit verließen sie zusammen das Wartezimmer. Wie in Trance sah ich den beiden hinterher mit einem warmen Lächeln. Wie schön muss es für das kleine Mädchen sein später eine Schwester oder einen Bruder zu bekommen. Ich dachte nach. Wie wärs eigentlich bei uns mit weiterem Nachwuchs? Würden wir in ferner Zukunft nochmal ein Kind bekommen? Vor allem, wünschte sich Joachim noch mehr Kinder?

„Alles klar?" mein Nebenan drehte den Kopf ein wenig zu mir. „Ja" hauchte ich und hob meinen Kopf um ihn anzusehen. „Ich liebe dich, Joachim". Auf seinem Gesicht bildete sich ein süßes Lächeln ab, welches ich so sehr liebte. „Ich liebe dich auch, mein Schatz" er strich mir die Haare hinters Ohr und sah mir in die Augen bevor er mich zu sich rüber zog und mich küsste.

Im Untersuchungszimmer sah der Arzt nach unserem Kind und ob alles in Ordnung wäre. Er sagte, dass die Schwangerschaft schon wie eine Bilderschwangerschaft verlief und alles sehr gut war, nur verkraftete mein Körper es nicht ganz und deswegen traten immer wieder kleine Nebenwirkungen auf. Er maß meinen Blutdruck und Puls, dabei nahm er mir noch ein wenig Blut ab, um nach meinen kleinen Schwindelanfälle zu schauen und wie sich rausstellte, hatte ich eine Anämie, auch als Blutarmut bekannt.
Meine Eisenwerte waren nicht die Besten, weswegen ich auch diese Schwindelanfälle hatte. Ich hatte wenig Blut im Körper und das musste ich wieder in den Griff bekommen. Zum Glück ist die heutige Medizin schon weit und hatte verschiedene kleine Helfer. Ich hatte so schon wenig Eisen im Blut, was einerseits daran lag, dass ich wenig bis kein rotes Fleisch oder allgemein kein Fleisch aß. Anderseits hatte ich schon seit ich klein war nicht viele rote Blutkörperchen.

Dazu zeigte der Arzt das Kind auf dem Bildschirm und es bewegte sich auch minimal. Es war jedes Mal aufs Neue aufregend das eigene Kind auf dem Bildschirm zu sehen und wie es gewachsen ist. Mit einem breiten Grinsen sah ich zu Joachim. Er sah gefesselt auf den Bildschirm und sein Gesichtsausdruck ließ mich pure Freude empfinden. Joachim's Lächeln übertönte sogar meins, er freute sich so sehr auf das Kind. Ich verfestigte mein Griff um seine Hand. Er nahm seinen Blick vom Bildschirm und sah mich mit dem gleichen Lächeln an.
Gott, wie ich diesen Mann liebe.

Am darauffolgenden Tag hatten wir nachmittags Sport, und da ich an Anämie nun litt verbat mir der Arzt auch Sport zu machen, im Rahmen der Gesundheit des Kindes. Heute wurde meine Sportlehrerin von einer privaten Angelegenheit verhindert weswegen Joachim uns Mädchen übernahm. Heute war das Wetter ein wenig wärmer, doch für mich blutarmes Kind zu kalt. Nicht umsonst hatte ich mir meinen Pullover umgezogen und stand am Rand und sah allen zu.
Joachim hatte eine Art Parkour aufgebaut, wo alle drumrum hüpfen und ausweichen sollten. Die Schüler fingen mit dem Parkour an, auch Joachim beteiligte sich daran während ich ihm stolz zu sah. Ich fand es besonders attraktiv, wenn er die Führung übernahm und alles nach ihm gehen sollte. Dabei sah er auch in seinen Sportklamotten so gut aus. Seine durchtrainierte Brust sah man wenn er rannte und seine Armmuskeln spannten sich an wenn er den Schülern irgendwo hinzeigte was seine Venen nochmal betonte. Es war eine Sünde ihm hierbei zuzuschauen, er war eine Sünde, aber er war meine Sünde.

Dann auf einmal kam er zu mir gesprintet während die andern alle normal weitermachten.
„Ist alles in Ordnung?" atmete er unregelmäßig ein und aus während er seine Arme an seine Hüfte abgestützt hatte. „Ja" lächelte ich. „Ist dir auch nicht kalt? Oder schwindelig vom Stehen?" Joachim kniff seine Augen zu, da die Sonne ihm direkt ins Gesicht schien. Sofort sahen seine Augen noch schöner aus als sonst.
„Nein, mir gehts gut. Es ist nur ein wenig kalt" ich hob meine Hand und hielt sie an den Kopf um mich vor den Sonnenstrahlen zu schützen, die auch mir ins Gesicht schienen. „Du kannst rein gehen, wenn dir kalt ist, Emily. Und du solltest vor der Sonne aufpassen" er sah zur Sonne. „Sie scheint wirklich stark". Er war so süß, so gerne würde ich ihn küssen, doch das ging nicht. „Es ist alles gut Joachim, wirklich". Ich lächelte ihn wieder an. Er sah sich kurz um und lief dann auf das Gesehene zu. Sofort kam er wieder mit einer roten Trainingsjacke. „Hier, zieh die an. Ich will nicht, dass du frierst und du dich somit wieder erkältest" er reichte mir die Jacke. Geschockt sah ich ihn an.
„Joachim, das ist deine Jacke! Alle werden es sehen!" fassungslos sah ich ihn an. „Weißt du wie egal mir das ist?" er hob seine Augenbrauen und machte wieder eins von seinen typischen Gesichtern. „Mir aber nicht" weiterhin sah ich meinen Gegenüber an. „Jetzt zieh sie endlich an, außerdem ist es kein Verbrechen meiner Schülerin eine Jacke zu geben während sie passiv am Sport beteiligt ist und hier draußen friert während die anderen aktiv am Sport beteiligt sind" ein Lächeln huschte ihm wieder übers Gesicht als er sich umdrehte und kurz darauf wieder zu meinen Mitschülern lief. Mit einem Kopfschütteln und einem Grinsen sah ich ihm hinterher. Er ist unglaublich.

Her red lips | Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt