8.

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PoV. Maurice

Erschrocken riss ich mit einem Mal meine Augen auf, aber musste sie gleich darauf wieder schnell schließen. Mein Kopf brummte stark und ich hatte das Gefühl, er würde gleich explodieren, wenn ich nichts dagegen tat. Nach ein paar weiteren Sekunden versuchte ich es schließlich noch einmal, doch das plötzliche helle Licht machte mir dort einen Strich durch die Rechnung. Eins, zwei Mal blinzelte ich also noch, bevor ich mich endlich umsehen konnte und bemerkte, dass mir meine Umgebung so ungewöhnlich fremd war. Als ich dann noch eine junge unbekannte Frau erkannte, die entspannt auf einem kleinen Stuhl saß und ruhig an ihrer Tasse nippte, stieg die Panik in mir auf. Benommen richtete ich mich ruckartig auf, weshalb ihre blauen Augen mich verwundert musterten, während ihr eine hellblonde Strähne ins Gesicht fiel, die sie aber nur lächelnd zurück hinter ihr Ohr strich. "Schön, einer ist wach."
Verwirrt versuchte ich mich daran zu erinnern, was passiert war, bis ich mich an die gruselige Holzhütte erinnern konnte, die wir alle nacheinander betreten hatten. Panisch sah ich mich um und suchte nach den anderen Jungen, die zu meinem Glück aber in meiner Nähe lagen und nicht der verrückten Frau zum Opfer gefallen waren. Vielleicht war es ein gutes Zeichen, dass sie uns noch nichts getan hatte, obwohl man darauf wohl nicht vertrauen konnte. Schmerzerfüllt berührte ich mit meiner Hand vorsichtig meinen bebenden Kopf und versuchte mich weiter daran zu erinnern, warum wir alle zu Boden gefallen waren. Doch das Einzige, was mir in den Sinn kam, war dieses helle Licht, das mir die Sicht versperrt hatte, bevor alles schwarz wurde.

Genervt schüttelte ich mit dem Kopf und versuchte mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Wir mussten so schnell wie möglich hier weg. Hysterisch rüttelte ich also an Michael, der aber nicht den Anschein machte, als würde er sobald aufwachen. "Mach dir keine Sorgen, es geht ihm gut. Ich bin mal eine Krankenschwester gewesen und deswegen habe ich auch keinen Krankenwagen gerufen. Sie hätten sowieso nicht hierher gefunden.", redete sie behutsam auf mich ein, doch ich ignorierte das komplett, da meine Angst viel zu groß war, um ihr Glauben schenken zu können. Diese Situation war einfach gruselig und ich fühlte mich wie in einem schlechten Horrorfilm, in dem bald jemand mit einer Axt vorbeischauen würde und wir um unser Leben bangen müssten. Ich hatte es gewusst, wir hätten niemals die kleine Holzhütte betreten dürfen und das hier war unser Karma dafür, dass wir es doch getan hatten. "Möchtest du eine Tasse Tee?", hakte sie plötzlich freundlich nach, weswegen ich stark zusammenzucken musste. Schnell schüttelte ich mit dem Kopf und schwor mir selbst, nicht noch eine Regel zu brechen, die man früh von den Eltern gelehrt bekam. 'Betrete keine Privatgebiete, für die du keine Erlaubnis hast' kommt nämlich nur ganz knapp nach 'Nehme nichts von Fremden an'.

"Wo bin ich?", ertönte plötzlich eine bekannte Stimme, die sich schnell als Manuels herausstellte. Wahrscheinlich war ich noch nie so froh gewesen, seine Stimme zu hören, da ich nun einfach nicht mehr mit dieser schrecklichen Situation alleine war. Mit zerzausten Haaren richtete auch er sich langsam auf und blickte verwirrt zu mir herüber, weswegen ich nur ängstlich zurückschaute und unauffällig auf die blondhaarige junge Frau deutete. "Wer sind Sie?!", schrie Manu erschrocken auf und schaute sich sofort panisch um. Schnell griff er nach einem Stück Holz, das einfach so auf dem Boden lag und hielt es sich als Schutz vor die Nase. "Hey, ich will euch doch nichts tun! Also leg' das bitte wieder weg! Ich habe euch hier in meiner Hütte gefunden und bin genauso geschockt wie ihr, okay?!", erklärte sie uns eindringlich, doch Manuel blieb stark und ließ das Holzstück nicht fallen. Erst, als sie zögerlich die Tür öffnete und ihm sagte, dass er sofort gehen konnte, schien er ihr langsam zu vertrauen und ließ seine Waffe seufzend herunter. Während sie mit Manu beschäftigt war, rüttelte ich weiter an Michael und zu meinem Glück kam er endlich zu sich, sodass wir hoffentlich bald gehen konnten.

"Was ist passiert?", hakte er kurzerhand nach und rieb sich währenddessen benommen die Augen. Manu bemerkte in diesem Moment endlich Patrick und versuchte ihn schließlich auch aufzuwecken. "Ich weiß wirklich nicht, was mit euch passiert ist. Ihr wart plötzlich hier und ich habe nur versucht, euch zu helfen.", redete sie nichtsahnend weiter, was mich nur leise seufzen ließ. Langsam bemerkte ich zwar, dass sie uns nie etwas tun wollte, aber ob sie wirklich keine Ahnung davon hatte, was in diesem Wald geschah, bezweifelte ich. "Als wir die Hütte betreten hatten, war da so ein unglaublich helles Licht. Davon wissen Sie auch nichts, stimmts?", fragte Manuel die leicht überforderte Frau, doch sie schien seiner Frage komplett aus dem Weg gehen zu wollen, was mich leicht schmunzeln ließ. "Du kannst mich auch duzen. Ich heiße Nela. Wie sind denn eure Namen eigentlich?" "Beantworte unsere Frage, dann beantworten wir deine.", kam es ernst von Michael, der wohl auch bemerkt hatte, wie sie die Frage gekonnt ignorieren wollte. "Ich habe wirklich keine Ahnung. Vielleicht war es auch nur ein Blitz. Es hat schließlich gewittert."

Mit einem Mal stand Michael plötzlich auf, weswegen ich verwirrt zu ihm aufsah. Komischerweise hatte er anscheinend wohl nicht solche schrecklichen Kopfschmerzen, weil er komplett aufrecht da stand und keine Miene verzog. "Ich gehe jetzt, das hier wird mir zu bunt." Selbstsicher lief er zur Tür hinaus und das, ohne sich noch einmal zu uns umzudrehen. Vielleicht hätte ich auch einfach gehen sollen, als ich aufgewacht war und sie alle hier alleine gelassen. Schulterzuckend stand Manuel auch auf und hielt Patrick die Hand hin, der auch schon längst wach gewesen war. Schnell verließen wir alle die gruselige Hütte, während ich mir innerlich schwor, hier nicht wieder hinzukommen. In Windeseile hatten wir den Braunhaarigen eingeholt, der uns einfach sitzen gelassen hatte. "Hat man denn keine Sekunde Ruhe vor euch?" "Sollten wir uns wirklich in diesem komischen Wald trennen? Das eben war doch richtig verrückt!", kam es selbstsicher von Patrick, der anscheinend sichtlich wütend über Michaels Verhalten war. Nela schien schon ziemlich verrückt zu sein, doch trotzdem hatte sie nicht vorgehabt, uns Wehzutun, das hatte ich einfach so im Gefühl. "Wenigstens hat sie nicht die Polizei gerufen.", meinte ich daraufhin schulterzuckend, um sie vielleicht auch ein wenig in Schutz zu nehmen. "Patrick hat recht. Daran war trotzdem gewaltig etwas faul."


(...)


Frustriert legte ich meinen Stift zur Seite und seufzte dabei einmal laut. Durch diesen Zwischenfall heute, hatten wir absolut nichts geschafft, weswegen ich versuchte, die erste Frage des Projektes alleine zu beantworten. Zuerst klappte das eigentlich ganz gut, bis ich bemerkte, dass wir gar keine Fotos gemacht hatten und mir auch nicht mehr als drei verschiedene Baumarten einfielen. Das bedeutete also, dass wir die ganzen Bäume morgen wohl oder übel suchen mussten.
Überfordert lief ich mit meinem Heft die Treppen hinunter und hoffte darauf, dass meine Mutter vielleicht noch etwas mehr darüber wusste und mir helfen konnte. "Mama? Hast du kurz eine Minute?", erkundigte ich mich bei ihr, als ich meine Mutter mit meinem jüngsten Bruder auf dem Schoss endlich im Wohnzimmer entdeckte. "Mauri!", schrie mein Bruder fröhlich und rannte rasch auf mich zu, um mich in eine Umarmung schließen zu können, "Spielst du mit mir?" "Ich würde ja gerne, aber ich habe noch Hausaufgaben, Henry." Etwas beleidigt nahm sich mein kleiner Bruder sein Spielzeugauto und rannte in die Richtung des Zimmers meiner Schwester, um sie wahrscheinlich das Gleiche zu fragen. Grinsend schüttelte ich mit dem Kopf, bevor ich mich wieder darauf konzentrierte, meine Mutter um Hilfe zu bitten. "Du Mama, weißt du vielleicht etwas über Baumarten?". Etwas verwirrt blickte sie mich an und schien mal wieder nicht allzu gut gelaunt zu sein. "Keine Ahnung. Frag deinen Vater, wenn er das nächste Mal nach Hause kommt.", antwortete sie mir genervt und drehte sich schließlich von mir weg. Das war mein Zeichen zu gehen, weil ich ganz genau wusste, dass es sonst noch weiter eskalieren konnte, egal was ich sagte. Ich nahm es meiner Mutter nicht übel, dass sie so reagierte, aber so lief es schon seit Wochen. Ihre unglaubliche Wut auf meinen Vater, ließ sie immerzu an uns aus und das machte einen wirklich verrückt. Ich hatte mich zwar damit abgefunden, dass meine Eltern sich nur noch stritten, aber ich wollte einfach nichts mehr damit zutun haben.

Genervt betrat ich mit schnellen Schritten unsere Küche und holte mir sofort ein sauberes Glas heraus, um es schließlich mit stillen Wasser zu füllen und meinen Durst endlich stillen zu können. Vielleicht würde ich mich auch wieder viel besser konzentrieren können, wenn ich ein wenig Flüssigkeit zu mir genommen hatte. Seufzend stellte ich das halbvolle Glas zurück auf die staubige Küchentheke und wollte wieder zurück auf mein Zimmer gehen, doch als ich gerade losgehen wollte, stieß ich das Glas aus Versehen mit meinem Ellbogen um, sodass es schließlich langsam zu Boden fiel. Schützend hielt ich mir sofort meine Hände vors Gesicht und sprang ein Stück zurück, damit die Scherben meine Füße nicht treffen würden. Gleich danach schaute ich erschrocken zu Boden und konnte meinen Augen kaum trauen, als ich sah, wie die Flüssigkeit nicht mit dem zerbrochenen Glas auf dem Boden lag, sondern immer noch in der Luft hing, so als wäre die Zeit stehen geblieben. Mit weit aufgerissenen Augen bewegte ich langsam meine Hände und bemerkte schließlich, wie das fliegende Wasser nach meinen zögerlichen Bewegungen handelte. Völlig fasziniert blanchierte ich es hin und her und konnte kaum glauben, dass das hier die Realität sein sollte.
"Maurice! Ist alles okay?", rief mir meine Mutter aus dem Wohnzimmer zu, weswegen ich meine Konzentration verlor und das Wasser schließlich doch noch zu Boden fiel. "Ähm...ja, d-dass war nur ein Glas. Ich räume es schnell weg.", antwortete ich ihr stotternd und fing sofort an, ein paar große Scherben aufzuheben und sie in den Mülleimer zu schmeißen. Wie in Trance, holte ich den Staubsauger aus der Abstellkammer und saugte auch noch den Rest der Glasscherben weg. Ich konnte mir einfach nicht erklären, was mir eben passiert war. Vielleicht war das alles auch nur reine Einbildung gewesen?


Tausende Fragen schlichen sich in meinen Kopf, als ich ganz langsam die Treppe zurück nach oben schlenderte.

Erde, Wasser, Luft und Feuer | Kürbistumor & ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt