14.

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PoV. Manuel

Verblüfft beobachtete ich Michael dabei, wie er Maurice grinsend seine Hand reichte, um ihm hoch zu helfen, damit sie sich endlich wieder auf den Weg in die Hütte begeben konnten. Schon gestern hatte ich mich gewundert, warum die beiden sich ganz plötzlich so gut verstanden und Maurice ihm schlagartig vertraute, was Patrick mir ja auch nicht erklären konnte. Maurice war eigentlich eine so vorsichtige Person, sodass ich niemals gedacht hätte, er würde Michael so schnell verzeihen, nachdem er ihn noch vor fünf Tagen verprügeln wollte. Ich konnte einfach nicht fassen, dass er so einem Menschen wie Michael eine zweite Chance gab, wahrscheinlich sogar ohne, dass er sich auch nur einmal entschuldigt hatte. Micha war einfach kein Mensch, der sich für seine Taten entschuldigte, er hatte keine Selbstreflektion. Irgendwie wollte mir der Gedanke nicht mehr aus dem Kopf gehen, dass zwischen ihnen noch etwas vorgefallen war, was Pat und ich nicht mitbekommen hatten und das sorgte für ein gewisses Unwohlsein in mir. Ich traute Michael kein bisschen und wusste genau, dass er den fröhlichen Blondschopf nur verletzen würde, komme was wolle. 

Tief atmete ich nochmals ein und aus, als ich wieder an der schäbigen Holztür angekommen war und diese Hütte ein weiteres Mal betreten musste, obwohl mir kein bisschen danach war. Ich hatte das Gefühl, mein Kopf würde jede Sekunde zerplatzen und obwohl das nicht das erste Mal so war, schnürte es mir den Hals zu und raubte mir den Atem. Ich wusste nicht wohin mit diesem inneren Stress, der mich zu zerfressen schien. Diese ganze Situation machte mich so sehr fertig, weil es einfach nur surreal war, dass so etwas wie Magie existieren sollte und dann auch noch in meinem eigenen Körper. Ich hasste mich trotz allem selbst dafür, dass ich mich nie unter Kontrolle halten konnte, besonders nachdem Michael mir mal wieder gepredigt hatte, dass ich nur schlechte Laune verbreitete und die anderen mit meinem Verhalten verrückt machte, aber ich wusste einfach nicht, wie ich dabei einen kühlen Kopf bewahren sollte.
Ruckartig öffnete ich zitternd die Tür, als Michael und Maurice bei mir angekommen waren und tat dabei so, als hätte ich nie gezögert, nicht mal für eine Sekunde. "Da seid ihr ja alle.", stellte Nela erleichtert fest, als wir die Hütte betreten hatten, aber ihre Worte klangen gleichzeitig auch etwas vorwurfsvoll, was mich leicht seufzen ließ, "Setzt euch."
Mit schnellen Schritten setzte ich mich sofort wieder neben Patrick, da ich dort auch schon vorher gesessen hatte, aber als er mir plötzlich näher kam und mir etwas ins Ohr flüsterte, hatte ich es gleich bereut. "Alles okay?" "Mir geht es gut.", entgegnete ich ihm kühl und spürte danach nur seinen skeptischen Blick auf mir, aber glücklicherweise konnte er nicht weiter nachhaken, da Nela rasch unser langersehntes Gespräch begonnen hatte. 

"Habt ihr ihn gelesen?", hakte sie vorsichtig nach, weswegen wir alle nur zustimmend nickten, "Gut und habt ihr vielleicht Fragen?" Leise seufzte ich nur und schaute kopfschüttelnd zu Boden, während mein Bein schon ganz von selbst unruhig hoch und runter wippte. Eigentlich wollte ich versuchen, mich unter Kontrolle zu halten, aber ihre unnötigen Fragen brachten mich zur Weißglut. Natürlich hatten wir Fragen, wahrscheinlich sogar tausende, aber ob sie die richtige Ansprechpartnerin war, bezweifelte ich stark. "Könntest du meine Fragen überhaupt beantworten? Seien wir mal ehrlich, du weißt doch genauso wenig über unsere neuen Kräfte wie wir.", erklärte ich mich selbstbewusst und verschränkte dabei genervt meine Arme vor der Brust. "Ja, was genau passiert ist, kann wohl nur Josh sagen, aber er ist ganz einfach nicht hier, um euch zu helfen. Ich dachte vielleicht nur, ihr würdet gerne wissen, wie es weiter geht.", antwortete Nela gereizt auf meine Frage, weswegen ich einfach nur still blieb und weiter zu Boden schaute. "Ich denke, wir alle würden gerne wissen, was jetzt unsere Aufgabe ist.", kam es ruhig von Patrick, was mich nur frustriert zu ihm herüberschauen ließ. Ich verstand einfach nicht, wie die anderen bei dieser Sache nicht ihre Nerven verlieren konnten. "Eigentlich nichts, zumindest erstmal." Verwirrt schauten wir alle zu der Blondhaarigen, während ich mich nur innerlich fragte, wann sie aufhören würde, in Rätseln zu sprechen. "Beruhigt euch. Ihr braucht ganz einfach mehr Kontrolle, bevor ihr irgendetwas tun könnt, und deswegen werde ich euch trainieren.", erklärte sie uns eindringlich, weswegen ich nur geschockt meine Augen aufriss. Niemals würde ich diese Kräfte wieder benutzen, egal ob für ein kurzes Training oder einen harten Kampf mit Voldemort. Dem war ich auf keinen Fall gewachsen. "Na ganz toll und was genau soll ich tun?", erkundigte sich Michael frustriert bei Nela, was mich nur mit den Augen rollen ließ. Ich an seiner Stelle, wäre einfach nur froh, noch normal zu sein, aber auf der anderen Seite war es auch gut, dass Michael noch keine mächtigen Kräfte besaß. Wahrscheinlich würde er uns alle nur damit umbringen. "Deine Kräfte werden sich noch ganz sicher befreien. Ohne Zweifel."

"Wie lange soll dieses Training denn ungefähr dauern?", hakte Maurice plötzlich interessiert nach und wechselte damit glücklicherweise das Thema. "Naja, ihr lernt etwas ganz Neues, was ihr nicht einmal richtig versteht. Also wohl mindestens ein paar Monate." Noch viel geschockter als zuvor blickten wir uns alle nur gegenseitig an und konnten kaum fassen, dass wir wahrscheinlich für immer, Zeit miteinander verbringen mussten, obwohl das niemand wollte. Dieser Schock saß sogar noch tiefer, als der, bei dem wir erfahren hatten, dass wir ein Projekt zusammen vorbereiten mussten. "Das heißt, wir sehen uns noch mehr als eh schon und das nicht nur für eine Woche, sondern für mehrere Monate oder wahrscheinlich für immer?", sprach ich wortwörtlich die harte Wahrheit aus und merkte kaum, wie sehr ich das ganze wieder über dramatisierte. "Ich weiß, ihr seid nicht die besten Freunde, aber was hast du bitte erwartet? Ihr seid nun ein Team. Ihr habt das gleiche Schicksal, vergesst das nicht!" "Was wäre, wenn wir uns weigern?", hakte Patrick ruhig nach, weshalb Nela nur genervt die Augen verdrehte. "Kinder, das hier ist ernst und es tut mir leid, dass ihr nie wieder ein normales Leben führen könnt, aber es ist jetzt so. Ich wünschte doch auch, Josh wäre noch hier und hätte das nie so regeln müssen.", versuchte sie uns schonend beizubringen, aber scheiterte kläglich, "Natürlich könnt ihr euch weigern, aber ihr schadet euch nur selbst. Ohne Kontrolle, keine Sicherheit. Es kann sein, dass ihr ganz normal in der Schule seid und plötzlich eure Kräfte nutzt, obwohl ihr das nicht wolltet. Was denkt ihr denn, was dann passiert? Sie werden denken, ihr seid Außerirdische!" Nach ihrem langen Monolog, war es wieder einmal völlig still um uns, da jeder darüber nachdachte, was wir jetzt tun konnten. Sie hatte aber leider Recht. Ohne sie waren wir aufgeschmissen und würden alle zusammen untergehen. Schließlich wussten wir gar nicht damit umzugehen.

"Also morgen um 10 Uhr?" Zögerlich nickte ich einfach und entschied das schließlich für uns. Wenn sich jemand doch dagegen entschied, konnte derjenige es immer noch morgen lassen, aber jetzt mussten wir erstmal zustimmen, wir hatten keine Wahl. "Und was ist mit dem Schulprojekt? Wir brauchen diese Note.", meldete sich Maurice noch zu Wort, weswegen ich nur leise auflachte. Wohl eher brauchten wir diese gute Note, aber er benötigte sie keinesfalls. "Ich werde mich darum kümmern. Gib schon her."


(...)


Schweigend fanden wir uns alle auf dem Rückweg wieder und konnten kein Wort über die heutigen Geschehnisse sprechen. Es war höchstwahrscheinlich erst Nachmittag, aber trotzdem war es so unglaublich bedrückend zwischen uns, als wären wir alle mitten in der Nacht geweckt wurden. Als wir schließlich an der Bushaltestelle ankamen, änderte sich auch nichts daran. Nur Michael störte die langanhaltende Stille und rief rasch einen seiner Fußballfreunde an, um sich von ihnen abholen zu lassen. Die ganze Fußballmannschaft war mir schon immer suspekt gewesen, weswegen ich nur genervt schnaufte, als sie lautstark hier angekommen waren. Sie lebten sowieso immer im Rampenlicht, weil man ganz einfach als Sportler in der Beliebtheitskette ganz oben stand, was dafür sorgte, dass ich ihnen nicht über den Weg traute. Obwohl Patrick theoretisch auch zu ihnen gehörte, hatte ich bei ihm ein ganz anderes Gefühl, was aber wohl daran lag, dass wir mal befreundet waren. 
Trotzdem sollte ich nicht mehr darüber nachdenken, da ich momentan wohl ganz andere Prioritäten hatte, als die blöde Fußballmannschaft, die sich immer in den Vordergrund drängen musste. Mein Leben war seit heute völlig auf den Kopf gedreht wurden und obwohl es sich nicht so anfühlte, hatte sich viel zwischen Michael, Maurice, Patrick und mir geändert. Wir wussten, dass dort nun mehr war, als ein einfach Schulprojekt. Wir wussten, dass wir uns nun gegenseitig brauchen würden, obwohl wir das nicht wahrhaben wollten.




Und als Michael schließlich mit einer gespielten Gleichgültigkeit verschwand und kurz danach der Bus angefahren kam, schien für einen kurzen Moment alles wieder so wie vorher zu sein. Doch nun war einfach alles anders, und das würde sich zweifellos auch erstmal nicht mehr ändern.

Erde, Wasser, Luft und Feuer | Kürbistumor & ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt