Prolog

1K 31 21
                                    

PoV. Manuel

"Tschüss Mama!"

Genervt nahm ich meinen Schlüssel in die Hand und zog die schwere Haustür hinter mir zu.
Angespannt warf ich sofort einen flüchtigen Blick auf meine schwarze Armbanduhr und bemerkte schnell, dass ich mich wirklich beeilen sollte. Mein Bus würde in vielleicht einer Minute schon an der Bushaltestelle von Winsen stehen. Biologie, Mathe, Mathe, Deutsch, Deutsch, Geschichte und Physik. Gleich sprang meine Stimmung noch mehr in den Keller, als ich meinen Stundenplan gedanklich durchging. Schon beim Aufstehen wusste ich, dass dieser Tag sch*iße werden würde, obwohl morgen endlich Wochenende war, aber diese Stunden waren einfach nur schrecklich.
Von Weitem sah ich schon, wie der Bus an der Haltestelle stehen blieb und die vielen Leute sich schnellstmöglich in diesen hinein drängelten. Mein Gang verschnellerte sich sofort, wie von ganz allein, damit ich nicht schon wieder den Bus verpassen würde, was in letzter Zeit öfter mal geschah. Geradeso schaffte ich es dann noch einzusteigen, bevor der Busfahrer mit einem Knopfdruck die großen Schiebetüren schloss. Nur wurde es auf einmal komplett still, als ich mit einem Schritt in den Bus einstieg. Fast alle Blicke richteten sich auf mich. Manche sahen mich angewidert an, manche voller Angst und manchen, war es wahrscheinlich dann doch egal. Genauso wie mir. Die Leute interessierten mich nicht wirklich. Eigentlich war das nie der Fall gewesen. Schon immer war ich eine Person, die es nicht interessiert hatte, was andere von einem dachten, was vom Vorteil war, wenn sie alles Mögliche von einem dachten. Freunde hatte ich dementsprechend auch nicht. Jeder ging mir meistens aus dem Weg, aber eigentlich mochte ich es so. So war alles viel einfacher. Diese ganzen Menschen machten mich verrückt. Sie wussten gar nichts über mich, taten aber so, als würden sie mich schon ewig kennen und als dürften sie mich dafür verurteilen. Jeder meiner Schritte wurde beobachtet und bewertet, mehr konnte man aber nicht von den Menschen erwarten.

Ganz gelassen schlenderte ich auf den noch einzigen freien Platz im Bus zu, der sich wohl oder übel neben Maurice Dormer befand. Sofort rollte ich mit den Augen. Dabei ging es eigentlich gar nicht um ihn persönlich, es hätte wirklich noch schlimmer kommen können, aber trotzdem wusste ich genau, dass er auch so über mich dachte, wie alle anderen.
Maurice war auch einfach eine ziemlich langweilige Person. Er sagte fast nie etwas und wirkte sehr schüchtern, weswegen er wohl auch immer von allen übersehen wurde. Eigentlich konnte er sich deswegen auch ziemlich glücklich schätzen. Vom Aussehen her, sah er gar nicht so schlecht aus. Mit seinen etwas längeren blonden Haaren und seinen gelb-grünen leuchtenden Augen, ließ er bestimmt ein paar Mädchenherzen höher schlagen. Dazu war er sogar noch ziemlich groß. Trotzdem war das einzige Mädchen in seinem Leben seine beste Freundin Zofia. Sie war sehr laut und nervig, aber er hielt es anscheinend mit ihr aus, obwohl man kaum gegensätzlicher sein konnte. Außerdem malte er fast durchgehend, genauso wie jetzt. In Kunst war er der Klassenbeste, wie auch in ein paar anderen Fächern, weswegen ich schon schätzte, dass er ziemlich schlau war.

Zuerst wollte ich einfach seine Tasche wegnehmen und mich dann wortlos hinsetzen, aber das Fünkchen Gute in mir meinte dann, dass ich ihn wohl oder übel "nett" fragen sollte. "Maurice?" Sein Blick richtete sich langsam auf mich und seine Augen wurden ungewöhnlich groß, als er verstand, wer ihn gerade angesprochen hatte, während mir ein leiser Seufzer entfuhr. "Kann ich mich da hinsetzten?", fragte ich gespielt nett, weshalb er zögernd nickte und dann kurzerhand seine Tasche wegnahm, damit ich mich endlich setzen konnte. Die Leute im Bus wurden daraufhin langsam wieder lauter und schienen sich nicht mehr für mich zu interessieren. Gelangweilt blickte ich auf die interessante Zeichnung von Maurice. Auf dem kleinen Papier war eine Person, die mutig irgendwelche Monster mit einem goldenen Schwert bekämpfte. Im Hintergrund erkannte man noch ein hübsches Dorf mit vielen Bäumen und Wäldern, was mich stark an Winsen erinnerte, der Ort, in dem wir alle lebten. Anscheinend wollte er ein interessanteres Leben oder er spielte einfach nur viel zu viel Minecraft in seiner Freizeit. "Was soll das sein?", hakte ich interessiert nach und tat grinsend so, als ob ich es nicht erkennen würde. Sofort schaute er mir wieder geschockt in die Augen und verdeckte sein gezeichnetes Bild mit seinen Händen. Verwirrt über seine Reaktion runzelte ich die Stirn. "Ich habe es sowieso schon gesehen, Maurice. Aber gut, verstehe schon." Er schluckte hart und packte seine Sachen schließlich schweigend in seine Tasche.

Erde, Wasser, Luft und Feuer | Kürbistumor & ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt