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„Nefes du kannst nicht gehen. Bitte canim!", flehte mich meine Cousine an. Doch ich schüttelte meinen Kopf und sah direkt zu der Frau, die mich abgrundtief hasste. Selin. Die  Frau meines Bruders. Die den gleichen Nachnamen wie mein Bruder trug. Mein Bruder liebte sie.

„Sie soll gehen, besser für Burak und mich!", schrie sie und schaute mich verachtend an. Sie trug den Ring meines Bruders. Ich atmete tief ein und aus. Wie konnte sie soviel Hass in sich tragen? Fiel es ihr leichter mir die Schuld für seinen Tod anzuhängen? Obwohl sie die erste Person war, die von allem Bescheid wusste!

„Was sagst du da? Wieso sollte sie gehen?", kämpfte meine Cousine gegen sie. So war Sinem. Sie versuchte sich selten zu wehren, wenn sie es versuchte,  scheiterte sie. 

Mir fehlten die Worte. Ich konnte nichts sagen. Diese  unerträglichen Schmerzen sorgten dafür, dass ich nichts anderes wahrnahm. Ich war zu schwach um zu Antworten, zu schwach um meine Stirn zu bieten.

Meine Schmerzen waren mir wichtiger. Eine Flucht fiel mir leichter, als hier zu bleiben, als  Hass zu spüren.

„Sie tut weder ihrem  Bruder, noch mir gut! Geh Nefes! Du bist Gift für uns alle", schrie sie.

 Meine Cousine sah mich herzzerreißend an.
Selin sah mich jedoch siegessicher an. Sie wusste, dass mir nichts anderes übrig blieb, als zu gehen.
Ihr Blick verriet alles. Als hätte ich ihren Bruder eigenhändig umgebracht. Als wäre ich für sein Tod verantwortlich!
...
Weinend packte ich meine Sachen in den Koffer, ich schmiss sie wortwörtlich in den Koffer. Ich konnte nicht mehr hier bleiben, denn ich  war am Ende. 

Selin machte mir mein Leben zur Hölle. Ich versuchte lediglich zu überleben. Ich war Selin ein Dorn im Auge.

„Nefes dein Bruder wird dir das nie verzeihen", weinte mein Schatz. Sinem. Meine einzig wahre. Meine Cousine mit der ich wie eine Schwester aufgewachsen war. Sie hatte Recht, Burak würde mir das nie verzeihen. Er bemühte sich nur damit es mir gut ging. Er liebte mich sehr, ich wusste sogar, dass ich seine erste Priorität  nach Mama war.

 Ich konnte nicht der Grund für eine Trennung sein.

Mein Blick schwirrte durch den ganzen Raum und ich sah zu meiner besseren Hälfte.

„Verzeih mir", sagte ich  und griff nach meinem Autoschlüssel. Die anderen Schlüssel legte ich auf mein Schreibtisch. Die brauchte ich nicht mehr.

„Nefes gitme!" rief Sinem, voller Hoffnung. Ihr Blick zerstörte mich. 

Als ihr Vater sie verließ, sah sie ihm ebenfalls so an. Wie ein hilfloses Kind.

„Du hast mir versprochen niemanden zu sagen wohin   ich gehe!"

Sie nickte weinend und umarmte mich. Ich übergab ihr diesen Brief.

„Gib das meinem Bruder okay?" Sie nickte weinend. 

„Was soll ich ohne dich machen? Nefes geh nicht, ich flehe dich an!"

„Sinem ich muss gehen, besser für alle!"
Sinem zog ihre Augenbrauen zusammen.

„Für wen besser Nefes?!", schrie sie. Ich drehte ihr meinen Rücken und öffnete meinem Wagen.

„Für Selin? Für diese Schlange? Du kannst sie doch nicht mit deinem Bruder alleine lassen?"

Ich beantwortete ihre Frage nicht und stieg in mein Aut. Ich startete mein Wagen und fuhr los.
Ich fuhr wild, doch es war mir egal. Meine Gefühle hatte ich schon seit Wochen abgeschaltet. Ich musste weg von hier. Ich parkte kurz an der Straßenseite und warf meine Sim Karte  weg und tat meine neue Karte rein. Ich würde später Sinem anrufen. Sinem war die einzige, der ich noch blind vertrauen konnte.
Sie ähnelte meiner Mutter zu sehr. Sinem könnte ihre Tochter gewesen sein, während ich immer das Gegenteil meiner Mutter blieb.
Ich wischte meine Tränen weg, als ich an sie dachte. An ihr kreidebleiches Gesicht. Als sie starb, weil mein Vater starb.
Nach Stunden kam ich in der wildfremden Stadt an.
Ich stieg vor der Wohnsiedlung aus und sah mich um. Es war schon sehr spät und dunkel. Außerdem war es kalt, doch tief in mir war es viel kälter.
Ich nahm mein Koffer aus dem Kofferraum und schloss mein Wagen ab.
Mit meinem schweren Gepäck in der Hand betrat ich das Apartment.
Ich Schloß die Tür auf und machte die Lichter an. Alles war schon fertig eingerichtet, ich hatte Leute dafür beauftragt. Ich tat mein Koffer bei Seite und ging duschen. Ich sah mich im Spiegel an und erfror als ich die Leere in meinen Augen sah. Ich wollte weinen, doch konnte ich nicht. Ich wollte Schreien, doch die dazu benötigte Kraft hatte ich nicht.

Sil BaştanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt