78.

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PoV. Maurice

"Seht ihr, hier ist absolut niemand.", stellte Tiana genervt fest, als wir an Nelas kleinen Hütte angekommen waren, die sich ungewöhnlicherweise ziemlich verändert hatte. Hier wirkte sie viel sauberer und auch nicht so heruntergekommen, wie in unserer Welt, was wahrscheinlich daran lag, dass hier ein Dauersommer herrschte und wie wir alle wussten, waren die Witterungen dort nicht sehr ausgeprägt. Erschrocken zuckte ich zusammen, als plötzlich ein komisches Knacken aus dem Wald kam, der in dieser Welt ganz neu erblühte und kaum so viel mitgenommen hatte, wie bei uns. "Das ist nur ein Tier, ihr Idioten." Nervös zuckte ich noch einmal zusammen und rückte ein Stück näher zu Michael, als auf einmal die große Holztür aufsprang und eine Person hervorkam, die ich auf jeden Fall schon einmal gesehen hatte. Die dunkelblonden Haare und die stechend blaue Augenfarbe hatte ich auf dem kleinen Foto gesehen, dass Tiana uns gezeigt hatte. Und obwohl seine Haare wahrscheinlich ein wenig länger geworden waren und nun ein Bart sein Gesicht zierte, war ich mir ziemlich sicher, dass er es sein musste. Es war wirklich der junge Zauberer, den wir seit den ersten Tagen finden wollten. Der Grund, warum wir in dieser Situation waren und so etwas wie eine Parallelwelt erleben durften. Es war wirklich Josh, Nelas großer Bruder, der sie viel zu früh verlassen hatte, um die Welt zu retten. Das Problem war nur, dass er keineswegs wie ein Superheld aussah, der die Welt gerettet hatte und für immer für seine Taten gefeiert wurde. Es schien eher so, als würde er es bereuen, vielleicht nicht die Welt gerettet zu haben, aber seine Familie hintergangen und seine kleine Schwester alleine gelassen zu haben, vielleicht bereute er sogar unsere Leben ungefragt erschwert zu haben. In seinen Augen lag so viel Schmerz und Unsicherheit, was zu steigen schien, als er uns erkannte. Er wusste genau, wer vor ihm stand.

"Was macht ihr hier? Warum hast du sie hierher gebracht? Reicht es dir etwa immer noch nicht?", sprach er mit kalter Stimme, die mir eine unangenehme Gänsehaut verpasste, besonders als er nur Tiana ansah und Worte an sie richtete, die zeigten, dass sie sich kannten. Ich wusste, dass Tiana nicht ehrlich gewesen war, aber das wirklich alle ihre Gründe gespielt waren, wäre mir nie eingefallen. "Ich habe dir doch gesagt, ich finde einen Weg zurück!", rief sie lauter und kam den verwirrten Mann näher, während sie schelmisch grinsend auf uns deutete. "Was für ein Spiel wird hier gespielt, Tiana?" Seufzend stoppte sie in ihrer Bewegung, bevor sie sich zu Manu umdrehte und mit voller Absicht mit den Augen rollte. "Gott, habt ihr wirklich gedacht, das alles war ein Zufall? Ich wusste genau, wer ihr wart, als wir uns in der Bibliothek begegnet sind. Ich habe euch rasch aufgesucht und völlig manipuliert mit irgendeiner Geschichte, die ihr einfach geglaubt habt. Es war viel zu simple." "Denkst du wirklich, wir wussten nicht, wie falsch du bist? Wir haben dich doch auch nur benutzt, um ihn zu treffen! Was willst du schon tun? Uns für immer hier lassen? Nur mal so zur Erinnerung, wir sind zu viert!", sprudelte es einfach so aus Manu heraus, der sichtlich wütend auf das Mädchen war, das uns blind ausgenutzt hatte. Trotz allem stimmte das nicht wirklich, was er von sich gab. Wir wussten zwar, dass man ihr nicht trauen konnte, weil irgendetwas komisch an ihr war, aber wir waren trotzdem mitgekommen, aus welchem Grund auch immer. Außerdem hätte niemand von uns gedacht, dass die Geschichte, die sie uns von Anfang an aufgetischt hatte, eine blanke Lüge gewesen war. Niemand hätte gedacht, dass sie genau wusste, wer wir waren. Niemand hätte gedacht, dass kein Wort aus den letzten Wochen oder sogar schon Monaten gestimmt hatte. Drohend kam sie einen Schritt näher auf Manu zu und schien endlich das erste Mal ihr wahres Gesicht zu zeigen. Sie war nie ein Engel gewesen, aber das hier übertraf alle meine Erwartungen. "Drohst du mir etwa, Kumpel?", zischte sie kalt und schien Manus Wutausbrüche nun nicht mehr so witzig zu finden, "Nur weil ihr zu viert seid, heißt das noch lange nicht, dass ihr etwas gegen mich ausrichten könnt. Es gewinnt immer der Schlauste und nie der dümmliche Starke."

"Tiana, du musst das hier endlich aufgeben! Ich habe dir nichts getan, zumindest nicht wissentlich! Ich werde dich wieder verbannen müssen und dieses Mal findest du keine neuen Gefährten, die dich hierher bringen." "Ich werde nie vergessen! Ich habe dir doch versprochen, ich werde zurückkommen.", redete sie weiter und schien ihre bedingungslose Wut nicht mehr bändigen zu können, "Und dieses Mal solltest du besser aufpassen. Man sollte niemanden ausschließen, der etwas hat, was man zurückhaben möchte." Verwirrt folgte ich ihren Worten und verstand nicht, was sie damit sagen wollte. Was sollte sie schon besonderes besitzen, das Josh gehörte, wenn sie ihn doch schon länger nicht mehr gesehen hatte? Es war nur eins klar, sie meinte jedes ihrer Worte todesernst, weshalb ich mich innerlich wunderte, was er ihr angetan hatte. Es muss etwas so schmerzhaftes gewesen sein, sodass sie an nichts anderes mehr als pure Rache denken konnte. Ängstlich blitzten meine Augen auf, als Tiana grinsend in ihre Tasche griff und ein so hell leuchtendes blaues Glas hervorholte, sodass es mich fast schon blendete. Und als sie genau dieses willensstark auf mich richtete und mein Körper sich unangenehm in sich zusammenzog, realisierte ich schließlich, was sie vorhatte. Ich wollte laut schreien und die anderen warnen, aber der ungewöhnliche Schmerz fuhr so stark durch meinen Körper, sodass ich meinen Mund nicht öffnen konnte. "Tiana, damit wirst du nicht durchkommen!", nahm ich Joshs erschrockene Stimme geradeso wahr, doch wusste genau, dass sie es schaffen würde. Langsam öffnete ich meine Augen, als der Schmerz sich schlagartig aufgelöst hatte und sich eine schreckliche Leere in mir ausbreitete. Ich wusste genau, dass sie es mir genommen hatte. Dort war keine Verbindung mehr zu dem Wasser, keine einzige. Verletzt blickte ich in Michas eisblauen Augen, während er panisch auf mich einredete, was genau sein Fehler gewesen war. Tiana stand schon hinter ihm und tat ihm das gleiche an, wie mir. Keuchend hielt er sich an mir fest, während das braune Glas ihm nun auch das einzige nahm, was uns in den letzten Monaten verbunden hatte. 

Manu und Patrick schienen endlich zu verstehen, was hier geschah und wollten sofort eingreifen und versuchen, sie zu stoppen, doch auch das hatte sie durchdacht. "Kein Schritt näher oder das Wasser-Element ist für immer verloren!", schrie sie laut auf und hielt das blaue Glas so, als würde sie es jederzeit mit aller Kraft auf den Boden werfen, bis es in tausend Teile zerschmetterte. Panisch stoppten sie sofort in ihrer Bewegung und auch Josh stellte sich schützend vor das Mädchen, als wäre sie eine heilige, während Micha wieder zu sich kam und ich ihn nur niedergeschlagen in eine Umarmung zog. Rasch versuchte ich Manu zu zeigen, dass er rennen sollte, irgendwo hin, nur damit sie ihn nicht auch noch bekam, doch gerade als er das verstanden hatte, holte sie schon das rote und das weiße Glas hervor und die beiden gingen auch schmerzerfüllt zu Boden. Belustigt schnaubte sie nur und wirkte so, als hätte sie sich gerade den schwächsten Gegnern gestellt und wahrscheinlich war das auch so. "Ist das nicht schön? Nun seid ihr endlich frei und könnt euch wieder euren Kinder-Problemchen stellen. Aber ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, wie ihr ohne irgendeine besondere Kraft zurückkommen sollt, wie schade." "Du bist eine dreckige Verräterin!", schrie Michael sich plötzlich lauthals aus der Kehle, nachdem er sich wieder von mir gelöst hatte. Für einen kurzen Moment starrte sie Micha nur an und schien kurz ihre Rolle vergessen zu haben, doch dann bildete sich wieder ein gehässiges Grinsen auf ihren Lippen, das mich angeekelt zur Seite schauen ließ. "Lieber Verräterin als Verliererin. Verabschiedet euch außerdem schon einmal von eurer Heimat. Ich habe meinen Plan geändert und möglicherweise wird Winsen nicht mehr existieren, wenn ihr überhaupt jemals zurückfindet!" 

Bedrohlich trat sie Josh wieder ein paar Schritte näher, der nur nachdenklich das Kinn in die Höhe gestreckt hatte und jede Möglichkeit hätte, sie irgendwie zu überwältigen, egal ob die Elemente dabei verloren gingen. Jetzt ging es hier nicht nur mehr um die Kräfte, sondern um mehrere unschuldige Menschenleben, das Leben seiner Schwester eingeschlossen. "Und mal sehen, wie es deinem Schwesterchen so ergehen wird. Für dich gelebt und für dich gestorben, wie tragisch.", zischte sie drohend, während sich langsam Tränen in seinen Augen bildeten, wahrscheinlich hatte sie endlich seinen wunden Punkt für ihre Rache getroffen. Überrascht beobachtete ich, wie er zum Angriff ansetzte und sie wirklich überwältigen wollte, doch im letzten Moment zögerte er, weswegen sie sich kein Stück bewegt hatte und leise auflachte. "Und noch heute ist dir die Magie wichtiger als deine eigene Schwester. Du wirst bereuen, mein Leben ruiniert zu haben!" Ehrfürchtig fiel Josh in sich zusammen, während Tiana nur leise mit dem Kopf schüttelte, sich noch einmal kurz zu uns umdrehte, provokant die Gläser aus ihrer Tasche zog und still etwas flüsterte. Sofort löste sie sich einfach auf, was dafür sorgte, dass es ganz still um uns wurde. Wir hatten völlig versagt und konnten an nichts anderes mehr denken, als an Winsen, unser Zuhause. 


"Warum hast du nichts gemacht, hm?! Was hast du ihr angetan?! Was soll das alles? Rede doch endlich, verdammt nochmal!", schrie sich Manuel die Stimme aus dem Hals, weshalb Josh ihn nur ausdruckslos anstarrte. Manu drehte gerade völlig ab und schien vor Wut und Angst kurz vor einem Nervenzusammenbruch zu stehen. Plötzlich schubste er Josh ein Stück zurück, weswegen Patrick rasch aufstand und ihn festhielt, bevor er noch mehr anrichten konnte. "Sie will Winsen zerstören, habt ihr das nicht gehört?! Unsere Familien, unsere Schule! Das ist unsere verdammte Heimat!", rief er weiter, weswegen auch mir die Tränen in die Augen stiegen und Patrick Manu einfach wortlos in eine Umarmung schloss. Dieser ließ sich einfach darauf ein und fing leise an, zu schluchzen, so als wäre nichts zwischen den beiden passiert. Wir waren völlig aufgelöst. Wir waren völlig alleine. Und das schlimmste war, wir konnten nichts mehr tun. Rein gar nichts. 




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Und, hat sich das schon jemand gedacht oder kommt Tianas Verrat sehr überraschend? xD


Ich kann euch jetzt übrigens sagen, dass ich die letzten Tage sehr fleißig gewesen bin und alle restlichen Kapitel geschrieben habe! Ein Teil muss nur noch mal überarbeitet werden und dann war es das wirklich. Und das macht mich verdammt traurig :(
Der Epilog ist übrigens länger als erwartet, also ehrlich gesagt SEHR lang, aber da werdet ihr euch bestimmt nicht beschweren xD Es musste einfach viel gesagt werden und ich denke auch, es wird euch einfach interessieren, wie die Zukunft dieser Charaktere aussehen wird. Ich bin schon sehr gespannt, was ihr davon halten werdet hahah



Life_17194, der 08.04.2022



Erde, Wasser, Luft und Feuer | Kürbistumor & ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt