83.

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PoV. Maurice

Schweratmend zuckte ich stark in mich zusammen, als der laute Knall neben uns ertönte und ich Micha und Tiana für einen Moment aus den Augen verloren hatte. Schließlich atmete ich aber wieder erleichtert aus, als Tiana ihn glücklicherweise verfehlt hatte, da das laute Geräusch von Patricks kleinen Böller sie dazu verleitet hatte, ihre Konzentration zu verlieren. Das gute an all dem war, dass wir nach diesen zwei Monaten genauso gut wie sie wussten, wie diese Kräfte funktionierten, die sie uns gestohlen hatte und das konnten wir gegen sie verwenden. "Du A*sch hast mich belogen!", schrie sie wutentbrannt, als sie uns erkannt hatte und blickte gleich danach zu Michael herunter, der immer noch auf dem dreckigen Boden saß, während er sich langsam immer weiter von dem zornigen Mädchen wegbewegte. "Denkst du wirklich, wir sind so einfach zu besiegen?!", kam es ziemlich laut von Manu, was sie nur dazu brachte, sarkastisch zu lachen. Etwas unbeholfen erspähte ich, wie der Böller langsam ausging und freute mich gerade sehr darüber, dass wir uns dazu entschieden hatten, Tiana auf den Berg im West-Wald zu locken und nirgendwo hin, wo uns andere beobachteten konnten. Es war zwar sehr riskant gewesen, dass in der Nähe von Nelas Hütte abzuhalten, aber schließlich hätte Micha jetzt tot sein können, wenn wir nicht so schnell dagewesen wären. "Wisst ihr was? Ich werde mich keine Sekunde weiter mit euch herumschlagen! Ihr werdet einfach zusammen mit diesem besch*ssenden Ort untergehen!", drohte sie uns mit ernstem Gesichtsausdruck, während ich nur mit der Stirn runzelte und mich fragte, woher wohl dieser starke Hass gegen Winsen kam. Sie hatte keinen Grund, Winsen zu hassen, schließlich hatte ihre Familie diesen Ort geliebt und war nur wegen Joshs Tricks fortgegangen. 

Interessiert schaute ich auf, als Nela plötzlich auf sie hinzuging und wahrscheinlich vorhatte, sie zu überwältigen, aber leider war das Mädchen nicht dumm. Sie schien das genau kommen gesehen zu haben, weil sie mit einem Mal eine überaus große Feuerwand erscheinen ließ, die mir den Atem raubte. Sie hatte wirklich Manus Kräfte in sich und das bedeutete, sie hatte auch meine. Sofort versuchte Nela die Wand mit ihren eigenen Mitteln zu durchbrechen, aber genau in dieser Sekunde ließ Tiana sie fallen und nutzte Nelas abgelenkte Haltung, um ihre nahezu perfekt kontrollierten Eiskräfte zu nutzen. So als wäre es das einfachste der Welt vereiste sie plötzlich Nelas Füße zusammen mit dem kalten Boden, der immer noch mit einer sehr leichten Schneeschicht bedeckt war, die an den meisten Stellen aber schon weggeschmolzen war. Tiana konnte nicht nur bis zur Perfektion mit ihren Kräften umgehen, sondern hatte gerade außerdem das Glück, dass auch noch die perfekte Jahreszeit für sie herrschte, die ihr das meiste nur noch mehr erleichterte. Es schien so, als wäre alles makellos geplant gewesen. 
Gerade wollte Nela wieder mit einem nächsten Zauberspruch angreifen, aber das Mädchen war schließlich doch schneller gewesen. Mit einem siegessicheren Grinsen auf den frostigen Lippen fror sie auch noch Nelas Hände zusammen, sodass es schlicht unmöglich wurde, weiter zu kämpfen. Entsetzt starrte sie auf ihre eiskalten Hände, die sie ungewöhnlich zittern ließen, während sie vergeblich versuchte, sich von dem harten Eis zu befreien. "F*ck!", fluchte sie laut, was für uns bedeutete, dass es nun an uns lag, wir hatten keine Rückendeckung mehr. Am liebsten hätte ich ihr schon vorher geholfen, aber Nela hatte uns strengstens verboten, einzugreifen. Sie wollte es erst alleine versuchen, da wir nun einmal keine Kräfte mehr hatten, aber jetzt war es an der Zeit, diesen Kampf zu beenden.

"Wann versteht ihr endlich, dass ihr verloren habt?" "Und wann verstehst du endlich, dass wir nicht aufgeben werden? Das hier ist unsere Heimat!", zischte Patrick etwas wütend, während er einen großen Schritt auf sie zuging. Prüfend schielte ich einmal zu Michael herüber, der glücklicherweise wieder aufgestanden war und keinen Schaden davon getragen hatte. Etwas zögerlich lächelte ich ihn noch einmal an und nahm danach all meinen Mut zusammen, sodass ich neben Patrick hervortreten konnte und die ungefragte Vorlage nutzte, die er mir unbeabsichtigt gegeben hatte. Ich wusste, dass ich mich möglicherweise in Gefahr bringen musste, aber die einzige Chance, die wir hatten, war nun mit Worten zu kämpfen und sie zur Vernunft zu bringen, obwohl es so aussichtslos erschien. Vielleicht war das sogar die viel bessere Lösung, als überhaupt erst einen Kampf zu beginnen, der nichts als nur Unheil brachte und beide Seiten nur noch mehr verletzte. Am Ende würde man hier entweder als Verlierer oder als Gewinner herausgehen, aber hatte einer der beiden Seiten wirklich mehr Glück? War es richtig, sich zu freuen und sich überlegen zu fühlen, wenn man andere Menschen so sehr verletzt oder vielleicht sogar ausgelöscht hatte? Schließlich wussten wir alle nur allzu gut, dass Krieg in dieser halbherzigen Welt vorher nie irgendetwas geändert, geschweige denn verbessert, hatte. Am Ende gab es nur noch mehr Hass und Elend als zuvor, weil man entweder durch puren Hass andere getötet hatte oder daran letztendlich gestorben war. Nichts daran war bedeutungsvoll. Nichts daran war ehrenhaft. Es zerstörte nur völlig gebrochene Herzen, bis sie nicht mal mehr zu schlagen versuchten. 
"Und es ist nicht nur unsere Heimat, sondern auch deine.", sprach ich mit direkter Stimme und versuchte sie daran zu erinnern, wie viel wir gemeinsam hatten, auch wenn es nur der Fakt war, dass wir beide Menschen waren, deren Herzen circa 60-90 mal pro Minute schlugen. Menschen, die genauso ungefragt auf diese Welt gekommen waren. Doch trotzdem schüttelte sie nur hysterisch mit dem Kopf. "Hör auf mir irgendetwas einzureden, verdammt!", schrie sie laut und wollte mir einfach nicht zuhören, während sie ihre Arme bedrohlich in die Höhe streckte, "Es ist vorbei!" Groß wurden meine Augen, als sie starr auf den großen Platz von Winsen herunterschaute, welchen man genau von diesem Berg aus erspähen konnte und sie sichtlich ihre Kräfte nutzen wollte. "Halt!"

Erde, Wasser, Luft und Feuer | Kürbistumor & ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt