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PoV. Maurice

Erschöpft begab ich mich nach den vielen langen Stunden Unterricht zu meinem Spind. Der Tag heute war unglaublich anstrengend gewesen, weil ich auch noch die ganze Zeit an die nächste Woche denken musste. In einer Gruppe mit Patrick, Manuel und... Michael zu sein, war so verrückt und würde mein Untergang werden, wenn ich mich nicht richtig verhielt. Michael war der größte Schlägertyp der Schule, Patrick war unglaublich beliebt und Manuel war irgendwie angsteinflößend. Meine Gedanken wurden rasant gestoppt, als mich jemand an der Schulter packte und mich kurz danach brutal an die Wand drückte, weswegen meine Atmung sich verschnellerte und die lähmende Angst mich komplett einnahm. Sofort fixierten mich die eisblauen Augen von Michael, die mich bedrohlich beäugten, weshalb ich ihn nur etwas perplex anblickte. Ich hatte nämlich keine Ahnung, was er plötzlich von mir wollte, da er es noch nie auf mich abgesehen hatte und ich das auch eigentlich nie herausfordern wollte. "Na Spinner, hast du was für mich?", erkundigte er sich bedrohlich bei mir und drückte mich noch näher an die kalte Wand, was mich kurz zusammenzucken ließ. Ich fragte mich wirklich, wie man an seinem eigenen Geburtstag so schlecht gelaunt sein konnte.
Als Antwort schüttelte ich nur ängstlich mit dem Kopf und hoffte, dass ihm das reichen würde. Sofort kam mir in den Sinn, dass er mich doch jetzt auf jeden Fall schlagen würde, weswegen ich meine Augen vorbereitend zukniff, doch zu meiner Verwunderung passierte lange Zeit gar nichts, was mir irgendwie Mut schenkte. Also öffnete ich meine Augen vorsichtig wieder und sah rasch in seine, die mich plötzlich nicht mehr so wütend anfunkelten. Er hatte schöne Augen, das musste ich ihm lassen und mich ließ das Gefühl nicht mehr los, dass nicht nur Böses in ihm steckte, wie es sonst immer wirkte. Es sah eher nach Schmerz aus, weshalb er mir in diesem Moment wirklich Leid tat, obwohl ich wohl in dieser Position anders über ihn denken sollte. Urplötzlich entspannte sich sein Blick und sein Griff an meinen Schultern lockerte sich etwas, was mir den Atem raubte. Es fühlte sich irgendwie so an, als könnte er durch mich hindurchsehen. Nach weiteren fünf Sekunden verfesterte sich sein Griff an meinen Schultern auf einmal wieder, bevor er nochmals kurz nachdenklich zu Boden sah und dann doch zum Schlag ansetzen wollte, bis eine bekannte Stimme ertönte und ihn davon abhielt.

"Ich schwöre dir Michael. Ich mache dich bald richtig fertig, wenn du ihn nicht loslässt!" Schnell erkannte ich, dass es Manuel war, der nun langsam auf uns zukam und mich aus irgendeinem unbekannten Grund retten wollte. Michael aber, lachte ihn nur aus, weshalb der Blick des Grünäugigen gleich ernster wurde. In Sekundenschnelle sprintete er auf ihn zu und schubste ihn leicht von mir weg, weshalb ich aus Michaels starken Griff befreit wurde und gleich ein paar Schritte zurückwich. Der Braunhaarige wollte gerade zum Schlag ansetzten, doch schon wieder störte jemand das schreckliche Szenario. "Lass gut sein, Manuel...", meinte Patrick gelassen und kam auf uns zu, "Ich kümmere mich schon um ihn." Zu meiner Verwunderung tat Manuel genau das, was Patrick sagte und trat von ihm weg. Verwirrt schaute ich zwischen den Dreien hin und her und fragte mich, was hier eigentlich gerade geschah. "Wir müssen uns jetzt langsam sowieso vertragen. Jeder von uns will doch die nächste Woche überleben, oder?", fügte Patrick noch hinzu, weshalb Michael genervt seine Augen verdrehte und ich daraufhin einfach nur zustimmend nickte. Der Schock von eben saß noch viel zu tief, was mir noch die Sprache verschlag. Ich hatte wirklich keine Ahnung, was er von mir wollte, aber ich schätzte einfach, dass es Frust war. Frust auf Manuel, Patrick und mich. Frust auf diese unglaublich unangenehme kommende Woche. Niemand von uns wollte das. Niemand von uns hatte sich das ausgesucht, aber Pat hatte auf jeden Fall Recht. Wir mussten diese Woche einfach überleben. Miteinander.

"Na komm, Micha..." Patrick setzte sich in Bewegung und zog den wutentbrannten Michael hinter sich her, der mir noch einen unangenehmen Seitenblick zuwarf. Der Junge mit den schulterlangen braunen Haaren wollte auch sofort losgehen und mich hier alleine stehen lassen, doch ich hielt ihn sofort auf. "Manu, warte bitte!", rief ich ihm lächelnd zu und rasch drehte er sich schließlich verwundert zu mir um, "Danke, du bist echt cool." Zuerst dachte ich, er würde etwas darauf erwidern, aber dann drehte er sich einfach nur um und verließ schweigend das Schulgebäude. Schulterzuckend tat ich es ihm gleich und lief zur Bushaltestelle, während ich in Gedanken immer noch bei den vorherigen Geschehnissen war.


(...)


Fast waren wir schon bei meiner Straße angekommen, weswegen ich also kurzerhand den Stoppknopf drückte und mich wartend vor die Tür des Buses stellte. Im Rücken spürte ich sofort den stechenden Blick von Manuel, der sich sonst eigentlich nie für mich interessiert hatte. Der Bus hielt an der Haltestelle an und als die Türen geöffnet wurden, stieg ich, ohne noch etwas zu sagen, aus. Ich wollte ihn nicht schon wieder ansprechen, nur um ignoriert zu werden. Manuel konnte Menschen nicht leiden, was ich akzeptieren musste und auch echt verstehen konnte. Wir fuhren jeden Tag mit dem gleichen Bus und hatten bis heute noch nie ein Wort miteinander gewechselt, was irgendwie komisch war, wenn man bedachte, dass wir viele Kurse zusammen hatten. Mein Handy holte mich aus meinen Gedanken und als ich nachschauen wollte, wer mir schrieb, bemerkte ich schnell, dass ich eine Nachricht von Zofia bekommen hatte. "Was machen wir am Wochenende?" Sonst antwortete ich ihr immer sofort, doch heute war mir nicht danach. Schnell schaltete ich mein Handy also wieder aus und musste an Michael denken. Was war das für ein komischer Moment zwischen uns und warum hatte er mich nicht sofort schlagen wollen? So etwas war mir noch nie passiert, was mich stark beunruhigte. Ich hatte trotzdem das Gefühl, dass es ihm nicht gut ginge, aber das alles war doch keine Entschuldigung für das, was er allen immer antun musste.

"Hahah...nicht dein Ernst!", ertönte die laute Stimme meiner Schwester, weshalb ich jetzt erst aufschaute und bemerkte, dass ich schon Zuhause angekommen war und das fast nicht einmal bemerkt hatte. "Sina?!", rief ich unüberhörbar durch die Räume, als ich das Haus betreten hatte und dabei langsam meine Schuhe auszog. "Ja, Maurice? Wir sind im Wohnzimmer!" Mit schnellen Schritten betrat ich das Wohnzimmer und erspähte gleich meine jüngere Schwester mit einem mir nicht bekannten Mädchen auf unserer Couch sitzend. "Wo ist Luis?", hakte ich verwirrt nach, als mir auffiel, dass mein 9-jähriger Bruder hier nirgendwo zu sehen war, obwohl meine Schwester ihn heute eigentlich hätte mitnehmen sollen. "Bei seinem Kumpel. Wir durften ihn von Mama aus dahin bringen.", antwortete mir meine kleine Schwester zickig, was mir mal wieder den letzten Nerv kostete. Sie war einfach immer so anstrengend, wenn sie Freunde hier hatte und sich deswegen so aufspielen musste. "Okay...Ähm...Wer ist das?", stellte ich voller Verwirrung die nächste Frage, die mir auf der Zunge brannte. "Das ist Ronja. Meine neue Freundin. Eigentlich müsstest du ihren Bruder kennen. Er geht in deine Parallelklasse", erklärte Sina mir daraufhin genervt, "Michael".

Meine Augen weiteten sich rasant und mir klappte die Kinnlade hinunter, als ich seinen Namen heute erneut hören musste. Wahrscheinlich sah ich in diesem Moment ziemlich verrückt aus und ich hatte echt keine Ahnung, warum das alles auf einmal passierte. Egal, wo ich hinging, alles drehte sich um ihn, obwohl ich ihn kaum kannte und jetzt eigentlich nur sein Projektpartner war. Als ich dann bemerkte, dass meine Reaktion ziemlich peinlich gewesen sein musste, schloss ich meinen Mund schnell wieder und versuchte das bestmöglich zu überspielen. "Alles gut, Maurice?", fragte mich meine Schwester daraufhin belustigt, weshalb ich nur leicht nickte. Sofort drehte ich mich, ohne zu zögern, um und lief kopfschüttelnd in mein Zimmer. Ein lautes Lachen ertönte noch, bevor ich meine Tür zuschlug und diesen Tag am liebsten wieder vergessen wollte. Ich wusste einfach nicht, was mit mir los war.



Erschöpft legte ich mich auf mein Bett und versuchte mich ein wenig zu entspannen. Mir fiel nämlich jetzt erst auf, wie mir mein Herz vor Angst bis zum Hals schlug.

Erde, Wasser, Luft und Feuer | Kürbistumor & ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt