Ich blätterte weiter und schlug schließlich eine Seite auf, auf der ein kleines Mädchen zu sehen war. Das Bild war nicht so genau gezeichnet, da das Mädchen entfernt dastand, aber dennoch konnte ich deutlich die Augen sehen. Das war das einzige, das mit Farbe gemalt wurde. Leuchtend Gold. Es sah so aus, wie ich, als ich noch kleiner war!
Doch das könnte auch ein Zufall sein. Langsam blätterte ich weiter und auf der nächsten Seite befand sich eine weitere schwarz-weiß Zeichnung, wieder von dem kleinen Mädchen, doch diesmal war sie näher. Die Augen waren ebenfalls farblos, doch sie sah genauso aus, wie das Mädchen von zuvor. Unsicher blätterte ich weiter. Die nächste Seite war etwas mehr ein Kritzelblatt, da es kein einheitliches Bild zeigte. Den größten Teil nahm jedoch eine Skizze ein, auf der man zwei Personen von hinten sehen konnte. Das eine war ein Mann, der ein kleines Mädchen an der Hand hielt. Ihre Haare hingen glatt an ihrem Rücken herunter. Um die Skizze herum, befanden sich noch kleine Kritzeleien von Augen verschiedener Art, aber eines war umkreist. Es war ein goldenes Augenpaar.
Verwirrt sah ich es mir genauer an. Die anderen Skizzen waren mal mit Farbe, mal ohne, aber alle hatten sie eine fast goldene Farbe, fast so, als hätte derjenige, der es gezeichnet hat nach der richtigen Farbe gesucht.
Die nächsten Bilder zeigten wieder Landschaften, doch überall stand ein Mädchen am Rand, manchmal näher, manchmal fern und manchmal nur die Silhouette. Und oft genug hatte sie kleine, goldene Punkte als Augen. Alles wirkte so, als würde er diese Gestalt nicht aus seinen Gedanken bekommen. Und genau das verwirrte mich noch mehr.
Warum war das so?!
Ich überflog die nächsten Zeichnungen, doch jedes Mal konnte ich die kleine Gestalt erkennen. Meine Verwunderung nahm meine Gedanken so sehr in Beschlag, dass ich kaum die naturgetreue Zeichenart bewundern konnte. Auf der letzten Seite hielt ich inne. Das Mädchen von zuvor war dort gezeichnet. Sie lächelte breit. Im Gegenzug zu den letzten Bildern stand sie nicht in einiger Entfernung, denn es war ein Portrait von ihr. Ihre offenen Haare fielen ihr in vereinzelten Strähnen über die Schulter. Doch was mich am meisten fesselte war der Blick. Die leuchtend goldenen Augen starrten mich fast schon an. Es fühlte sich so an, als durchbohre mich der Blick.
Unter dem Bild stand noch etwas in einer feinsäuberlichen Handschrift:Wer bist du?
Mit großen Augen starrte ich auf das Bild. Es zeigte unverkennbar mich von damals. Aber wieso wusste Ben denn wie ich aussah?
Und wieso zeichnete er mich ständig?
Und warum hatte er diese Frage dort hingeschrieben?!
Nachdenklich fuhr ich über die Zeichnung. Ich hatte so sehr gehofft zu erfahren, was die Macht von mir wollte, aber jetzt herrschte in meinem Kopf ein noch größeres Chaos an offenen Fragen.
Wie gebannt starrte ich auf das Bild, als plötzlich hinter mir ein Knacken ertönte. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen und griff reflexartig nach meinem Lichtschwert. In einer schnellen Bewegung aktivierte ich es, fuhr herum und drückte dabei das lederne Buch mit meiner freien Hand an mich. Hinter mir, einen Meter von den Trümmern entfernt, stand eine Person mit einer Kapuze. Das war wohl die Gestalt, die ich beim Meditieren gesehen hatte... Durch die Kapuze konnte ich das Gesicht nicht erkennen, aber da die Person nicht so wirkte, als würde sie mich angreifen wollen, ließ ich die Klinge wieder verschwinden.
„Hast du dich verlaufen?", sprach eine männliche Stimme. Also war es wohl ein Mann. Die Stimme kam mir bekannt vor und löste ein Gefühl der Sicherheit aus, weshalb ich mein Lichtschwert wieder an meinem Gürtel anbrachte und mit den Schultern zuckte.
„Kann man sich denn verlaufen, wenn mein kein Ziel hat?", fragte ich bloß und lächelte leicht gequält. Anders war es nicht. Ich irrte umher, ohne zu wissen, was ich genau machen sollte, in der Hoffnung endlich ein Zeichen von der Macht zu bekommen.
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass du deinem Ziel sehr nah bist...", antwortete der Mann, was mich verwirrt aufsehen ließ. „Ich weiß nicht Recht...", begann ich und sah um mich herum, „Anstatt, dass meine Fragen geklärt werden, habe ich noch mehr Fragen!"
Der Mann begann leise zu lachen. „Dir wird bereits geantwortet, du musst nur richtig zuhören, Kleine." Sofort schoss mein Kopf hoch und ich starrte den Mann an. „Entschuldigung, wie heißen Sie nochmal?" Ich musterte ihn wachsam.
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass du dich noch an mich erinnerst. Schließlich konntest du dir schon immer vieles merken, Kleine." Und mit den Worten zog die Kapuze vom Kopf. Sobald ich sein Gesicht sah, erstarrte ich. Das war unmöglich!
„Kenobi!" Er sah kein Jahr älter aus. Sein Bart und seine Haare hatten noch immer dieselbe Länge wie sonst. „Aber wie... wie ist das möglich?!", stotterte ich, Unglauben in der Stimme.
„Genauso, wie vor vielen Jahren." Das beantwortete meine Frage nicht wirklich.
„Du sprichst in Rätseln!" Er lächelte leicht und nickte. „Du... du bist doch tot?! Wieso bist du hier? Die Erste Ordnung hat dich doch in die Luft gejagt..." Ich versuchte noch immer zu verstehen, wie das alles möglich war, aber ich kam zu keiner ersichtlichen Antwort. Er schüttelte bloß den Kopf.
„Das ist es, was jeder denkt."
„Aber wenn du noch lebst, wie kann es dann sein, dass du nicht älter geworden bist?!" Er sah mich wieder mit diesem wissenden Blick an, als er erneut sprach: „Ich lebe nicht mehr, so einfach ist das." Irritiert hielt ich inne. „Ich bin auch nicht durch die Erste Ordnung gestorben, nein, es war noch vor den Zeiten der Ersten Ordnung." Vergeblich versuchte ich eine Erklärung dafür zu finden, oder eine logische Lösung, aber mir fiel einfach nicht ein, wie es überhaupt möglich wäre.
„Wenn du tot bist, wie kommt es dann, dass ich dich sehen kann?" Er sah aus wie jeder andere Mensch, nicht so, als wäre er tot. „Bist du eine Einbildung?"
„Nein. Aber du kannst mich sehen, weil die Macht es mir erlaubt."
„Die Macht?" War er etwa hier um mir Antworten zu geben?!
„Ja, die Macht. Ich kann mich körperlich manifestieren. Deshalb wirke ich, wie ein normaler Mensch, der noch lebt."
„So etwas, wie ein Machtgeist?" Er nickte lächelnd. „Ja, sowas." Wie konnte es sein, dass er als Manifestation der Macht schon vor Jahren bei mir war, aber ich nie gewusst hatte, dass ich die Macht benutzen konnte?! Und warum war er ausgerechnet bei mir?!
„Wenn du ein Machtgeist bist, dann weißt du doch, was die Macht von mir will, oder?", fragte ich ihn und wieder nickte er. „Wirst du es mir auch sagen?" Seine Mundwinkel zuckten leicht.
„Wenn die Macht wollen würde, dass du es direkt erfährst, hätte sie dich bestimmt nicht an diesen Ort geschickt." Toll, also würde ich keine Antwort bekommen... Ich seufzte. „Aber wie zuvor bereits gesagt: du bist deinen Antworten sehr nah."
Misstrauisch hob ich eine Augenbraue und mir wurde langsam wieder bewusst, dass ich noch das lederne Zeichenbuch in der Hand hielt. Bestimmt meinte er das. „Warum bin ich auf den Bildern?", fragte ich schnell und schlug die Seiten auf, um sie ihm zu zeigen. „Das bin ich. Damals, als kleines Kind! Aber wieso kannte er mich?! Ich habe Ben nie getroffen, geschweige denn mit ihm geredet." Ich blätterte weiter und zeigte die weiteren Zeichnungen, auf denen ich zu sehen war. Kenobi lächelte sanft und trat einen Schritt auf mich zu. „Setzen wir uns doch erstmal.", sprach er ruhig. Er setzte sich auf einen Stein, ich folgte seinem Beispiel und saß neben ihm, das Buch noch immer aufgeschlagen in der Hand. „Ich erzähle dir eine Geschichte,", begann er, „eine Geschichte von einem Jungen." Verwirrt sah ich ihn an. Warum erzählte er mir jetzt eine Geschichte?! Eine einfache Antwort hätte mir gereicht. Aber ich würde wohl von der Macht keine eindeutige Antwort bekommen, also nickte ich einfach und hörte aufmerksam zu. „Dieser Junge sah einen Kometen."
„Einen Kometen?"
„Ja, der Junge sah einen Kometen und er fühlte sich als hätte sein Leben plötzlich eine Bedeutung. Aber, als der Komet wieder verschwand wartete er sein gesamtes Leben darauf, dass er zurückkomme." Erstaunt sah ich ihn an. „Wie kann ein Komet so besonders sein?" Kenobi begann zu lächeln und nickte: „Es war mehr als nur ein Komet, wegen den Dingen, die er in sein Leben brachte: Richtung, Schönheit, eine Bedeutung. Es gab nur leider viele, die es nicht verstanden und manchmal schloss er sich ihnen an. Aber selbst in seinen dunkelsten Stunden wusste er in seinem Herzen, dass er irgendwann zurückkehren würde. Und dann würde seine Welt wieder komplett sein. Sein Glauben an die Dinge, an die Kunst, an die Liebe würde wieder in seinem Herzen erwachen!" Er hielt kurz inne und sah mich an. „Der Junge sah den Kometen und auf einmal hatte sein Leben wieder einen Sinn!" Ich wartete darauf, dass er weitersprach, aber das tat er nicht. Stattdessen stand er auf.
„Aber was hat das mit den Zeichnungen zu tun?! Warum hast du mir diese Geschichte erzählt?!", fragte ich ratlos und sah auf die Zeichnung vor mir. Warum sollte eine Geschichte über einen Kometen mir eine Antwort geben?!
„Du wirst es noch herausfinden. Ich muss jetzt wieder gehen, Kleine." Als er das sagte, schaute ich schnell auf. Er durfte nicht gehen! Nicht jetzt! Nicht, bevor ich meine Antworten hatte. „Warte, nein, du hast mir noch nicht geantwortet! Warum wollt die Macht, dass ich hierherkomme?!" Er lächelte. „Die Antworten habe ich dir gegeben, du musst nur lernen sie zu verstehen." Das konnte er doch nicht so meinen! Schnell sprang ich auf, um ihm zu folgen. „Ich bin sehr stolz auf dich. Du hast dich gut entwickelt.", meinte er und zeigte auf mein Lichtschwert. Erstaunt sah ich an meinen Gurt, wo es hing. Meinte er das wirklich? Ich hörte Schritte und sah schnell auf, doch er war bereits weg, die Schritte waren auch verklungen.
„Kenobi?" Meine Stimme hallte durch die werdende Nacht, aber es kam meine Antwort. Er war wirklich wieder weg.
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It's You (Kylo Ren ff)
FanfictionMan kennt sie unter vielen Namen, doch kaum jemand kennt sie wirklich. Eine, die im Schatten lebt, die von niemandem gesehen wird. Und doch wurde sie von einer Person gefunden. In Zeiten des Krieges werden harte Maßnahmen gefordert. Der Widerstand h...