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„Du kennst mich auch nicht.", sagte ich ebenfalls. Ich war energisch und drehte mich um. „Ich kenne dich mehr als du wahr haben willst" Ich schluckte. Nicht umdrehen Nefes. Keine Aufmerksamkeit zeigen. Ich hörte ihn weiter sprechen.
„Du bist eine echt gute Schauspielerin, du verdrängst Dinge gut. Aber mehr ist da nicht. Ich sehe dir deinen Leid in deinen Augen an"
„Sei ruhig", zischte ich und drehte mich um. Er lächelte leicht. „Nur weil ich die Wahrheit sage?" „Sag mir was kannst du außer mir den Rücken zu zeigen" Er sah mich ernst an und Gottverdammt ich verstand sein Problem nicht! Wieso war er gegenüber mir so mit Wut gefüllt.
Nie war es jemanden aufgefallen, wieso gerade Koray? Wieso gerade der Zwilling ‚meiner Freundin.'
Ich biss mir leicht auf die Lippe. Denn ich wollte wegrennen. „Ich gehe jetzt." Er nickte und als ich los marschierte, spürte ich Blicke auf mir. Blicke die störend waren. Da war eine Gruppe voller Jungs, die mich gierig anstarrten. Als ich mich zu Koray umdrehte, merkte ich wie er sein Kiefer anspannte. Koray lief zu mir und zu Zweit betraten wir den Saal.
„Danke", piepste ich. „Nefes, du musst deine Schmerzen rauslassen. Icine atinca dahada maf edersin kendini" (In dem du alles in dich hineinfrisst, zerstörst du dich nur mehr) Ich lachte vor Ironie auf. „Koray lass mich mit diesem Scheiss." Er sah nur auf den Boden und nickte.
Die Zeit verlief echt schnell. Die Ringe wurden dran gemacht, die Torte wurde verteilt. Es wurde getanzt. Ich saß auf mein Platz. Mein Blick hing an Duygu und meinem Bruder. Sie redeten miteinander und wirkten so vertraut.  Ich sah zu Yeliz, die mich ebenfalls verwundert ansah. „Koray göremsin", sagte Yeliz. „Was studiert Koray?", fragte ich plötzlich. „Ich glaube er hatte mit Wirtschaft angefangen, jetzt studiert er Medizin", sagte Yeliz. Ich nickte. „Wieso bist du so genervt Nefes?" Ich sagte nichts. „Ich bin nur müde." Yeliz war ebenfalls müde. Zuhause würden wir uns in Ruhe ausschlafen.Gegen 23 Uhr kam Duygu zu mir. Hinter ihr stand Savas und Koray.  Savas sah Yeliz sehnsüchtig an. Er hatte sie keine Sekunde aus ihren Augen gelassen.
„Wir fahren jetzt Nefes. Danke für den Abend" Sie umarmte mich zur Verabschiedung. „Danke dass ihr da seid. Sinem hat sich sehr gefreut"
„Ach du nicht?", sagte Savas. Ich nickte lächelnd. „Yeliz hat sich auch gefreut", sagte ich und erntete giftige Blicke von Yeliz. „Auch wenn sie es mir nicht anmerkt, weiß ich das", sagte er in ihre Augen blickend. Yeliz sah zu Koray und ignorierte die Worte von Savas. Koray lachte und schüttelte sein Kopf. Als die drei den Saal verließen sah ich zu Yeliz die ebenfalls den dreien hinterher sah.
„Nefes eine Frau wartet draußen im Eingang auf dich" sprach mich Aylin an. Eine gute Freundin von Sinem. Ich nickte und sagte Yeliz Bescheid. „Soll ich mit kommen" Ich schüttelte mein Kopf. Mit schnellen Schritten verließ ich den Saal und sah zu der Frau, die mit mir reden wollte. Sie sah aufgebracht aus.
„Alles ist wegen dir!", schrie sie. Ihre Schminke war angelaufen. „Es tut mir leid", sagte ich. Denn die Kraft mich gegen sie zu stellen um mit ihr zu Diskutieren hatte ich nicht. Mit einem mal fing sie an zu Weinen. „Selin hör auf", versuchte ich sie einigermaßen zu trösten. „Hör auf? Wie soll das gehen?! Mein Mann will sich scheiden lassen und ich trage sein Kind in mir?! Wieso wegen dir? Du bist so verflucht Nefes!", brüllte sie. Ich spürte schon wie mein Herz in tausend Stücke brach. Ich sollte mir die Worte nicht so ans Herz nehmen schon gar nicht von ihr, doch sie trat gerade auf einer Person die schon auf dem Boden lag. „Okay, Selin. Geht es dir besser?", fragte ich sie. Sie schüttelte ihren Kopf. „Kannst du mir meinen Bruder her bringen? Hm? Deine Eltern sind bestimmt froh dich los zu sein! Du bist ein verdammtes-„ Dann hörte ich es laut Klatschen. Ich schloss meine Augen und sah fassungslos zu meinem Bruder der vor Wut am Zittern war. Seine Tränen liefen ihm die Wange herunter. Er liebte sie und hasste sich selber, weil er genau diese Gefühle spürte. Ich schloss meine Augen.
„Abi was hast du gemacht" Selin hielt sich an ihrer Wange und sah zu meinem Bruder. „Guck mal was Nefes alles auf Dir macht, bist ihre Marionette geworden" Ich nahm ihre Wörter nicht wahr. Ich war wo anders. Meine Eltern kamen mir in den Sinn. Ich vermisste sie. Ich vermisste sie so sehr. Ich kam mit ihren Verlustes nicht klar. Als ich Zuhause war, war es so, als würden sie jeden Moment aus der Arbeit zurückkehren. Vor Schmerz schloss ich meine Augen. Die Tränen nahmen ihren Lauf. Ich drehte mich um und ging. Was anderes konnte ich nicht. Es war nicht meine Stärke. Ich hörte wie Burak sich lauthals mit seiner schwangeren Frau stritt.
Vielleicht sollte ich den Kontakt mit meinem Bruder echt sein lassen? Ich nahm einen schmerzhaften Atemzug. Ich versuchte lediglich zu Überleben. Wieso kamen sie so sehr auf die Nefes zu und wollten ihren Untergang? Ich konnte nicht mal Weinen. Als meine Uhr auf 1 Uhr morgens zeigte ging ich zurück in den Saal. Mein Bruder saß da verloren und hatte seine Hand zu einer Faust geballt. Als ich die Faust aufmachte sah ich das sie voller Blut war. Er hatte auf die Glastür gehauen. „Ah abim, was wird mit uns", fragte ich ihn liebevoll und sah ihn in die Augen. Yeliz war wahrscheinlich mit Sinem weg. Sie hatten sie bestimmt zu mir gefahren.
„Es tut mir leid, für ihre Worte für deine Schmerzen, dass ich nicht da sein konnte um dich zu schützen"

„Du hättest sie nicht schlagen sollen Abi", sagte ich liebevoll. Mit einem mal schlug er mit seiner Faust auf den Tisch. „Nefes, verdammt sei nicht so gutmütig!", brüllte er. Ich nahm ihm seine Faust und desinfizierte sie und machte ihm das Verband drum. „Soll ich austasten? Soll ich auf sie los? Was willst du Abi! Was?!", schrie ich. Ich wollte nicht vor ihm zusammenbrechen. „Wegen mir ist ihr Bruder nicht da. Ich kann nicht dafür, dass er sich umgebracht hat. Aber sie trauert und sieht mich als Schuldige. Vielleicht sollte ich nicht in eurem Leben sein. Und ihr baut euch ein Neuanfang. Silin Ve bastan yazin abi, bensiz. (Löscht das Vergangene und schreibt alles von Neu, ohne mich)
„Niemals!", brüllte er. „Bitte hör auf so was aus Dir rauszubringen. Hör auf so naiv zu sein!" Ich zuckte mit meinen Schultern. „Sollen wir Nachhause?" Mein Bruder nickte und ich nahm seine Schlüssel und wir gingen leise und still zu seinem Auto.
In normalen Verhältnissen dürfte ich sein Wagen nie fahren. Doch jetzt war es eine Ausnahme. Mein Bruder setzte sich niedergeschlagen auf den Beifahrersitz und ich nahm neben ihm Platz und fuhr los.
Abi fährt Yeliz einfach" sagte er. Kemal Abi unser Wächter bzw fuhr er unsere Eltern immer von A bis B. Doch seit dem sie nicht weg waren könnten wir ihn nicht kündigen. Er half Esma Sultan und gingen zusammen einkaufen.
„Abi ich fahre sie, ich kann immer noch zurück kommen" „kommst du?", fragte er leise und schmerzhaft. Ja Nefes kommst du?
Ich hörte Yeliz „Nefes", sagen. Sie sah mir tief in die Augen. So als könnte sie mir bis in meine Narben schauen. „Was ist passiert Nefes", fragte sie fürsorglich. Meine Augen füllten sich. „Können wir aufs Zimmer?" Esma Sultan sah mich tröstend an. „Ich bringe euch Tee", sagte sie. „Esma Sultan geh schlafen", sagte ich leise. Sie war müde. „Yok olur mu, ich komme gleich hoch" Ich nickte aufgebend und ging mit Yeliz hoch. Als ich mich an meinem großen Spiegel betrachtete machte ich große Augen. Ich sah so schlimm aus. „Hat Sinem was gemerkt?" Yeliz nickte. „Aber wir haben dich ausgeredet. Sie war sowieso die ganze Zeit im Stress. Mach dir keine Sorgen."

„Was ist passiert Nefes", fragte sie so leise, dass ich nicht wusste ob sie geredet hatte oder ob ich mir das eingebildet habe.
„Ich, ich sollte duschen Yeliz" Sie nickte und ich zog mich aus. Danach ging ich unter die Dusche. Ich machte das Wasser auf sehr heiß, so dass ich einmal an die Wärme denken sollte und nicht an die Schmerzen. Es war ein guter Moment um alles loszuwerden doch meine Tränen wollten nicht.
Nach der Dusche tat ich total auf normal und ignorierte alle Anspielungen. Esma Sultan brachte uns Tee, fragte mich nach meinem Wohlhaben und als sie merkte ich blocke ab, ging sie uns gute Nacht wünschend.
„Ich möchte nicht dass du deine Schmerzen verdrängst Nefes! Ich will für dich da sein" Ich lächelte sie liebevoll an. „Weiß ich echt zu Schätzen, Dankeschön" Wir legten uns schlafen. Ich kriegte kein Auge zu.
Am Morgen waren wir beide wach, weswegen wir schon los fuhren. „Du solltest dich von deinem Bruder verabschieden, Nefes Hanim" „Ich komme wahrscheinlich zurück, wir sehen uns später", sagte ich. Ich stieg in mein Auto. „Wie du willst zurück kommen, für immer?" Ich sagte dazu nichts und fuhr los.
Nach 2,5 Stunden kamen wir an. Obwohl die Fahrt mehr als 3 Stunden Betrug. Ich ließ meine Trauer an dem Gaspedal aus und Yeliz sagte dazu nichts. Ich konnte sie mir echt mit Savas vorstellen.
Yeliz ging zu ihr Nachhause und ich zu mir. „Kommst du gleich vorbei?" Ich schüttelte mein Kopf. „Ich will wahrscheinlich alleine sein", sagte ich. Sie nickte und umarmte mich. „Tu dir das nicht an, ich weiß nicht was die Frau zu dir sagt, oder um was es geht. Bitte komm zu mir", sah sie mir mit ihren hellbraunen Augen an. Sie war so rein. So ein herzensguter Mensch.
Ich übernachte an dem Tag bei Yasemin und Yeliz. Die beiden sahen mir meine Laune an und sagten nichts. Wir schauten den ganzen Tag nur Filme und aßen Süß Kram. Gegen Abend legten wir uns schlafen wo ich ein Albtraum bekam. Yeliz rief Yasemin Abla, die mich umarmte und für einen Augenblick fühlte ich so als wäre meine Mutter bei mir. Ich weinte mich bei ihr aus. Yasemin Abla sah mich verzweifelt an doch beruhigte mich. Ich schlief irgendwann ein.
...
Yeliz war in ihrer Stadt und ich parkte gerade und ging auf die Uni zu. Savas sah mich mit einem großen Lächeln an, doch als er mich sah, verschwand sein Lächeln. „Ist alles okay bei dir? O Gott Nefes, du siehst schlimm aus" Ich nickte. „Hey das war nicht böse gemeint, komm ich fahre dich Nachhause" Als wir in der Uni waren, sah ich schon von weitem Duygu, Koray und Meryem. Meryem sah mich arrogant an. „Guck mal sie ist wieder bei Savas! Ist Yeliz nicht ne gute Freundin von ihr?", schrie sie aufgebracht.
„Meryem sus artik!" (Sei endlich still!)
Die Menschen schauten alle zu uns. Und ich lebte den Moment gar nicht. Es war wie ein Tagtraum.
„Schämst du dich nicht, haben dich deine Eltern nicht erzogen?! Dass du dich an vergebene Männer ranmachst? Deine Eltern würden sich schämen" Ich lachte vor Schmerz auf und drehte mich um. Ich hörte wie Koray sie anbrüllte. Savas ebenso. Ich stieg wie gekommen in mein Auto und wollte los fahren. Doch er stellte sich vor mein Wagen. Er, Koray. Bitte geh, ich breche gleich zusammen.

Sil BaştanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt