56.

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PoV. Michael

Gedankenverloren kaute ich angestrengt auf meiner Unterlippe herum und beobachtete gleichgültig das Plakat, das ich schon seit ein paar Minuten einfach anstarren musste. Das Herbstfest stand mal wieder an und die meisten Schüler*innen sorgten sich schon darum, ein Date zu bekommen. Eigentlich war unser alljähriges Herbstfest so etwas ähnliches, wie die Prom in Amerika, nur das niemand seinen Abschluss geschafft hatte. Wir feierten das Ende des Herbstes oder den Anfang des Winters und hatten noch eine schöne Feier, bevor die Ferien bald vor der Tür standen. Die meisten liebten dieses Fest und ich verabscheute es einfach nur, da ich auch noch nie ein Date gehabt hatte, sondern meistens mit Matheo und Tom versuchte, in die Getränke etwas Alkohol zu mischen. Da ich aber nichts mehr mit den Beiden Idioten zu tun hatte, gab es auch keinen Grund für mich dorthin zu gehen. "Na, mit wem gehst du hin?", hakte Patrick nach, der sich gerade zu mir gesellt hatte und das kitschige Plakat nun auch stolz betrachtete. Kopfschüttelnd versuchte ich dieser Frage aus dem Weg zu gehen und entschied mich den Spieß einfach umzudrehen. Patricks Liebesleben war definitiv interessanter als meins. "Die Frage ist eher mit wem du hingehst? Mit deiner offiziellen 'Freundin', die du aber eigentlich gar nicht auf diese Weise leiden kannst? Oder mit dem Jungen, der zwar deine kleine Affäre ist, aber dir wenigstens mächtig den Kopf verdreht?", kam es spöttisch von mir, um ihm auch ein wenig unterschwellig zu zeigen, dass er endlich mit ihr Schluss machen sollte, damit er glücklich werden konnte.

Seufzend drehte Patrick seinen Kopf zu mir und ich konnte genau sehen, dass er sich zuerst ein bisschen umgeschaut hatte, um zu checken, ob das vielleicht jemand gehört haben könnte. "Er ist nicht meine Affäre.", hauchte er leise und wollte anscheinend nicht, dass ich Manu so betitelte. "Rumknutschen ist auch betrügen, Kumpel." "Gott, das weiß ich ja. Es ist nur kompliziert. Ich werde noch mit ihr Schluss machen.", entgegnete er mir genervt und schien nicht mehr über das Thema reden zu wollen. Ich verstand, dass die Situation für ihn schwer war, aber eigentlich verletzte er nur jeden um sich herum. Alessa wurde hintergangen, Manu hielt das nicht für immer aus und er wollte doch auch einfach nur offen damit umgehen können. "Du weißt aber schon, dass du ihm damit wehtust, oder?", hakte ich nochmal nach, um endlich an Patricks Schuldbewusstsein zu kommen und das konnte man nun einmal am besten mit Manu ködern. Nachdenklich blickte er mich kurz an, bevor er nur schweigend zu Boden schaute und sich wohl wirklich darüber Gedanken machte. "Und um deine Frage zu beantworten. Ich werde nicht hingehen.", meinte ich noch zu ihm, um dann endlich verschwinden zu können.

Still schlenderte ich durch die Gänge der Schule und versuchte die ganzen Plakate auszublenden, die mich nur unter Druck setzten und meine Frustration zum Vorschein brachten. Jedes Jahr war es immer wieder das Gleiche, doch dieses Mal schien es mich noch mehr von Innen zu zerfressen. Dieses Fest brachte einfach immer Unglück in mein Leben. Jedes Mal musste ich meiner Mutter erklären, dass ich kein Date hatte, weil ich nicht daran interessiert war. Aber nur ich wusste, dass das nicht so war, weil ich es nicht wollte, sondern nur weil es nie jemanden in meinem Leben gab, den ich dazu einladen könnte. Niemand schien einfach mein Interesse zu wecken, was einem noch mehr das Gefühl gab, von innen tot zu sein. Das brachte Manus Spitznamen für mich nur noch mehr zur Geltung. Frustriert ließ ich meinen Blick durch den Gang schweifen und erblickte dann sofort Maurice, der gedankenverloren seine Bücher durchsuchte und sich anscheinend für die nächste Stunde vorbereitete. Aus meinem ernsten Gesichtsausdruck wurde in sekundenschnelle ein warmes Lächeln, was mich rasch wieder gut fühlen ließ. Entschlossen lief ich auf ihn zu, um endlich wieder mit ihm reden zu können, nachdem wir das ganze Wochenende durchgeschrieben hatten. Doch als ich nur noch wenige Meter von ihm entfernt war, tippte ihn plötzlich dieses Mädchen an, das er immer als seine beste Freundin betitelte.
Sofort wurde mein Gesichtsausdruck wieder kalt und ich beobachtete fesselnd, wie sie sich nervös durch ihre langen Haare fuhr und ihm ein kleines Geschenk überreichte. Jeder Mensch konnte erkennen, dass das zarte kleinere Mädchen etwas für Maurice übrig hatte, nur er schien das einfach nicht zu verstehen. Das Glitzern in ihren Augen verriet sie auf der Stelle und deutete auf tiefere Gefühle als Freundschaft hin. Mein Blick verfinsterte sich immer mehr und ich spürte ein ungewohntes Gefühl, das ich noch nie verspürt hatte. So richtig konnte ich es nicht einordnen, aber es ließ meine Laune noch weiter in den Keller sinken. Wütend beobachtete ich, wie Maurice etwas zu ihr sagte und sie ihn dann freudig umarmte. Schnell legte er das kleine Geschenk in seinen Spind, während sie ihn endlich verließ und sich zu ein paar anderen Mädchen gesellte. Aufgeregt erzählte sie ihnen etwas, was sofort darauf deutete, dass sie Hals über Kopf in ihren besten Freund verliebt war.

Etwas genervt ging ich schleunigst auf ihn zu und lehnte mich gelassen an einen Spind neben mir, um wahrscheinlich wieder etwas cooler zu wirken. "Was war das eben?", hakte ich vielleicht etwas zu harsch nach, weshalb Maurice sich nur verwirrt zu mir umdrehte. Seine gelb-grünen Augen fixierten mich sofort und strahlten pure Verwirrung aus. "Was meinst du denn?" Seufzend deutete ich auf das schwarzhaarige Mädchen, das nun bei ihren Freundinnen stand und bis eben noch bei ihm gewesen war. Innerlich versuchte ich langsam ein wenig herunterzukommen, damit nicht auffiel, dass mich das Szenario eben sichtlich wütend gemacht hatte. "Ach so. Zofia hat mich nur gefragt, ob wir zusammen zum Herbstfest gehen.", erklärte er mir, als wäre es das Normalste der Welt. Das stechende Gefühl von eben kam zurück und schien sich nur noch weiter in mir auszubreiten. "Und gehst du?", hauchte ich dieses Mal etwas zurückhaltender. "Natürlich. Sie ist meine beste Freundin, das weißt du doch." Seine Worte versetzten mir einen Stich ins Herz, was ich aber so gut es ging ignorierte und durch pure Wut austauschte, das Gefühl, das sowieso immer Besitz von mir ergriff. "Du weißt schon, dass das ein Date ist, oder?", entgegnete ich ihm wieder etwas harscher, was er aber nur mit einem Lachen kommentierte. "Nein! Niemals!" Schleunigst kochte meine Wut über und ich konnte einfach nicht mehr verstehen, warum er nicht erkannte, dass sie mehr für ihn empfand. "Maurice, sie steht auf dich!", rief ich deswegen etwas lauter und man hörte sofort die Wut aus meiner Stimme heraus.

Entsetzt starrte er mich an und schien sich nun auch nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Schnell schlug er seinen Spind zu, weshalb ich etwas zusammenzucken musste. Überrascht von seiner Reaktion ging ich vorsichtig einen Schritt zurück. "Auch wenn es so wäre, was interessiert dich das?", kam es provokant von ihm, weswegen ich nur eine Augenbraue in die Höhe zog. "Was? Wieso sollte mich das interessieren?", entgegnete ich ihm unwissend, weshalb er nur schmunzeln musste. Etwas verunsichert entspannte sich mein Gesichtsausdruck kurz, bevor ich ihn wieder genervt anschaute. "Sag du es mir." Eine unangenehme Stille breitete sich zwischen uns aus und ich wusste einfach nicht mehr, was ich darauf antworten sollte. Zu meinem Glück begrüßte uns Manu plötzlich, weshalb ich nicht mehr den Drang verspürte, ihm antworten zu müssen. "Was ist denn bei euch los?" "Maurice geht mit Zofia auf das Fest und will mir nicht glauben, dass das ein Date ist.", antwortete ich dem verdutzen Jungen, während ich meinen Blick nicht von Maurice löste. Dieser starrte mich auch nur weiter an und langsam wirkte es so, als wäre das hier ein Kampf darum, wer Recht bekam. "Ist es ja auch nicht!" Genervt rollte ich mit den Augen, während ich im Augenwinkel erkannte, wie Manu nur verwirrt zwischen uns hin und her schaute.



"Mit wem gehst du überhaupt hin?", hakte Maurice grinsend nach und dachte, dass er genau ins Schwarze getroffen hatte. Schnell bekam ich das Gefühl beweisen zu müssen, dass mich das alles wirklich nicht interessierte, da ich selbst ein Date hatte. "Ich muss sie noch fragen, aber sie wird schon 'Ja' sagen.", log ich also selbstsicher und wusste, dass ich damit definitiv hingehen musste. "Aha." Sofort versuchte ich Maurice' Blick zu deuten, doch erkannte da nichts Bedeutendes. Er blieb stark und wollte anscheinend nicht, dass ich wusste, was er darüber dachte. Genervt löste ich unseren Blickkontakt und bemerkte jetzt erst, was ich mir da eingebrockt hatte. Ich musste ein verdammtes Date finden.

Erde, Wasser, Luft und Feuer | Kürbistumor & ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt