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Nefes

Fragend blickte ich zu der Ärztin und zu Azra. Als die Ärztin fragend und verwundert zu Azra blickte. In dem Moment fokussierte ich mich nur auf Azra und ihre Reaktion.
„Möchtest du mir deine Freunde nicht vorstellen?", fragte sie. Ich sah sie mir genauer an. Sie hatte langes schwarzes Haar und blaue Augen. Sie war sehr schlank und danach machte es Klick. Es könnte nur ihre Schwester sein.
Azra schaute sie nur an. Ich konnte sehen, wie gelebt sie war.
„Ich denke nicht, dass es nötig ist.", sagte Azra in einem monotonen Ton. Koray blickte fragend zu mir, weswegen ich nur mit meiner Schulter zuckte.
Savas saß sich auf den Stuhl hin, der neben meines Bettes stand und betrachtete die beiden. Auch wenn er es nicht wahrhaben wollte interessierte er sich sehr für Azra.
War die Frau überhaupt ihre Schwester? Wieso scheinen sie so fremd?
„Das  sind meine Freunde, doch du nicht meine Familie, weswegen es nicht von Nöten ist dich ihnen  vorzustellen." Azra blickte entschuldigend zu mir. „Ich komme später noch mal", sagte sie und ging aus dem Raum.
Savas stand auf und verließ ebenfalls das Krankenzimmer.

„So. Frau Yilmazer. Wie mein Kollege ihnen mitgeteilt hat ist ihre Schwangerschaft sehr gefährlich. Sie müssen sehr auf sich aufpassen. Ob das Kind sich in den weiteren Monaten gut entwickelt und überlebt, dies  wird uns nur die Zeit zeigen." Sie blickte zu Koray. „Es ist normal, dass sie Angst haben. Ich verstehe sie. Versuchen Sie ihre Frau zu verstehen. Es ist sehr fraglich, wie sie den Umständen entsprechend schwanger geworden ist." Sie blickte mir kurz in die Augen. „Ihre Papiere können sie gleich abholen und nach Hause gehen. Bitte vereinbaren Sie einen Termin für zwei Wochen, damit ich sie sehen kann." Sie nickte noch mal. „Bis dahin, alles gute." Und verließ das Krankenzimmer. „Sie ist die erste Ärztin, die etwas positives gesagt hat", sagte ich leicht  grinsend. Koray verdrehte seine Augen. Ich weiß, er gab sich so viel Mühe um mich nicht zu verletzen. Er wollte dieses Baby unter diesen Umständen nicht. Er war den Risikofaktoren viel mehr im Klaren als ich. Da er der jenige war, der sechs Jahre erst Medizin studiert hatte.

„Versuch es dir so gut zu reden wie du willst!", seufze er. Meine Augen füllten sich mit Tränen. „Koray, ich möchte dieses Baby." Als meine Tränen flossen Schaute er an mir vorbei. Er wollte mir nicht ins Gesicht schauen, weil ihn meine Tränen nur schwach machten. Er konnte nicht standhaft bei seiner Meinung bleiben, weil die Liebe die er gegenüber mir prägte größer als sein Stolz war.
Ich wischte meine Tränen weg. „Können wir los?", fragte er mich. Seine Stimme war rauchig, leicht zitternd. Ich wusste, dass er Angst hatte mich zu verlieren. Er griff nach meiner Tasche und packte meine Klamotten aus dem Schrank ein. Ich hinderte ihn in dem ich nach seiner schönen Hand griff.
„Du musst dich vor mir nicht mit deiner starken Seite zeigen, Koray" Er schnaubte. Als er sich zu mir umdrehte sah ich, dass seine Augen gefüllt mit Tränen waren.

„Was soll ich dir sagen,hm? Ich verstehe dich, doch. Nefes ich habe Angst! Angst dich zu verlieren. Wieso denkst du auch nicht an mich? Was mache ich ohne dich? Dann haben wir halt keine Kinder! Dann ist das so, wir können welches adoptieren-"

„Es wird nicht das gleiche sein!", meine Stimme war eine Kombination aus schreien  und flüstern. Ich fing an zu weinen, obwohl ich es nicht wollte. Doch gegenüber Koray konnte ich meine Emotionen nie verstecken, nie.

„Koray, es tut mir leid, wenn ich egoistisch bin, wenn ich dich vernachlässige. Wenn ich dieses Risiko eingehen möchte. Ich weiß, du würdest das niemals tun.
Doch ich liebe dich so sehr. Als ich dich kennengelernt habe, wusste ich, dass du auch der Mann meiner Kinder bist, Koray. Deine Charaktereigenschaften. Kein anderer hätte es mit mir so lange durchgehalten. Doch ich möchte ein Kind, was ein Misch aus uns beiden ist. Kein Beweis unserer Liebe, dafür haben wir unsere Seelen. Ich liebe dich so sehr..." Als ich sprach schloss er seine Augen und ich konnte sehen wie er sich anspannte.

Ich stand langsam aus und wollte aus dem Bett. Als ich es schaffte näherte ich mich zu ihm und schloss ihn in meine Arme. Als ich seinen Schluchzen wahrnahm brach mein Herzen in tausend Teile. „Es ist so schwer Nefes, ich fühle mich so gegangen, so verzweifelt. Ich kann hier nur sitzen und Abwarten." Ich schüttelte meinen Kopf. „Wir dürfen die Hoffnung nicht verlieren. Schau doch was die Ärztin gesagt. Es ist schon krass, dass ich überhaupt schwanger wurde. Das muss was heißen!" ich wischte ihm seine Tränen weg und verschränkte unsere Hände ineinander.
Nach dem wir uns einigermaßen beruhigt hatten, verließen wir das Krankenhaus. Da ich nicht wirklich gut mein Gleichgewicht halten konnte, stütze mich mein Fels in der Brandung.
Lächelnd und voller Dankbarkeit roch ich an ihm. Alles hatte etwas gutes. Ich würde nicht in die Hoffnungslosigkeit verfallen, das wusste ich.

Lächelnd schloss Koray unsere Haustür auf.

„Hast du Hunger?", fragte Koray. Ich schüttelte mein Kopf.
„Können wir uns einfach nur hinlegen?", fragte ich. In letzter Zeit waren wir beide so sehr beschäftigt mit anderen Dingen. Ich wollte nur unsere Ruhe mit unserer Zweisamkeit genießen. „Ja nur, wenn wir gleich was essen. Wir sind jetzt zu dritt in diesem Haus. Du kannst deine Mahlzeiten nicht mehr überspringen." Ich lächelte. „Deal." Er legte sich zu mir nahm mich in seine Arme. Ich inhalierte seinen Duft und es tat mir so gut. Wie faszinierend die Wirkung seines Eigenduftes auf mich hatte.
Als ich kurz vorm einschlafen war, spürte ich die weiche Hand meines Mannes auf mein Bauch. Als ich zu ihm schaute, merkte ich wie nachdenklich er war. „Wir werden es schaffen, insallah", flüsterte ich.
Daraufhin gab er mir einen Kuss auf die Stirn. Grinsend schmiegte ich mich noch näher an ihm.

Sil BaştanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt