19.

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PoV. Maurice

Geschockt und völlig überwältig beäugte ich Michael, der gerade wirklich das erste Mal seine Kräfte genutzt hatte und sein Glück kaum fassen konnte. Während er immer noch gebannt auf seine Hände starrte, die vor ein paar Minuten noch ein Erdbeben entfacht haben, zuckten seine Mundwinkel langsam nach oben. Grinsend hob er schließlich seinen Blick und starrte mir genau in die Augen, was mir eine Gänsehaut bereitete. Dadurch, dass Michael nun seine Kräfte als Letzter entdeckt hatte, waren wir nun stärker als jemals zuvor und dieser Gedanke sorgte bei mir für ein mulmiges Gefühl im ganzen Körper. Schließlich bedeutete das, dass wir nun zusammen funktionieren mussten. Wir konnten uns keinen Streit mehr leisten, der uns dazu brachte, unsere Kräfte unkontrolliert zu nutzen, aber wenn ich mich gerade so umsah und in die immer noch beleidigten Gesichter meiner Mitstreiter blickte, wurde mir klar, dass das gar nicht so einfach werden würde. Egal, was wir taten oder wie wir uns verhielten, wir konnten uns gegenseitig einfach nicht verstehen und das sorgte dafür, dass es viel schwerer war, ein gewisses Mitgefühl für die anderen aufzubringen. 

"Ich kann es wirklich! Habt ihr das gesehen?", kam es plötzlich von Michael, der aufgeregt auf den Boden deutete und Nela deswegen nur mit den Augen rollte. "Ja, das habe ich dir doch gesagt.", versuchte sie ihm weiszumachen, während sie gleich danach noch einen Schritt nähertrat, "Ihr könnt eure kleinen Streitigkeiten doch bestimmt jetzt zur Seite legen, nicht wahr? Ich würde gerne anfangen, also folgt mir bitte!" Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, als ich ihre Worte verstanden hatte und sie schon selbstsicher vorauslief. Durch die besonderen Ereignisse von eben, hatte ich völlig vergessen, warum wir eigentlich hier waren. Sofort folgten Manuel und Patrick der Blondhaarigen, was mich dazu brachte es ihnen mit schweren Schritten gleichzutun, während ich geradeso bemerkte, dass Michael sich auch weiterbewegte. Normalerweise hätte ich wohl auf ihn gewartet und wäre zusammen mit ihm losgegangen, aber obwohl ich mich zwar für ihn freute, konnte ich sein kindisches Verhalten von eben nicht einfach vergessen. Er musste lernen, dass seine Worte und Taten andere verletzten und er nicht mehr einfach alles mit Manuel machen konnte, ohne dass es gefährlich wurde.
Als Nela auf einmal in ihrer Bewegung stoppte, blickte ich mich sofort um und erkannte nur den kleinen Platz zwischen der Hütte und dem Steg, auf dem Michael und ich gestern noch gesessen hatten, was mich ein wenig wunderte. Wahrscheinlich hatte ich für dieses Training einfach einen geheimnisvollen Ort erwartet, zu dem nur wir Zugang hatten, so wie man es aus den Filmen kannte. Leider war das hier aber kein Film, sondern die blanke Realität.
"So, ich sehe schon, dass ihr wahrscheinlich nicht allzu begeistert seid, aber dieser Platz wird euch irgendwann heilig sein, weil ihr hier lernen werdet, wie ihr an Kontrolle gewinnt! Es gibt verschiedenste Aufgaben für jeden von euch, die ihr alle bis zur Perfektion bewältigen müsst, damit ich auch merke, dass ich mir keine Sorgen um euch machen muss, wenn ihr irgendwann auf euch alleine gestellt seid. Früher oder später wird dieser Tag kommen, für den es sich gelohnt hat, das hier zu verstehen.", erklärte Nela uns dann ausführlich, was mich nur verwirrt mit der Stirn runzeln ließ. Bis zum jetzigen Zeitpunkt sah es wirklich nicht so aus, als könnten wir diesen Tag jemals erreichen.

"Können wir uns dann auch so coole Superheldennamen ausdenken?", unterbrach Micha sie bittend, was mich leicht schmunzeln ließ. Seitdem er nun seine neue Kraft entdeckt hatte, verhielt er sich wie ein kleines, überzuckertes Kleinkind. "Ich kann echt nicht glauben, dass wir gleichalt sind.", fügte Manu dem Gespräch hinzu und schüttelte einmal deutlich mit dem Kopf, weswegen Michael dem Braunhaarigen gleich genervt antworten wollte, aber dann sofort von Nela unterbrochen wurde. "Manuel und Michael, es reicht für heute wirklich! Aber macht das doch gerne, vielleicht bekommt ihr dann wenigstens ein bisschen Interesse an dieser verdammt ernsten Situation." Augenrollend schaute Manu nur zur Seite, während ich langsam verstand, dass sie das wirklich ernst meinte und wir uns besser auf dieses Training konzentrieren sollten. Schließlich machte Nela diese ganze Sache mehr oder weniger freiwillig und ohne sie wären wir ziemlich am Ende. "Also, hört zu. Ich werde euch jetzt fürs Erste trennen, da zuerst jeder für sich selbst wissen sollte, wie seine eigene Kraft funktioniert. Später werdet ihr dann mehr zusammen meistern müssen. Verstanden?", erklärte Nela uns eindringlich und wartete darauf, dass wir endlich nickten, "Gut, dann los. Michael nach dort, Patrick hier hin und Manuel geht dahin. So und Maurice kommt mit mir zum Wasser."

Etwas aufgeregt seufzte ich, als ich verstanden hatte, dass ich sofort zum Wasser gehen sollte, während ich beobachtete, wie die anderen Nelas Anweisungen befolgten. Mit zitternden Beinen begab ich mich also schnell zum Steg und wartete darauf, dass Nela mir sagte, was genau ich machen sollte. "Deine Aufgabe ist selbsterklärend und für den Anfang sehr belehrend. Maurice, wie du siehst, steht hier ein kleiner Eimer. Und deine Aufgabe ist es, diesen eben zu befüllen, aber ohne ihn zu berühren. Am besten wäre es natürlich, wenn nichts daneben fällt. Also viel Glück, ich erkläre jetzt den anderen, was sie tun sollen." Überfordert starrte ich zuerst nur den kleinen, grauen Eimer an, der auf einer weißen, schmalen Platte im kalten Sand stand. Eigentlich klang Nelas erste Aufgabe relativ simpel, aber leider hatte ich einfach keine Ahnung, wie ich anfangen sollte. Nervös fiel mein Blick nochmals auf das Wasser, das heute ganz ruhig war, bevor ich kurz unbewusst zu Michael schielte, der in diesem Moment genau in meine Richtung sah und anscheinend darauf wartete, dass ich begann, meine Aufgabe zu lösen. Aufmunternd lächelte er mich an, weswegen mein Gesicht langsam immer heißer wurde und ich rasch wegschaute, um mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren.
Zögernd blickte ich wieder auf das Wasser und schloss instinktiv sofort meine Augen, um das Gefühl wiederzufinden, das ich auch gestern am Steg verspürt hatte. Gleich danach öffnete ich sie aber wieder, da ich es einfach nicht finden konnte und immer ungeduldiger wurde, doch trotzdem wusste ich, dass ich nicht einfach aufgeben konnte. Beim zweiten Versuch schlich sich ein leichtes Lächeln auf meine Lippen, als ich die Präsenz das Wassers schließlich überall in meinem Körper spüren konnte, weswegen ich versuchte das Gefühl mit meinen Händen zu verstärken, die ich langsam immer weiter nach oben führte. Gleich bildete sich eine kleine Wasserfontäne, die ich aber so nicht in den Eimer bringen konnte. Kurz dachte ich darüber nach, was ich jetzt tun könnte, bis mir ein kleines Bild von einem Ball einfiel und die Fontäne sich mit einem Mal von dem restlichen Wasser des Sees trennte. Überrascht blickte ich den kleinen Wasserball an, den ich mit meinen Händen einfach hin und her balancieren konnte, bevor ich ihn vorsichtig über den kleinen Eimer bewegte. Kurz fiel mein Blick wieder auf Michael, der sich gerade seine Aufgabe erklären ließ und dabei breit lächelte, während der kleine Ball mir einfach herunterfiel und nur zur Hälfte in dem Behälter landete. Erschrocken wich ich zurück und stöhnte einmal genervt auf, bevor ich stirnrunzelnd darüber nachdachte, was bloß mit mir los war. Sonst lernte ich Dinge immer schnell und ließ mich nicht ablenken, aber heute konnte ich einfach nicht bei der Sache bleiben.

"Das hast du echt gut gemacht.", ertönte plötzlich die raue Stimme von Michael hinter mir, während sich meine Nackenhaare vor Schreck aufstellten. Stumm sah ich einfach nur an ihm vorbei, um rasch zu schauen, ob Nela gesehen hatte, dass Micha hergekommen war und seine Aufgabe wohl nicht erledigte, doch sie hatte alle Hände voll mit Manuel zutun, welcher sich, wie es aussah, weigerte, seine Kräfte zu trainieren. Manu war wirklich derjenige, der am meisten damit zu kämpfen hatte und am liebsten alles rückgängig machen würde, obwohl er nun eines der stärksten Elemente besaß. "Hey Maurice, ähm...es tut mir echt leid. Ich weiß, dass ich dich ungerecht behandelt habe. Du hattest damit nichts zutun und wolltest halt nur helfen. Ich hätte nicht so reagieren sollen.", fing Michael an, sich bei mir zu entschuldigen, was mich doch dazu brachte, ihm zuzuhören und ihn dabei überrascht zu beäugen. Kurz seufzte ich nur, bevor ich einmal schüchtern nickte und damit zeigen wollte, dass ich seine Entschuldigung annahm. Gleich danach huschte mein Blick nochmal zu Manu, der nun niedergeschlagen auf einem großen Stein saß und genervt durch die Gegend schaute. "Wir müssen aber trotzdem nochmal über etwas reden.", presste ich rasch heraus und sah Micha an, der verwirrt eine Augenbraue in die Höhe zog. 



Gerade als ich ihm erklären wollte, was ich meinte, rief Nela uns zu sich, weswegen ich nur entschuldigend zu ihm blickte. "Na los, kommt her. Ich habe die nächste Aufgabe für euch!" Bedrückt drehte Michael sich langsam um und flüsterte mir rasch ein "Später" ins Ohr, weswegen ich nur stillschweigend nickte und wir uns zu den anderen begaben. Ich hoffte wirklich, dass das funktionieren würde.


Erde, Wasser, Luft und Feuer | Kürbistumor & ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt