13.

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PoV. Maurice

"In Liebe, Josh", las Patrick leise die letzten Worte des langen Briefes vor, während wir alle still schweigend in eine andere Richtung schauten. Niemand traute sich etwas zu sagen und auch nur einmal zu überdenken, was wir gerade gelesen hatten. Es schien einfach so, als müssten wir noch verdauen, dass das hier wirklich die Realität war, obwohl es sich so anfühlte, als wären wir in einem schlechten Traum gefangen, der jede Sekunde einfach so aufhören konnte. Dieser Brief hatte diese ganzen verrückten Ereignisse greifbar gemacht und dieser Gedanke löste bei mir eine Welle von Gefühlen aus, mit der ich keineswegs umgehen konnte. Einerseits war ich verdammt neugierig und interessierte mich für die Dinge, die wir alles anstellen könnten, aber andererseits lief es mir auch kalt den Rücken herunter, zu so etwas fähig zu sein und mit ein paar schlechten Entscheidungen vielleicht sogar jemanden verletzen zu können, wenn auch nur unbeabsichtigt.
"Das heißt also, wir sollen die Welt retten?", hakte Manu ganz plötzlich nach und schien nun endlich seine Gedanken ein wenig geordnet zu haben. Seufzend sah er immer wieder zwischen uns hin und her und wartete wohl auf eine plausible Antwort, die er aber ganz einfach nicht bekam. "Das ist doch total krank. Ich meine, was sollen wir denn jetzt machen?" Kopfschüttelnd erhob sich der Grünäugige ganz plötzlich von seinem wahrscheinlich nicht wirklich gemütlichen Stuhl und fing an, unruhig durch die Hütte zu laufen, während er nachdenklich an seinen Fingernägeln kaute. "Ich weiß es echt nicht, Manu. Aber vielleicht liegt der Sinn einfach nur darin zu existieren, damit wir so die Welt ausgleichen.", antwortete ich ihm schließlich, um ihn irgendwie zu beruhigen, aber trotzdem seufzte er unsicher und schien innerlich nicht weniger aufgeregt zu sein. "Das heißt, wir opfern unsere Leben für diese sche*ß Welt. Ganz toll."

Manuel schien innerlich völlig durchzudrehen, doch Michael wirkte total ausgeglichen und grinste langsam nur noch vor sich hin, was Manu natürlich nicht entging. Sofort trat er einen Schritt auf den Blauäugigen zu, der jetzt nur noch breiter grinste. "Was grinst du so hässlich?" "Ach, komm schon, irgendwie ist das doch auch lustig. Wir sind so etwas wie Superhelden und retten die Welt! Aber ihr könnt sagen was ihr wollt, ich bin Ironman.", sprach Micha grinsend seine Gedanken aus, weswegen Manu ihn sofort angewidert beäugte. Aber das machte es für Michael wahrscheinlich noch besser. "Du Michael, wenn du wieder in der Erwachsenenwelt angekommen bist, kannst du sehr gerne deine Meinung äußern.", provozierte Manu ihn mit einem gehässigen Lächeln auf den Lippen und verschränkte dabei langsam seine Hände vor der Brust. "Sagt der, der hier die ganze Zeit schlechte Laune verbreitet." Augenrollend beobachtete ich die beiden und konnte echt nicht fassen, dass das einzige, woran sie gerade dachten, wirklich war, sich gegenseitig zu provozieren. Selbst wenn eine Zombieapokalypse ausbrechen würde, könnten sie nicht aufhören zu streiten. Verwundert fiel mein Blick aber schließlich auf Patrick, der sich komischerweise kein bisschen darum scherte, dass der Fußballer und der Außenseiter sich mal wieder gegenseitig die Köpfe abrissen. Es schien eher so, als hätte er das nicht einmal mitbekommen, weil sein Blick immer noch starr auf den Brief gerichtet war, den er fest in seinen Händen hielt. Zögerlich rief ich einmal seinen Namen, sodass er etwas durcheinander zu mir aufschaute und an meinem Blick wahrscheinlich bemerkt hatte, was ich von ihm wollte. Seufzend schüttelte er einmal nachdenklich mit dem Kopf und schien etwas sagen zu wollen.
"Wir müssen ihn finden, Leute. Er ist der einzige, der unsere Fragen beantworten kann.", stellte er selbstsicher fest und deutete dabei auf das blaue Stück Papier, das Josh mit in den Briefumschlag gelegt haben musste. Gerade so konnte man vier Namen erkennen, die er behutsam auf den Zettel geschrieben hatte. Vier Namen, die eindeutig unsere waren. "Wie genau willst du das denn anstellen, Pat?", erkundigte sich Michael bei ihm, der sich wohl relativ sicher war, dass das so gut wie unmöglich sein würde. "Das wird uns schon noch einfallen. Er ist vielleicht ein durchgeknallter Zauberer, aber keinesfalls ein Verbrecher. Er wird doch Spuren hinterlassen haben.", erklärte uns Patrick, was ihm durch den Kopf ging, "Aber Nela darf erstmal nichts davon wissen. Wir können niemandem vertrauen."


(...)


"Kannst du Michael bitte holen? Ich möchte mit euch reden.", forderte mich die Blondhaarige auf, nachdem sie wieder zurückkehrt war und ich ihr verraten hatte, dass Micha kurz nach frischer Luft schnappen wollte. In der stickigen alten Holzhütte war er langsam verrückt geworden, besonders mit Manu auf engem Raum, also hatte er sich dazu entschlossen, sich kurz an den Steg zu setzen. Nela hatte außerdem ein wenig auf sich warten lassen, was das ganze nicht unbedingt angenehmer machte. Nickend verließ ich aber schließlich die kleine Hütte und ließ Manu und Patrick etwas zögerlich mit der verrückten Frau alleine. Sofort atmete ich einmal kräftig die frische Luft ein, da mir das ganze auch ziemlich zugesetzt hatte und ich kaum mehr richtig denken konnte. Wahrscheinlich war das auch besser so, sonst würde ich mir Gedanken über Dinge machen, die ich mir sowieso nicht erklären konnte. Entschlossen lief ich also auf den Steg hinzu und setzte mich schließlich neben den Braunhaarigen, der ganz entspannt seine Füße über dem Wasser baumeln ließ. Trotzdem war sein Blick starr auf das Wasser gerichtet, was mir zeigte, dass er das ganze doch nicht so auf die leichte Schulter nahm, wie es in der Hütte ausgesehen hatte. "Alles klar?", hakte ich einfühlsam nach, weswegen er sich erschrocken zu mir umdrehte und fast sein Gleichgewicht verloren hatte. "Tut mir leid." "Ist schon okay.", antwortete er rasch und seufzte danach einmal tief. Still schweigend dachte ich darüber nach, was seine Laune so plötzlich in den Keller gezogen hatte und kam zu dem Entschluss, dass es etwas damit zutun haben musste, dass er seine Kräfte noch nicht besaß, was ihn schon die ganze Zeit gestört hatte. "Ähm...also ich weiß, dass dich das alles sehr frustriert, aber du wirst sie auch noch entdecken, also wenn du das überhaupt willst. Aber wenn ja, dann ganz bestimmt.", stammelte ich mir schnell etwas zusammen und wusste nicht einmal, ob das wirklich irgendeinen Sinn ergab. Etwas belustigt schnaubte er nur und nickte dabei leicht, was dafür sorgte, dass ich grinsen musste.

Nach einem Moment der Stille schien Michael aber schon schnell auf eine ganz andere Idee gekommen zu sein. "Kannst du es vielleicht mal ausprobieren? Für mich?" Mit zusammengezogenen Augenbrauen starrte ich ihn schließlich an und verstand nicht, was er von mir wollte, bis er ganz offensichtlich auf das Wasser vor uns deutete. "Oh, d-das meinst du.", antwortete ich ihm etwas verdattert und blickte dabei nachdenklich auf das ruhige Wasser, das sich ganz leicht und friedlich bewegte, "Ich weiß nicht, Michael." "Bitte, Maurice. Ich würde echt gerne sehen, wie es aussieht. Ich weiß, dass du Angst hast, aber es ist doch jetzt ein Teil von dir! Ich glaube an dich, wirklich." Nachdenklich schaute ich ihm in die Augen und bemerkte schnell, dass er das wirklich ernst meinte. Michael Rankl, der beliebte Sportler und womöglich auch Schlägertyp, glaubte an mich, obwohl wir uns nicht einmal richtig kannten, aber irgendwie war das ein gutes Gefühl. Außerdem gab es keinen Grund, es nicht zu versuchen. Ich wollte doch selbst wissen, ob ich es wirklich konnte. Ich wollte noch einmal mit eigenen Augen sehen, dass das nun die Realität war. Rasch beendete ich unseren Augenkontakt und drehte meinen Kopf zu dem Wasser, das mich irgendwie zu rufen schien. Um mich herum wurde es immer ruhiger, nur noch das Wasser schien Geräusche von sich zu geben, was dafür sorgte, dass ich Michael und auch den Rest der Umgebung komplett vergaß. Es gab nur noch das Wasser und mich und dieses plötzliche starke Gefühl, das meinen ganzen Körper einzunehmen schien. Instinktiv versuchte ich es zu verstärken und nahm meine Hände dazu, die ich ganz automatisch immer weiter in die Höhe bewegte. Ohne Weiteres schien es so, als würde sich das eigentlich so stille Wasser langsam zu einer kleinen Wasserfontäne verwandeln, die immer größer wurde, wenn ich es so wollte. In diesem Moment spürte ich zum ersten Mal die unglaubliche Macht, die ich nun besaß und so einfach nutzen konnte. Und dabei realisierte ich rasch, dass das Wasser gar kein Teil von mir war, sondern ich von ihm, alles an mir. 



"Du kannst es! Ich wusste es, Maurice!", kam es auf einmal laut von Michael, weswegen ich plötzlich die ganze Kontrolle verlor und ich sofort wieder meine ganze Umgebung spüren konnte. Mit einem Mal brach meine kleine Wasserfontäne auseinander und verrückterweise sah es nun so aus, als wäre nie etwas geschehen. "Danke, Maurice.", flüsterte Micha mir zufrieden ins Ohr, weshalb sich schnell eine Gänsehaut auf meinem ganzen Körper ausbreitete. Doch bevor ich in irgendeiner Weise hätte antworten können, ertönte plötzlich die genervte Stimme von Manuel, der etwas aufgebracht hinter der Hütte stand und uns beobachtete. "Maurice! Michael! Kommt ihr heute noch?"




Erde, Wasser, Luft und Feuer | Kürbistumor & ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt