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Special: "Der Brief"


"Geliebte Nela,

Das, was ich dir jetzt sagen werde, ist wirklich wichtig. Du wirst bemerkt haben, dass ich euch verlassen habe, ohne ein einfaches Wort, aber es musste nun einmal so sein. Ich weiß, dass du das nicht verstehen wirst und wahrscheinlich werde ich es dir auch nie erklären können, aber du musst mir hier vertrauen. Ich schwöre dir, dass es nichts Wichtigeres gibt, als diesen Brief zu lesen, den jeder andere an deiner Stelle auf sofortigem Weg verbrannt hätte, aber du wirst das nicht tun. Du bist so nicht."


Konzentriert in die vielen lebenswichtigen Tests, die ich jeden Tag aufs Neue ausführen durfte, schlich sich ein kleines entspanntes Lächeln auf meine rauen Lippen. Es war immer noch eine Ehre für einen so jungen Zauberer wie mich, diese Arbeit ausführen zu dürfen und die Welt zu beschützen, die wir alle liebten, vielleicht sogar noch mehr als die gewöhnlichen Menschen. Schmunzelnd dachte ich daran, wie ich hierzu gekommen war und versuchte mir wieder einmal einzureden, dass das mein alleiniger Verdient gewesen war. Das Leben war nun einmal leichter, wenn man einflussreiche Eltern hatte, die einem theoretisch die Welt schenken konnten, aber trotz allem wollte ich immer daran festhalten, dass ich es auch so geschafft hätte. Dass ich auch so erfolgreich wäre und etwas erreichen würde.
"Und, Brüderchen? Wie steht es um die schöne Welt?", hakte meine kleine Schwester viel zu neugierig nach, während sie sich verbotenerweise an meine Seite drückte, um meine Arbeit leichter begutachten zu können. "Bis jetzt ganz gut.", erwiderte ich ihr lächelnd, doch ihr Blick war immer noch starr auf das alte Zauberbuch gerichtet, das am liebsten ihr eigenes wäre. "Ich hoffe, ich werde irgendwann auch mal so gut sein wie du und das hier machen dürfen.", flüsterte meine 13-Jährige Schwester leise, aber trotzdem noch so, dass ich jedes einzelne Wort verstehen konnte, das aus ihrem Mund kam. "Ich hoffe auch, Nela", kam es mindestens genauso leise von mir, bevor ich seufzen musste und nicht glauben konnte, dass ich ihr solche Hoffnungen machte. Unsere Gemeinschaft war strikt und unfair, weswegen sie als Frau niemals einen so wichtigen Job ausführen dürfte, aber davon hatte das kleine Mädchen noch keinen Schimmer. Unsere Eltern fanden, dass ich sie noch ein wenig träumen lassen sollte, aber irgendwie glaubte ich, dass sie das am Ende nur mehr verletzen würde. Nela war mit einer der besten in ihrem Alter und wenn man über diese unnötigen Regelungen hinweg sah, würde sie sofort eine Chance bekommen und es besser machen als ich, ohne die Hilfe unserer Eltern. Doch leider schien das Schicksal nicht auf ihrer Seite zu stehen.

Langsam schien sie wieder zur Besinnung zu kommen und verabschiedete sich schnell von mir, als sie bemerkt hatte, wie spät es schon war und dass sie definitiv zu spät zum Training kommen würde, wenn sie jetzt nicht losginge. Nachdem sie das Zimmer verlassen hatte, konzentrierte ich mich wieder auf meine Arbeit, die immer noch nicht beendet wurde. Der letzte Test des heutigen Tages stand noch bevor, was bedeutete, dass es Zeit für die vier Elemente war, die das Gleichgewicht der Welt hielten und dafür sorgten, dass die Welt stets lebendig blieb. Pflichtbewusst suchte ich sofort den dazugehörigen Zauber heraus und führte ihn selbstsicher durch, weil hier nie etwas schiefgehen würde. Doch als ich plötzlich einen Wert wahrnahm, der nicht der Richtigkeit entsprach, stockte mir der Atem und ich hatte das Gefühl, als würde sich alles in mir zusammenziehen. Immer wieder wiederholte ich meinen Vorgang, in der Hoffnung, dass ich einen Fehler gemacht hatte, doch es wollte sich einfach nichts ändern. Langsam bekam ich es mit der Panik zutun, weil so ein kleiner Fehler, gravierende Folgen für diese Welt mit sich ziehen würde. 


"Nela, es gab eine klare Unstimmigkeit in den Werten der vier Elemente, die unsere Welt zusammenhielten. Es schien so, als könnten sie sich schon bald selbst zerstören und dann gäbe es keine Rettung für unsere geliebte Erde. Nach einer gewissen Zeit informierte ich unseren Vater, doch er schien mir nicht zu trauen. Er stempelte es als unwichtig ab und wollte nicht einsehen, dass dieser eine kleine Fehler, alles verändern könnte. Er vertraute lieber auf die einfache Welt, die diesen Wert wohl nach einiger Zeit selbst verbessern würde, aber trotz allem war ich nicht überzeugt davon. Viel zu lange dachte ich daran und mir wollte dieses Thema einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen, sodass ich den Entschluss fasste und gegen die Regeln verstieß. Ich musste einfach, ich konnte nicht an einer Tragödie Schuld sein."


Erde, Wasser, Luft und Feuer | Kürbistumor & ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt