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!TW: Gewalt! (In Form einer Ohrfeige)

PoV. Patrick

Taumelnd versuchte ich mich auf den Beinen zu halten und dabei auch gleichzeitig das letzte Bier in meiner Hand nicht mehr weiter zu verschütten. Meine riesigen brummenden Kopfschmerzen erschwerten es mir aber die Konzentration beizubehalten. Es war schon ziemlich dunkel, aber ich wusste trotzdem nicht wie spät es war, da ich mein Zeitgefühl schon längst verloren hatte. Keine Menschenseele war auf den Straßen wahrzunehmen, was aber nur Sinn ergab, da in so einem kleinen Ort wie Winsen ab einer bestimmten Uhrzeit alles ruhig war. Nur vereinzelte kleine Lichter waren an manchen Fenstern zu erkennen und das fackelnde Licht der Straßenlaternen wies mir den Weg nach Hause. 
Auch wenn ich meine Gedanken kaum noch kontrollieren konnte, waren da diese kleinen Momente, in denen mein Gehirn versuchte zu realisieren, was ich eigentlich am See getan hatte. Ich konnte mich zwar kaum noch daran erinnern, wie ich überhaupt vom Wald hierher gekommen war, aber ich hatte noch genau Manus geschockten Blick vor Augen, als ich ihm unkontrollierter Weise immer näher kam. Ich wusste nicht, warum es geschehen war und auch schon gar nicht, was ich damit eigentlich bezwecken wollte, aber das Geschehnis war fest in meiner Erinnerung eingebrannt. Trotzdem schob ich das alles erstmal gekonnt auf den Alkohol und wollte keinen Gedanken mehr daran verschwenden. Nur hoffte ich nun stark, dass Manu und ich da niemals mehr drüber reden mussten. 

Erschrocken spürte ich plötzlich den Boden an meinen Knien und konnte mich geradeso mit den Händen auffangen. Schnell rappelte ich mich aber wieder auf und bemerkte, dass ich glücklicherweise vor meiner Haustür gelandet war. Nachdenklich blickte ich auf das Bier in meiner Hand, das keine Schramme abbekommen hatte und warf es kurzerhand in unseren Vorgarten. Morgen früh würde ich es schon wieder abholen. 
Langsam bewegte ich mich zur Tür und bemerkte schließlich, dass sie abgeschlossen war, weshalb ich schleunigst auf die Suche nach meinem Schlüssel ging, aber als ich ihn gerade gefunden hatte, wurde die Tür schon geöffnet und sofort funkelte mich meine Mutter böse an. "Patrick! Wo warst du denn! Ich habe dich tausend Mal angerufen, Kind!", kam es enttäuscht von ihr, währenddessen sie mich unsanft ins Haus zog. "Ich-ähh...hab im Wald gespielt." Sofort zog sie scharf die Luft ein und begutachtete mich gründlich. "Sag mal, bist du etwa betrunken?!", fragte sie geschockt nach, nachdem sie wahrscheinlich meine stinkende Alkoholfahne bemerkt hatte. Lachend zog ich meine Jacke aus und ignorierte die Frage meiner Mutter gekonnt. "Wo hast du den Alkohol her, Patrick?" "Gefunden.", gab ich wahrheitsgemäß von mir. 

"Schatz! Komm bitte sofort hier her!", rief meine Mutter sogleich meinem Vater zu, der nach wenigen Sekunden bei uns im Eingangsbereich stand und mich wütend musterte. "Patrick! Ich kann einfach nicht glauben, dass du Alessa ohne Grund abserviert hast! Du wirst das auf jeden Fall regeln.", gab er bestimmend von sich und sofort musste ich erstmal überlegen, wovon er sprach. "Hmm...ach du meinst meine Ex, oder?" Erschrocken über meine Frage blickte mein Vater überfordert zu meiner Mutter. "Er hat getrunken.", gab sie nach weiteren fragenden Blicken zu. "Du hast was?!" "Nur so ein bisschen...wirklich.", erklärte ich lachend und zeigte meinen Eltern währenddessen mit den Fingern, wie viel es denn meiner Meinung nach gewesen war. Empört schaute mein Vater mich an und das war wahrscheinlich das erste Mal, dass ich ihn sprachlos gemacht hatte. 

"Wo warst du und wo hast du den sche*ß her?!", hakte mein Vater nach weiterer Stille dann doch wütend nach. Doch ich bemerkte gerade wie sehr ich mein Bett eigentlich vermisste und wollte dieses Gespräch also schnell beenden. "Wald! Will jetzt schlafen." Taumelnd versuchte ich mich an meinen Eltern vorbeizudrücken, um nach oben gehen zu können, aber leider kam ich nicht weit. "Hiergeblieben, Pat!" Genervt versuchte ich mich noch einmal vorbeizudrücken, aber mein Vater hielt mich noch rechtzeitig auf. "Okay! Es reicht jetzt, verdammt nochmal!", schrie er mich an und sorgte schnell dafür, dass ich ihm zuhörte, "Du hattest deine Chance, Patrick! Und was machst du? Du servierst deine perfekte Freundin ab und betrinkst dich bis zum Umkippen! Es reicht! Du spielst ab jetzt wieder nach unseren Regeln. Ich weiß genau, wo dieses Verhalten herkommt, also wirst du deine drei neuen Freunde nie wieder treffen! Und du wirst das mit Alessa sofort regeln!"
"Du kannst mir gar nichts vorschreiben!", rief ich nun auch wütend zurück. Langsam war ich es einfach Leid, dass sich jeder in mein Leben einmischen wollte. Ich wollte endlich mein Ding durchziehen und mir selbst aussuchen mit wem ich mich traf und auch, wenn mein Ruf dann darunter litt. Ich hatte es satt herumkommandiert zu werden und wollte endlich das Gegenteil davon machen, was mein Vater mir predigte. Und dieses Adrenalin packte mich nun einfach, weshalb der Alkohol in meinem Blut wohl unerklärlicherweise schnell verschwand.

"Oh doch, Patrick! Das kann ich sehr wohl." "Vergiss es! Du hast auch gesagt, ich soll nie wieder in die Bibliothek! Tja, da war ich wieder. Und du hast mir oft genug gesagt, ich soll nie einen Jungen küssen! Tja, das habe ich auch getan!", schrie ich meinem Vater die blanke Wahrheit ins Gesicht und hatte gar nicht darüber nachgedacht, was ich da gerade von mir gab. Doch bevor ich realisierte, was ich eigentlich wirklich gesagt hatte, landete schon die flache Hand von meinem Vater mit einem lauten Knall auf meiner Wange und mein Kopf flog sofort unkontrolliert zur Seite. Ich konnte nur noch den Schrei meiner Mutter hören, bis der stechende Schmerz sich ausbreitete und ich gar nicht wissen wollte, wie rot meine Wange jetzt wohl war. Tränen bildeten sich in meinen Augen, als ich realisiert hatte, dass er mich gerade wirklich geschlagen hatte und das noch nie zuvor passiert war. "Du lügst! Du lügst, um mich zu provozieren! Das hast du davon!"

Sofort wollte ich schreien und ihm mutig in die Augen blicken und sagen, dass das keine Lüge gewesen war. Ich wollte ihm sagen, dass es wirklich passiert war und ich mich ihm endlich widersetzte. Aber ich hatte solche Angst vor ihm bekommen, dass ich mich kaum noch bewegen konnte. Und auch Schuldgefühle kamen in mir hoch. Hatte ich Manu nur ausgenutzt, um mich widersetzen zu können? Hatte ich das nur getan, damit mein Vater nicht seinen Willen bekam? Langsam richtete ich meinen Blick auf meinen Vater und sah den puren Hass in seinen Augen. Ängstlich konnte ich dem kaum standhalten. "Pat, komm sag deinem Vater, dass das eine Lüge war.", redete meine Mutter ruhig auf mich ein und ich konnte hören, wie aufgelöst sie war. "Komm schon, Schatz..." Ich kämpfte so sehr dagegen an es zu sagen, weil ich genau wusste, dass es dann eine Lüge war. Doch der zornige Blick meines Vater und die flehenden Worte meiner Mutter drangen tief in meinen Kopf.
Ich sollte sagen, dass es wahr war und dass es ganz normal ist, wenn ein Junge einen anderen Jungen küsste, aber meine Angst wurde größer. Ich wusste, dass mein Vater mich wahrscheinlich wieder schlagen würde, da ich keine Reue in seinen Augen erkennen konnte. "Es war eine Lüge.", sprach ich laut und deutlich diesen gelogenen Satz aus. Sofort hörte ich die erleichterten Töne meiner Mutter und fühlte mich schrecklich. 


Angespannt blickte ich meinen Vater starr in die Augen, bis ich an ihm vorbeiging und die Treppen hochlief. Rasant rannte ich in mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir zu. Ich hätte mutig sein sollen. Für Manu, für meinen Cousin und für den ganzen Rest auf dieser Welt. 

Erde, Wasser, Luft und Feuer | Kürbistumor & ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt