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PoV. Maurice

Die unangenehme Stille schien uns alle innerlich einzunehmen, während wir still schweigend nebeneinander saßen und unseren brennenden Gedanken nachhingen. Tiana hatte uns längst schon verlassen und uns eine Bedenkzeit gegeben, die unsere Entscheidung aber trotzdem nicht erleichtern würde. Nun saßen wir hier, mitten im West-Wald, ohne eine Wort, das uns über die Lippen fliegen könnte. Mein Blick fiel auf Michael, da ich hoffte irgendwelche Emotionen an seiner Mimik erkennen zu können, aber irgendwie verhielt er sich genauso wie Manu und Patrick, die auch keine Ahnung davon hatten, was sie sagen sollten. Schon lange waren wir nicht mehr so hilflos gewesen und auch wenn, dann hatte sich das wieder nach ein paar Minuten gelöst. Seufzend blickte ich auf meine kleine Armbanduhr und bemerkte, dass wir schon fast eine halbe Stunde vor uns hin schwiegen. Niemand wollte Tiana noch einmal vertrauen, aber ihr Angebot war genau das, was wir von Anfang an wollten und auf dem Weg unserer Reise schon fast vergessen hatten. Antworten finden. Antworten von der Person, die dafür verantwortlich war, dass wir hier saßen und über so etwas wie übernatürliche Kräfte nachdachten.
Bei dem Gespräch mit ihr war schnell klar gewesen, dass der Besuch bei Nela wirklich nur Mittel zum Zweck gewesen war. Unbemerkt hatte sie sich ein paar Haare von ihrer Haarbürste genommen und das nur, um mit ihrer DNA den Zauber wirken zu lassen, der uns die Suche nach Josh erleichtern sollte. Aber so als wäre es Schicksal gewesen, reichte die DNA und ihr eingeschränkter Wille nicht aus. Sie brauchte uns und unsere Kräfte, die genau wie ihre, von ihm erschaffen worden waren. Verrückterweise befürchtete sie sogar, dass er sich gar nicht auf unserer Welt befand, sondern in einem besonderen Paralleluniversum, das wir ohne ihre Hilfe wohl sowieso nie erreichen würden. Aber auch wenn das alles total verrückt klang, konnte ich dieser Geschichte Glauben schenken. Seitdem ich die Kontrolle über das Wasser hatte, vertraute ich der Magie viel mehr und wusste nun einmal genau, dass sie existierte. Trotzdem stellte sich mir einfach nur die Frage, seit wann sie Ahnung von Zauberei hatte. Sie war zwar ein Element, aber komischerweise wusste sie auch, wie man einen echten Zauberspruch benutzte, was uns nicht unbedingt beigebracht wurde.

"Können wir darüber reden, dass das komplett verrückt ist?", unterbrach Manuel unser ewiges Schweigen und schüttelte dabei entsetzt den Kopf. "Ist das aber nicht genau das, was wir von Anfang an wollten? Endlich diese Antworten auf unsere vielen Fragen.", warf Micha mit sanfter Stimme ein, was mich leicht lächeln ließ. Seit dem Herbstfest war der Klang seiner Stimme, wie Musik in meinen Ohren. "Ja schon, aber doch nicht mit Tiana als Verbündete!" "Wir haben es nun einmal nicht hinbekommen. Wahrscheinlich ist es ohne Magie nicht mal möglich.", kam es nun von Patrick, der niedergeschlagen zu Boden schaute und Manus Blick auf ihm, nicht einmal bemerkte. Stille kehrte wieder zwischen uns ein, da wahrscheinlich jeder Angst hatte, das auszusprechen, was alle dachten. Und auch, wenn ich höchstwahrscheinlich schon immer derjenige gewesen war, der am wenigsten sagte und lieber genaustens zuhörte, machte ich es mir zur Aufgabe, mutig zu sein und diese vier Worte auszusprechen. "Wir sollten es tun." Mit einem Mal lagen alle Blicke auf mir, da sie wahrscheinlich nicht erwartet hatten, dass ich das Wort erheben würde und besonders nicht bei diesem Thema. "Ja, Tiana ist zwar dabei, aber wir brauchen sie einfach! Ohne ihre Hilfe würden wir Josh nie treffen und unsere Bestimmung verstehen." 

"Seit wann kannst du denn wieder gut über sie sprechen?", hakte Manu belustigt nach, während er mit den Augenbrauen wackelte. Erschrocken stieg mir die Röte ins Gesicht und ich hoffte nur, dass Michael diesen Wink nicht verstanden hatte. Doch mit einem kurzen Blick in seine Richtung, wusste ich genau, dass er es verstanden hatte und wollte Manu am liebsten dafür verfluchen. "Er hat aber Recht, Manu. Wir halten das jetzt schon so lange durch und auch wenn es für uns kein Problem mehr ist, muss ich es wissen. Es würde es so viel leichter machen, wenn wir genau wüssten, was unsere Aufgabe ist.", lenkte Patrick die Aufmerksamkeit wieder auf das wesentliche Thema, wofür ich ihm in diesem Moment nur mehr als dankbar war. Zustimmend nickte ich und bemerkte auch Michaels zustimmende Geste, was uns zeigte, dass nur noch Manu einwilligen musste. Wir würden keine Entscheidung treffen, mit der nicht jeder einverstanden war, besonders bei so etwas Bedeutsamen. "Na gut. Aber was ist mit Nela?", brachte er schon die nächste Frage in den Raum. "Wenn sie erfährt, dass wir noch Kontakt zu Tiana pflegen, köpft sie uns." "Eher köpft sie wohl dich.", entgegnete Manu ihm und lachte dabei belustigt, während Micha nur mit den Augen rollte. 

"Also sind wir uns einig?", erkundigte Patrick sich bei uns mit einem sanften Lächeln. Im Chor stimmten wir alle zu und wussten, dass das die endgültige Entscheidung sein würde. "Aber keine Alleingänge! Und niemand schenkt ihr Vertrauen! Sonst bekommt ihr es mit mir zutun.", warnte Manu uns vor und ich wusste genau, dass er das definitiv ernst meinte. Verblüfft beobachtete ich Manuel dabei, wie er grinsend seinen Arm in unserer Mitte ausstreckte und sein rotes Armband sofort hervorstich. "Jetzt wird's echt schon peinlich.", lachte Michael kess, während Patrick es Manu gleichtat und seinen Arm in die Mitte hielt. Schulterzuckend schloss ich mich auch an und stupste danach mit dem anderen Arm Michael an, der meine indirekte Bitte schließlich seufzend erfüllte. Vielleicht war es wirklich schrecklich kitschig, aber in diesem Moment fühlte es sich einfach gut an, ein Team zu sein. Durch diese Armbänder hatten wir uns von Anfang an verbunden gefühlt, auch wenn wir nicht einmal Freunde gewesen waren. Zum Glück konnte ich heutzutage behaupten, dass wir wahre Freunde waren, die alles füreinander tun würden, wirklich alles.


(...)


"Können wir reden?", ertönte die brüchige Stimme meiner besten Freundin neben mir, was mich mit einem Mal stark zusammenzucken ließ. Heute war der erste Schultag nach dem Herbstfest und durch das ganze Wirrwarr mit Michael und dem Angebot von Tiana, hatte ich komplett vergessen, dass ich meine eigentliche beste Freundin ausgenutzt und belogen hatte. Und am Ende war ich auch noch einfach verschwunden und habe sie stehenlassen für einen Jungen, den sie nicht einmal richtig leiden konnte. "Sicher." Tief atmete sie durch, was mich nur noch nervöser machte, als eh schon. Ich wusste, dass ich sie verletzt hatte, aber wie hart, würde ich wohl erst jetzt erfahren. "Maurice, ich weiß echt nicht, wo ihr beide am Samstag geblieben seid, aber so etwas kannst du nicht mit mir machen! Weißt du, ich mag dich, was für dich vielleicht komisch ist, aber das ist kein Grund dafür, mich einfach so fallen zu lassen. Ich bin nicht dumm, ich merke, dass du mit mir spielst, aber das lasse ich wirklich nicht mehr mit mir machen!", erklärte sie mir ihre Sorgen und wirkte dabei so zerbrochen, sodass die Schuldgefühle mich von Innen noch mehr zerfraßen. Überfordert lehnte ich mich an den Spind hinter mir und atmete einmal tief ein und wieder aus. "Es tut mir echt so leid, Zofia.", seufzte ich hilflos und redete sofort weiter, "Verdammt, ich...ich hätte nie mit dir spielen dürfen."

Niedergeschlagen schaute sie zu Boden und hatte wohl jetzt erst so richtig verstanden, dass ich ihre Gefühle nie erwidern würde. Etwas unsicher sprach ich weiter, ohne darüber nachzudenken. "Du bist meine beste Freundin. Ich will dich nicht verlieren, aber ich kann das nicht erwidern, weil...ich...naja...", murmelte ich vor mich hin und merkte erst jetzt, dass ich schon zu viel gesprochen hatte und endlich mit der Wahrheit herausrücken musste. Sie hatte es nicht verdient, belogen zu werden und das besonders nicht von ihrem besten Freund. Das musste hier nun ein Ende haben, obwohl ich die Wahrheit noch nie jemandem anvertraut hatte.



Überrascht blickte sie auf und wartete gespannt auf meine Erklärung, während mein Herz ein wenig schneller zu schlagen schien. "Ich mag Michael. Also sehr."

Erde, Wasser, Luft und Feuer | Kürbistumor & ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt