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Nefes

Meine Seele schmerzte. Ich kannte diesen Moment zu gut.
Im Krankenhaus zu warten. Und genau diese Nachricht zu hören.
„Sie haben es nicht geschafft.", hieß es dann. Mein ganzer Körper bebte. Denn ich erlebte all diese Erlebten Sachen noch ein Mal! Was gab es schmerzhafteres für die Seele? Die Menschen die ich liebte, verließen mich. Von Tag zu Tag wurden es jetzt insgesamt drei. Wieso immer die Menschen, die ich so sehr liebte? Gott, was machte ich falsch? Meine Eltern waren vor Monaten gestorben und jetzt? Jetzt ist  Yeliz gestorben! Genau jetzt konnte ich es nicht realisieren. Ich dachte an unsere Momente. Wie glücklich wir waren. Wieso mit so jungen Jahren? Sie war genau so alt wie ich. Ich konnte es nicht fassen. Dieser Schmerz betäubte all meine Sinne.
Der Tod fragte nicht nach deinem Alter. Der Tod fragte nicht nach der Zeit, die du überlebt hast. Der Tod kam ohne Vorwarnung.
Meine Hände zitterten, ich wusste nicht, wie ich damit klar kommen sollte. Alle waren mit sich selber beschäftigt, nur er nicht. Er eilte zu Duygu, die gerade einen Nervenzusammenbruch erlitt.
Mein Bruder stand bei mir, er wusste jedoch auch nicht weiter.
Ich bekam fast keine Luft mehr, weswegen ich aus dem Krankenhaus rannte. Ich lief so schnell ich konnte.
Ich hörte wie Burak nach mir rief und mir hinter her lief. Doch ich lief so schnell ich konnte. Die ganzen Blicken waren mir egal. Meine Schmerzen die ich im Brustkorb spürte, drohte mir fast zu platzen. Ich hatte das Gefühl gefangen in diesen Schmerz zu sein. Als könnte ich mich nicht befreien. Als ich atmen wollte, tat es mir weh. Ich konnte nicht mehr, Gott, ich wollte nicht mehr.
Als ich die kalte Luft spüren konnte, fing ich an lauthals zu weinen.
Ich schloss meine Augen und ihr Gesicht erschien vor meinen Augen.
„Nefesim", hörte ich die Stimme von Burak. Ich sah zu ihm und schon verschwand ihr Bild aus meinen Augen. Sie wird nur eine Erinnerung bleiben und dann verblassen. Wie all deine Erinnerungen. Irgendwann, wirst du dich nicht mal an ihre Stimme erinnern. . „Hör auf dir so weh zu tun" Ich weinte lauter. Er hielt mich fest. „Nefes..." Ich konnte nicht anders. Es musste raus. Ich war kein Mensch, die ihre Gefühle verstecken konnte. Ich war nicht Koray. Ich war nicht Burak.
Ich umarmte ihn und versuchte mich zu beruhigen. Doch mein Schluchzen wurde lauter, so als würde ich gequält werden. Ich wollte, dass es aufhörte.
Als ich wieder rein gehen wollte, zog er mich zurück. „Du gehst da nicht rein.", sagte er. Ich sah ihn mit verweinten Augen an. „Burak Nerv mich nicht!", schrie ich und merkte, wie ich wieder die Kontrolle verlor. Ich wollte alles um mich herum schlagen.
„Alle sind am trauern, dir wird es nicht besser gehen!" Verzweifelt blickte ich ihn in die Augen. „Komm wir setzen uns hin" Ich schüttelte mein Kopf. „Ich gehe da rein!" Als ich mich umdrehte, blickte ich in die gleichen Augen, wie die von Yeliz. Ich erstarrte. „Hör auf dir so weh zu tun", wisperte er und kam auf ein Schritt zu mir. Seine Augen füllten sich mit Tränen. „Ist das meine Schuld?", fragte er. Ich sah ihn nur an. „Nein.", flüsterte ich ebenfalls. Ich streckte ihm meine Arme aus und wartete. Dankbar lief er zu mir und umarmte mich.
„Ich habe meine einzige Schwester verloren, Nefes." Wie schmerzhaft könnte seine Worte nur ausdrücken?
Zwei Tage später
Ich versuchte mich zu beherrschen.
Alle waren versammelt. Wir waren auf der Beerdigung von Yeliz. In Izmir waren wir. Genau daneben lag ihr Vater.
„Yeliz Paksu D. Tarihi: 12.01.95 Ö.T : 12.05.19
Erdinc, Koray, Savas, und mein Bruder schütteten Erde. Während Yasemin, Duygu, Sinem und ich dabei versuchten uns nicht zu verlieren.
Ich blickte zu Yasemin, die ohne sich zu rühren zum Grab sah.
Nach dem der Imam fertig war mit seinen Zitieren, machten wir unser Dua.
Ich konnte mich gar nicht genau erinnern, wie wir hier nach Izmir ankamen. Die ganze Zeit redeten wir kaum. Ich ließ niemanden an mich ran. Dazu merkte ich, wie sehr Koray daran kaputt ging. Aber er sagte nichts.
Was sollte er sagen? Er hatte Angst mich zu verlieren. Und ich hatte Angst mich selber zu verlieren.
Aber ich hatte mir ausgemalt, dass Yasemin Abla mit mir wohnen würde. Ich würde sie dazu bringen. Ich konnte sie niemals alleine lassen.
Sinem tippte mich an, so gingen wir zurück nach Hause. Im Dorf angekommen, waren alle Verwandten und Bekannte anwesend. Duygu und Sinem servierten Wasser und Tee. Während ich einfach ins Zimmer ging.
Als es an der Tür klopfte, kam ich zu mir.
Ich blickte in die müden Augen von Koray. „Darf ich rein kommen?" Ich nickte. Da ich auf dem Bett saß, setzte er sich zu mir. Leise und langsam nahm er meine Hände in seine. Er setzte federleichte Küsse auf meinen Handrücken. „Wir werden es gemeinsam schaffen, sevgilim. Ich weiß es tut weh, doch es wird aufhören. Weißt du wie sehr ich leide, wenn ich dich so sehe?", ich umarmte ihn und legte meinen Kopf auf seine Brust. „Sen de gitme olur mu?" (Geh du auch nicht, okay) Ich spürte wie er lächelte. „Der Tod wird uns alle treffen, Nefes. Ich kann dir nur versprechen, dich niemals zu verlassen. Auch wenn ich mal sterben sollte. Werde ich hier immer verankert sein." Er tippte auf meine Brust, wo auch mein Herz schlug.
Die Herzschläge zeigten mir jedes Mal, dass ich überlebte. Dass ich lebte.
Er Sprach weiter. „Genau wie Yeliz hier verankert ist.", meine Augen füllten sich mit Tränen. „Es tut mir so leid, dass du mich so sehen musst. Was anderes blieb mir nicht übrig.
Er spielte mit meinen Haaren, was mich beruhigte und ich nach Tagen endlich einschlief.
Genau an dem Abend packten wir unsere Sachen zusammen. Wir mussten alle wieder zurück.
Duygu und ich mussten zurück, da unsere Prüfungen anstanden. Und Burak sich wieder um die Firma kümmern musste.
Wir hatten alle unsere Koffer gepackt. Savas stellte sich neben mich und ließ einen blöden Spruch ab. Ich blickte ihm nur in die Augen. Denn ich wusste, es war nur gespielt. Er versuchte sich sein altes Ich wieder aufzubauen. Doch seine dunklen Augen sagten, was er wirklich fühlte.
Savas wusste, dass keiner ihm diese Show abkaufte. Er sollte mit diesem Unsinn aufhören.
Als Yasemin Abla ohne ihren Koffer kam, blickte ich fragend zu ihr. Alle sahen mich schuldbewusst an. Und dann machte es Klick!
„Nefes, ich komme nicht", sagte sie. Ich blickte zu Erdinc, der nur mit seiner Schulter zuckte.
„Nein, du kommst mit! Ich lasse dich hier nicht alleine! Oder ich bleibe auch hier." Yasemin schüttelte ihren Kopf. „Dein Leben muss weiter gehen! Das gilt auch für Savas und für Duygu! Aber ich habe keinen Grund mehr nach Deutschland zu reisen. Meine Familie ist hier.", sagte sie.
Meine Augen füllten sich mit Tränen. „Du kannst mich nicht alleine lassen", sagte ich. Sie schüttelte sich ihren Kopf. „Du bist nicht alleine! Du hast deinen Verlobten. Deinen Bruder. Deine Freunde. Nefes, du musst aufhören damit." Ich lachte vor Schmerz und drehte mich einfach nur um. Burak rief mein Name, da er dass respektlos von mir fand. Dass ich ging ohne mich zu verabschieden.
Wir fuhren zum Flughafen. Stiegen in unser Flieger und kamen in Berlin an. Mein Bruder musste zurück nach Bremen, da die ganze Arbeit auf ihn wartete.
Er sah mich an. „Nefes. Bitte hör auf. Du musst nach vorne gucken.", er wollte mich umarmen, doch ich ging ein Schritt zurück. „Ich bin nicht so stark wie du! Ich kann meine Gefühle nicht in mich reinfressen, ohne zu weinen! Hör auf immer versuchen mich zu belehren!" „du verstehst mich falsch! Du lebst zu tief dein Schmerz! Wie willst du da raus kommen! Du tust Koray weh! Deinen Verlobten! Denk auch nur ein Mal an ihm!"
Ich sagte dazu nichts. Ich ging Richtung zum Auto. Duygu und Sinem liefen mir hinterher. Wir Mädels saßen uns nach hinten. Sinem schrieb Berke, dass sie gelandet ist.
Sie hatte sich das erste Mal durchgesetzt, da Berke nicht wollte, dass sie flieg und er selber konnte nicht kommen. Sie würde noch diese Nacht bei mir verbringen. Danach würde sie zurück nach Bremen fahren. Sie wollte mich heute nicht alleine lassen. Obwohl ich viel lieber nur alleine sein wollte.
Vor Korays Haus hielt Savas an. Er fuhr das Auto. Mal viel zu schnell, doch so ließ er seine Emotionen freien Lauf. Koray hätte in normalen Verhältnissen schon längst etwas gesagt, doch dieses Mal schwieg er.
Wir stiegen alle aus dem Auto. „Yagmur ist auch da. Sie hat dich vermisst", hörte ich Koray sagen. „Meine Mutter hat gekocht", ich lächelte. „Koray ich gehe lieber nach Hause.", sagte ich. Koray seufzte. „Nefes! Hör auf damit!"

Sil BaştanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt