107

592 41 3
                                    

SAVAŞ

Das letzte Mal wo ich massive Angst empfunden hatte, waren wir alle im Krankenhaus und warteten auf Yeliz und mussten uns anhören, dass sie gestorben war.
Fünf verdammte Jahre vergingen, ich hatte nie vor sie zu vergessen, ich wollte sie weiter lieben. „Ölenle ölünmez"
(Man stirbt nicht mit dem gestorbenen mit) hat man mir gesagt. Und diverse andere Sachen wie „Das Leben geht weiter"
Doch ich bin mit Yeliz gestorben, das Leben ging für mich nicht weiter. Wieso konnte das niemand verstehen? Ich gab mir doch die Schuld, sah mich verantwortlich für ihr Sterben. Sie war wegen mir gestorben. Ist es nicht normal, dass ich das nicht mit meinen Gewissen vereinbaren konnte?
Verdammt, ich hatte so verkackt. Wir beide haben uns nur verletzt und konnten nicht anständig unsere Liebe genießen.
Ich dachte, ich würde niemals eine andere Frau mit dieser Intention ansehen.
Doch diese Frau liegt in meinen Armen. Azra.
Sie blutete stark an den Knien und ich wusste nicht was ich machen sollte. Ich war im Stockzustand. Ich fasste ihr sanft ins Gesicht, damit sie wieder wach wurde. Als sie ihre Augen öffnete, atmete ich laut ein und aus. „Azra! Versuch nicht einzuschlafen! Wir fahren jetzt ins Krankenhaus."
Ich nahm sie in meine Arme und das metallische Geruch betäubte meine Sinne.
„Mir geht es gut, wir müssen nicht ins Krankenhaus.", sie konnte nicht mal richtig reden. „Tut es sehr weh?" 
Sie schüttelte ihren Kopf, doch an ihr Gesicht sah ich, wie sie aufgrund ihrer Schmerzen zusammenzog. Mir fiel ein dass Koray dabei war Arzt zu werden. Ich wählte schnell seine Nummer und rief an. „Koray, du musst mir helfen. Azra liegt hier, blutend.", „Was? An welcher Stelle?"
„Knien", sagte ich.
„Sind da keine Bandagen? Tücher, Tshirts, Versuch das Blut zu stoppen, wickle es um die Knie und fahr sofort los !"
Doch er blieb am Handy.
Ich befolgte was er sagte. Ich öffnete Azras Badschrank und darin waren auch Verbände. Ich nahm sie schnell und riss die Bände auf und wickelte es um ihre Knie. Ich sah auch lauter Scherben. Ich war so nervös. „Savas hast du was gefunden?" „sie hat überall an den Knien Scherben, Koray"
„Mir geht es gut, Savas." sprach sie voller Mühe.
Ich nahm sie in meine Arme und lief zu mein Auto, legte sie hinten vorsichtig rein.
Und stieg schnell in mein Wagen. „Savas mir geht es gut", ihre Stimme war so leise. Ich hörte wie sie vor Schmerz nicht reden konnte. Als sie anfing zu weinen, war ich kurz davor meine Fassung zu verlieren.
Das erste Mal nach Yeliz Tod spürte ich die Verzweiflung.
Ich hielt sobald wir angekommen waren vor dem Krankenhaus an. Ich war froh, dass ich keinen Unfall gebaut hatte. Da ich jede Minute nach hinten zu Azra schaute.
Koray hatte seinen Kollegen der heute Nachtschicht hatte Bescheid gesagt. Er empfing uns mit einem Rollstuhl. Ich trug Azra in meinen Armen und stiegen somit aus dem Auto. Ihre Augen waren geschlossen. „Beni birakma" (Lass mich nicht los) murmelte sie.
Ich konnte nicht mal antworten, geschweige denn ihre Worte registrieren. Ich bekam eine Gänsehaut. Ich setzt sie auf das Rollstuhl.
„Akin", sagte er kurz seinen Namen und schob Azra. Kurz sah er auf ihre Knie. „Die Splitter müssen entfernt werden, die Wunden gesäubert. Danach kriegt sie Schmerzmittel und kann nach Hause. Deiner Frau geht es gut, mach dir keine Sorgen."
Deiner Frau ging es gut.. Deiner Frau. Ich sah ihn nur nickend an. „Danke."

„Kein Problem, Koray hat mir schon so oft geholfen."
Die beiden hatten gemeinsam ihr Praktikum im Krankenhaus gemacht. Koray konnte Nefes nicht Zuhause lassen, sonst wäre er hier. Ich hörte auch die ganze Zeit mein Handy klingeln. Doch ignorierte es. Ich würde Koray später anrufen.
Nefes würde etwas bemerken und in der nächsten Stunde wäre sie hier.
Ich lief in das Zimmer und sah wie sie auf der Liege saß. „Möchtest du dich nicht hinlegen?" Sie schüttelte ihren Kopf. „Wo warst du?" Ich blickte automatisch auf ihre Knie. Um ihre Knien wurden neue Bandagen gewickelt, dieses Mal richtig.
Sie blickte mir in die Augen. „Ich habe mit dem Arzt gesprochen. Wir können gleich nach Hause."
Auf ein Mal füllten sich ihre Augen mit Tränen. „Azra yapma sunu" (Hör auf damit) Ich konnte Tränen im Allgemeinen nicht ab, doch bei Azra umso mehr nicht.
„Ich habe keine Familie, kein Zuhause."
Sie wurde sehr emotional. Ich weiß nicht, ob es wegen den Schmerztabletten waren, die sie nahm oder wegen dem ganzen Stress.

Ich wusste nicht wie ich antworten sollte. Koray , Nefes oder Duygu hätten Antworten, doch ich nicht. Ich konnte einem Menschen nicht helfen.
„Vielleicht heilt ihr eure Wunden.", erinnerte ich mich an die Worte von Nefes.
Ich würde Azra doch noch mehr zerstören.
Nach ein paar Minuten verließen wir das Krankenhaus. Ich stützte sie am Arm, obwohl sie es am Anfang nicht wollte. Sie konnte nicht mal richtig gehen.
Ungeduldig nahm ich sie in meine Arme und gemeinsam liefen wir aus dem Krankenhaus. Sie hatte nicht mal die Kraft sich gegenüber mir zu wehren oder zu schimpfen. Müde legte sie ihren Kopf auf meine Schulter. Lächelnd öffnete ich die Autotür und sie nahm auf den Beifahrersitz Platz.
Bevor ich losfuhr blickte ich in ihr Gesicht. Sie schloss schon ihre Augen. Sie war so schön. Ich schüttelte meinen Kopf und fuhr los. Ich fuhr zu mir. Die Fahrt dauerte zehn Minuten.
...
Ich legte sie auf mein Bett und deckte sie zu. Als ich merkte, wie ich sie anstarrte schüttelte ich meinen Kopf. Kendine gel Savas! Ich lief in die Küche und machte mir einen Kaffee. Genau in dem Moment klingelte es. Ich lief zur Tür und öffnete sie.
Vor mir stand ein aufgewühlter Koray.
„Lan, wieso gehst du nicht an dein Handy?", rief er. „Sie schläft, sei ruhig." Er nickte erleichtert und blickte mir in die Augen. „Was ist passiert?" Er schloss die Tür und sah mich an. „Nichts."
„Sana bir sey olmus.", grinste er. „Sen Azraya asik olmussun" (Du hast dich in Azra verliebt) Ich blickte ihn hilflos an. „Kannst du mir da raus helfen?" Er schüttelte lachend sein Kopf. „Nein, auch wenn ich könnte, würde ich dir nicht helfen."

„Danke, wofür bist du mein Bruder?", fragte ich.

Sil BaştanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt