35.

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PoV. Manuel

"Ich weiß wirklich nicht, was wir hier wollen.", gab ich hemmungslos von mir und konnte dann beobachten, wie Patrick genervt mit den Augen rollte. "Warte einfach ab, Manu." Kopfschüttelnd stand ich neben den anderen mit verschränkten Armen an der Brust und versuchte mich zurückzuhalten. Patrick hatte die tolle Idee in der örtlichen Bibliothek von Winsen einzubrechen und ich verstand einfach nicht, was das uns bringen sollte. Nun standen wir vier hinter dem Gebäude, während Pat, so wie es aussah, versuchte den Schlüssel für die Hintertür irgendwo in den nebenstehenden Blumentöpfen zu finden. 
Ich fand das hier alles idiotisch und ließ ihn das auch gerne merken. Vielleicht ging es hierbei aber nicht nur um diese schreckliche Idee, sondern auch darum, dass ich so eiskalt wie möglich wirken wollte. Es hatte mich gestört, was er zu Alessa gesagt hatte, aber das, was ich zu verstecken versuchte, war, dass es mich mehr störte, dass sie wieder seine Freundin war.

"Wenn wir schon wieder irgendwo einbrechen, bin ich weg. Das lief schon beim letzten Mal nicht gut.", holte mich Maurice aus meinen nervigen Gedanken und schien wieder sehr panisch zu reagieren. Kurz darauf richtete Patrick sich wieder gerade auf und seufzte dabei kurz, während er uns warnend ansah. "Jungs, geduldet euch. Wir brechen nicht ein. Mein Cousin arbeitet hier und ich weiß deshalb, wo der Ersatzschlüssel ist." "Also praktisch gesehen ist das immer noch einbrechen und außerdem sieht es nicht so aus, als würdest du wissen wo sich der Schlüssel befindet.", fügte ich darauf schnippisch hinzu. Gleich nachdem ich das gesagt hatte, spürte ich Michas Ellenbogen an meiner Seite und zuckte schmerzerfüllt zurück. "Autsch! Was soll das?", rief ich aufgebracht und blickte zu Micha, der nur stumm auf Maurice deutete. Mit weit aufgerissenen Augen stand er da und blickte starr auf die Tür, die Patrick gleich irgendwie öffnen würde. "Was soll uns das hier überhaupt bringen? Die werden hier ja wohl kaum Bücher über den Brand oder so etwas wie Zauberei haben.", warf Michael ein und versuchte höchstwahrscheinlich das Thema zu wechseln, um Maurice auf andere Gedanken zu bringen.
Trotzdem blieb es still, da Pat gerade wieder damit beschäftigt war die Blumentöpfe zu inspizieren. "Warte...ahh ja. Da ist er!", sprach er stolz und drehte sich sofort um, um uns den Schlüssel zu zeigen. Besonders mir hielt er ihn vor die Nase, um mir wahrscheinlich zu beweisen, dass er Recht gehabt hatte. Dabei sah er so fröhlich aus, dass er mich ein wenig zum grinsen brachte. Mein Blick wurde sofort wieder neutral, als ich das bemerkt hatte. Ich war immer noch sauer, das durfte nicht passieren.

Patrick bewegte sich zur Tür, um den Schlüssel schnell in das Schlüsselloch reinzudrücken und ihn schließlich umzudrehen. Sofort öffnete sich die Tür, weshalb er jetzt noch glücklicher aussah. "Spaziert rein, Freunde! Und Micha, zur deiner Frage, ich weiß zufällig, dass diese Bibliothek einen Raum mit fast jeder Ausgabe der örtlichen Zeitung der letzten 30 Jahre besitzt." Zögernd traten wir alle nacheinander in das Gebäude ein. Wir hatten es sogar geschafft Maurice davon zu überzeugen, dass nichts passieren würde, weswegen er doch mitkam.

"Wow, ich war hier glaube ich noch nie.", kam es sofort von Maurice, als wir das Innere der riesigen Bibliothek betreten hatten. Sie war wirklich groß und egal in welche Ecke man sah, hier waren überall verschiedenste Bücher. Ich war aber nicht wirklich überrascht, da ich schon öfter hier gewesen war, um mir neue Bücher auszuleihen. In der Schule war das Lesen nicht so meins, aber ging es um ein interessantes Fantasy-Buch war ich der Erste, der dabei war. Es ist schon komisch, dass mein Leben jetzt schon fast selbst so eine Geschichte war.
"Gut, also es ist jetzt...", fing Pat an und stoppte kurz, um auf seine Uhr zu sehen, "...circa 20 Uhr. Wir haben eineinhalb Stunden Zeit bis ich los muss. Meine Eltern haben zwar netterweise meinen Hausarrest aufgehoben, aber sie sind immer noch sauer." "Dann würde ich vorschlagen, dass wir uns aufteilen. Micha und ich gehen die Bücher durchstöbern und versuchen etwas Sinnvolles zu finden und ihr beide könnt dann die Zeitungen durchsuchen.", schlug Maurice vor, aber es schien nicht so, als wäre eine Widerrede erlaubt. Schockiert riss ich meine Augen auf und wollte mich sofort darüber beschweren, aber plötzlich ergriff Maurice Michas Handgelenk und zog ihn mit sich mit.

Perplex sah ich ihnen nach und mein Herz fing an wie verrückt zu schlagen. Ich spürte, wie mein Blut sofort 1000 Mal schneller durch meinen Körper gepumpt wurde, doch ich musste mich irgendwie zusammenreißen. Patrick durfte nicht bemerken, wie mein Körper so stark auf seine Nähe reagierte. Es machte mich wahnsinnig alleine in seiner Nähe sofort die Kontrolle zu verlieren, doch wahrscheinlich musste ich da jetzt erstmal durch. Ich hoffte einfach, dass diese Gefühle sehr bald schwächer werden würden.
Seufzend löste ich mich aus meiner Starre und blickte dann zu Pat, was wohl mein größter Fehler war. Er blickte in dem Moment auch zu mir und ich konnte mich einfach nicht aus diesem Blick lösen. Nach ein paar Sekunden löste Patrick dann aber unseren Blickkontakt und räusperte sich schnell. "Dann zeig ich dir wohl mal, wo die Zeitungen sind.", meinte er etwas leise und rannte schon in die Richtung, in die er mich führen wollte. Schnell folgte ich ihm und auf dem Weg stieg ein riesiges Schamgefühl in mir auf. Mir war das unglaublich unangenehm gewesen und ich bekam einfach nur Angst, dass er etwas bemerkt hatte.

"Hier ist es." Überrascht betrachtete ich den Raum, in dem wir waren. Meter hohe Regale waren voll mit den verschiedensten Zeitungen. Auch, wenn das wirklich viele waren, entstand in diesem Raum kein Chaos. Jede einzelne Zeitung war nach Jahr und Monat sortiert, weshalb das hier wahrscheinlich doch nicht so lange dauern würde. "Wow, das ist echt krass." Patrick lächelte kurz über meine Reaktion, was mir einen angenehmen Stich ins Herz verpasste. "Ich weiß, damals sind mein Cousin und ich immer so lange hiergeblieben, bis niemand mehr da war. Dann haben wir stundenlang alte lustige Zeitungen und Bücher gelesen. Das habe ich echt geliebt.", schwärmte er sanft von seinen Erinnerungen an die Bibliothek, "Ich war echt Ewig nicht mehr hier." Verwirrt runzelte ich die Stirn. "Warum macht ihr es denn nicht mehr?" 
Still blickte er kurz traurig zu Boden und redete dann weiter. "Meine Eltern haben mir den Kontakt aus verschiedensten Gründen zu ihm verboten, aber glaub mir, sie sind nur viel zu führsorglich. Er ist ein guter Mensch."

Nachdenklich wendete ich mich von ihm ab. Mich interessierte sehr, was der Grund dafür gewesen war, aber es schien Patrick zu verletzen darüber zu reden, weswegen ich es erstmal dabei beließ. "Lass ihm doch eine Nachricht hier, wenn er noch hier arbeitet. Das werden sie nicht herausfinden." Kurz war es still, bis Pat wieder anfing breit zu lächeln. "Gute Idee, danke Manu..." Während er sich etwas zum Schreiben suchte, war ich schon dabei durch die verschiedensten Zeitungen unseres Geburtsjahres zu stöbern. Mich wunderte wirklich, was hier für unnötiges Zeug drinstand. Aber was konnte ich schon erwarten? Wir sind hier in Winsen und nicht in einer beliebten interessanten Großstadt.

Sofort hörte ich Patricks Schritte und bemerkte, dass er wieder da war. Schweigend stellte er sich zu mir und nahm sich eine Zeitung in die Hand, um mir zu helfen. Doch trotzdem schien er nicht wirklich bei der Sache zu sein und auch ich konnte mich, mit ihm so nah neben mir, niemals konzentrieren. Plötzlich legte er die Zeitung seufzend weg und blickte zu mir. "Du Manu, ähm...können wir vielleicht reden?", fragte er schüchtern und ich konnte ihm förmlich ansehen, wie nervös er war. Mein Herz schlug mir wieder bis zum Hals und ich bemerkte gerade so, wie ich den Atem angehalten hatte. Ebenso nervös, wie er, nickte ich nur leicht und ließ ihn nicht aus den Augen. "Es tut mir wirklich leid. Das, was ich zu Alessa gesagt habe, war gelogen. Ich schwöre es dir. Ich habe nur zugestimmt, da sie sonst gemerkt hätte, dass etwas faul ist. I-Ich...habe dich gern...wirklich und das-", entschuldigte er sich bei mir, aber ich unterbrach ihn. Ich hatte ihm schon bei dem ersten Wort verziehen, wenn er mich so ansah. In dem Moment war es mir einfach egal, wie naiv das eigentlich war.
"Ist schon okay. Ich h-habe einfach überreagiert.", war das Einzige, was ich sagen konnte. "Es ist nicht okay gewesen, aber ich danke dir so sehr dafür, dass du mir verzeihst, Manu.", meinte er und legte bekräftigend seine Hand auf meine Schulter, was diese Stelle unglaublich kribbeln ließ. Danach drehte er sich grinsend von mir weg und kümmerte sich wieder um die Zeitungen. Überfordert starrte ich ihn noch ein paar Sekunden an, aber wendete mich dann doch auch wieder dem Regal zu.

Trotzdem wollte ich ihn unbedingt noch etwas fragen und ich wusste, dass mir die Antwort nicht gefallen würde. "Ihr seid also...wieder zusammen.", sagte ich leise und dabei klang das eher nach einer Feststellung, statt nach einer Frage. "Ja, ich...naja..habe sie vermisst, aber ich habe mich genau heute mit ihr vertragen, damit meine Eltern den Hausarrest aufheben. Sie lieben Alessa, aber versteh das nicht falsch...ich habe sie immer noch gerne.", erklärte er mir kurzerhand.


Fast wäre ich am Anfang gestorben, aber als er weiterredete und der eigentliche Grund dafür herauskam, konnte ich nicht anders und grinste freudig.


Erde, Wasser, Luft und Feuer | Kürbistumor & ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt