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Azra

Am Abend vor dem Standesamt

Gemeinsam mit Savas stiegen wir in sein Wagen und fuhren zu mir.
„Danke, dass du mich jedes Mal fährst", lächelte ich.
„Kein Ding", ich konnte mir nicht erklären warum er plötzlich so nett zu mir war, hatte er Mitleid mit mir?
Mein Lächeln verschwand und ich verabschiedete mich leise und stieg aus dem Wagen.
Wie immer fuhr er erst los als ich die Haustür öffnete.
Genau in dem Moment klingelte mein Handy. „Aziz" ohne zu zögern drückte ich ihn weg und legte mein Handy bei Seite.
Ich ging in mein Zimmer und suchte einen Outfit für morgen. Das wäre mein erster Standesamt nach meiner. Ich wusste nicht wirklich, ob mir das morgen alles gut tun würde.
Ich schloss seufzend meine Augen und riss sie auf als ich diese dunklen Augen vor mir sah.
Kendine gel! (Komm zu dir)
„Er hat doch nur Mitleid mit dir. An Savas würdest du dich doch nur verbrennen.", sagte mein Inneres zu mir selber. Noch ein Mal würde ich mich nicht verlieben. Noch ein Mal würde ich mich nicht an einem Mann verbrennen.
...
Am nächsten Tag klingelte es. Ich wollte gerade los zum Standesamt. Ich hatte ein Kleid von Nefes an, welches sie mir mitgegeben hatte. Erst wollte ich kein Kleid anziehen, doch es war wunderschön! Meine Haare hatte ich an den Spitzen gelockt und mich geschminkt.
Als ich die Tür öffnete sah ich wieder diese dunklen Augen. „Hey, was machst du denn hier?", Savas blickte mich von oben bis unten an und schien verwirrt zu sein. „Nefes", sagte er. Ich schüttelte lächelnd mein Kopf. Sie sorgte sich immer so sehr um mich.
Nickend zog ich mir meine Schuhe an und schloss die Tür ab.
Ich spürte seine Blicke auf mir.
„Bin ich so hässlich?", fragte ich lachend. Savas sah mich überrascht an. „Nein, als ob du es nicht wüsstest", redete er darauf los. „Was wüsste ich nicht?", fragte ich. „Du meinst es ernst?", seine Stimme war verwirrt. Er runzelte seine Stirn und blickte mir konzentriert in die Augen. „Du bist wunderschön, Azra.", deine Stimme klang nicht so selbstsicher wie immer, eher zögernd. Ich war geschockt. Ich würde niemals darauf kommen, dass einer wie Savas mich wunderschön finden würde.
„Und du bist dir deiner Schönheit nicht mal im Klaren", er schüttelte sein Kopf und fuhr endlich los.
Ich wusste nicht was ich sagen sollte.
Wir waren etwas später da als wir es sein sollten.
„Wegen dir sind wir zu spät", sagte er. Ich sah ihn belustigt an. „Woher soll ich wissen, dass du mich abholst?", fragte ich und schüttelte mein Kopf.
In dem Moment empfing uns Nefes. Die blonde Schönheit empfing uns herzlich und grinste mich schon an, weil wir im Gespräch vertieft waren.
Zum Glück waren Burak und Duygu noch nicht anwesend.
Ada begrüßte mich und danach kamen schon Duygu und Burak.
Ich hatte es mir wirklich viel schlimmer vorgestellt.. Mit viel Schmerzen, doch ich dachte nicht mal wirklich an Volkan.
Er hatte wirklich die Gefühle die ich gegenüber ihn hatte getötet.
„Emotionale Abhängigkeit Azra, keine Liebe!", rief mein Inneres.
Ich konnte mich immer erinnern, wie sehr meine Schwester Volkan mir ausreden wollte. Ich war so dumm! So naiv, dass ich das alles nicht hinterfragt hatte.

„Azra, Volkan ist ein Arschloch. Denkst du wirklich er ändert sich für dich?", das war das erste was sie mir sagte als ich ein Monat mit ihm zusammen war.
Dieses Mal füllten sich meine Augen nicht. Ich wusste ehrlich  nie wie lange das ging, wann diese Affäre angefangen hatte. Es war mir auch egal. Das tat doch nichts zur Sache!
Vier Jahre lang war ich mit diesem Charakterlosen Mann zusammen.
„Azra", hörte ich Nefes. Ich blickte zu ihr. „Alles gut?", fragte mich Savas. Ich blickte in seine besorgten Augen. Und sah neben bei wie Nefes grinste, sie war so eine Hexe!
Als erstes liefen Burak und Duygu zur Tanzfläche, gleich würden sie standesamtlich heiraten.
Als ich das Lied hörte bekam ich Gänsehaut.
Sie sahen so glücklich aus!
Danach tanzten auch die anderen Paare. Ich merkte wie Savas neben mir stand und mich ansah. „Azra". Ich blickte gespannt zu ihm. Genau in dem Moment hörte ich  eine Frau Savas rufen. „Savas", Ich blickte ihr ins Gesicht und merkte, dass es Meryem war.
Sie blickte lächelnd zu Savas. Man wieso mochte ich sie nicht? Ich nahm mein Blick von ihr und schaute auf die Tanzfläche. Nefes sah geschockt zu Meryem.
„Meryem", sagte Savas. „Ich hatte gar nicht erwartet, dass du kommst", Meryem nickte. „Duygu hatte mir kurzfristig geschrieben, als sie erfahren hat, dass ich wieder back bin.", sie sah auf die Tanzfläche. „Duygu sieht so schön aus!", danach widmete sie sich zu mir. „Oh Azra? Was machst du denn hier?", fragte sie. Ich sah sie verwirrt an. Doch bevor ich reden konnte, redete Savas für mich. „Sie ist sehr gut mit Nefes befreundet, wer sonst soll kommen?", Meryem nickte und ihr Lächeln verblasste.
Ich lief zu Yagmur Abla, die mit den Kindern beschäftigt war.
„Ist das Meryem?", fragt sie skeptisch. Ich nickte. „Sen kiskanmissin!", plapperte sie los. (Du bist eifersüchtig geworden)
Ich zog meine Augenbrauen zusammen. „Bitte?", fragte ich. „Egal. Was will sie denn hier? Sie soll sich nicht wieder an Savas ran machen", sie wirkte gereizt. „Wieso? Sie passen ganz gut zusammen" Yagmur blickte mir nicht wirklich glaubend in die Augen, sie kaufte es mir nicht ab. Ich bin ehrlich, ich selber kaufte es mir auch nicht ab!
Wen wollte ich verarschen? Mich selber! Definitiv.
„Schau sie dir mal an. Sie sieht aus wie ein Model", sagte ich. „Azra, du bist viel hübscher als sie! Wieso bemerkst du deinen Wert nicht?" Genau in dem Moment lief Yaman Abi auf sie zu und umarmte sie von hinten. „Ben geldim, Yagmurum." (Ich bin gekommen) Yagmurs Augen leuchteten auf.
„Baba", lief Yasar auf Yaman Abi zu.
Ada stand neben mir und blickte zu den dreien. Ich konnte spüren, wie sie der Anblick einer Familie verletzte.
Ich bückte mich zu Ada. „Du und Duygu werdet auch eine Familie, glaub mir", sagte ich.
„Wirklich? Eine richtige Familie?" Ich nickte. Sie lächelte und ihre Grübchen kamen zum Vorschein. Genau als ich in Savas Richtung sah, traf sein Blick meinen. Ich schaute sofort weg.
Der Tanz neigte sich dem Ende und Duygu und Burak nahmen am Tisch Platz. Reyhan Teyze wirkte so aufgeregt, sie lief die ganze Zeit hin und her.
„Kann ich dir helfen, Reyhan Teyze?", sie schüttelte liebevoll ihren Kopf. „Nein, canim. Alles gut."
Genau in dem Moment kamen die Trauzeugen von Duygu und Burak. Es waren Nefes und Savas. Ich war überrascht da ich das nicht wusste. Okay Nefes war die beste Freundin von Duygu, doch Savas?
„Mein Vater und Savas sind richtig gute Freunde", Ada sah mein verwirrtes Gesicht und half mir. „Du bist so ein Schatz, woher weißt du an was ich denke?", fragte ich sie. „Es bleibt unter uns, ja?" Ich nickte lächelnd. Sie machte ne Handbewegung, weswegen ich ihr näher kam. „Savas hat mir beigebracht wie man zaubern kann.", Ich lachte darauf los. „Es bleibt unser Geheimnis, versprochen!", sagte ich.
„Möchten Sie Frau Yilmazer, Herr Sahin zum Mann nehmen?", Duygu sah so überglücklich aus. „Ja!"
„Und sie Herr Sahin, möchten sie Frau Yilmazer.." „Ja", ich lachte. Er war so aufgeregt.
Die Beamtin lachte ebenfalls.

„Somit sind sie Mann und Frau."

Und so nahm der Abend seinen Lauf. Es verlief wundervoll. Ich merkte, wie distanziert Nefes zu Meryem war. Ada und Yasar waren die ganze Zeit bei mir. Yagmur redete mir ein paar Gästen. Es war sehr schön. Es herrschte eine familiäre Atmosphäre. Nur Nefes lief die ganze Zeit hin und her und wurde von Koray böse angeguckt. Er schüttelte jedes Mal seinen Kopf über seine Frau, da sie jeden alles recht machen wollte. Auch wenn es nur ein Standesamt war, es wurde ebenfalls getanzt und essen serviert.
Ada schlief in meinen Armen ein und Yasar war kurz davor einzuschlafen.
Yagmur kam lächelnd auf uns zu und nahm Yasar in die Arme. Gemeinsam mit ihren Mann verabschiedeten sie sich von uns und verließen den Saal.
Genau in dem Moment kam Nefes und blickte liebevoll zu ihrer Nichter. „Hey, soll ich sie schon mit  nehmen? Ich wollte eh schon los", sie sah mich dankend an doch schüttelte ihren Kopf. „Es ist nicht deine Aufgabe, wir hatten was mit Savas vereinbart. Aber er kann euch beide fahren", Savas der das mitbekam stand neben Meryem.
Meryem blickte nur überrascht zu Nefes.
„Savas, fährst du die beiden zu uns?". Er nickte und nahm liebevoll Ada in seine Arme. Lächelnd beobachtete ich die beiden, bis ich merkte, dass Meryem mich dabei erwischte. Ihre Blicke waren nicht positiv, eher sehr distanziert.
„Könnt ihr dann Meryem fahren?", fragte Savas. „Sie ist ohne Auto da", sagte Savas. Koray der dazu kam nickte. Genau in dem Moment kam Burak und sah seine Tochter an. „Sie schläft heute bei euch, wenn was passiert meldet ihr euch!", sah er Nefes ernst an. Nefes nickte. „Schon gut! Wir können schon auf ein Kind aufpassen, Abi!" „Canim, ich zweifle doch nicht daran!", er küsste Nefes auf die Stirn. Es war so als würde mir jemand ein Schlag ins Gesicht verpassen. Ich vermisste Aziz so sehr. Er war immer wie ein großer Bruder für mich. Er wollte mich immer vor allem beschützen. Wie konnte er mir so hintergehen?

Savas warf ein Blick auf mich zu und so stand ich auf und wir gingen gemeinsam zum Auto. „Azra öffnest du bitte die Tür?", nickend nahm ich sein Schlüssel aus der Hand. Unsere Hände berührten sich. Ich entzog ihn schnell den Schlüssel aus der Hand und öffnete die Tür.
Ich spürte seine Blicke auf mir. Er setze Ada hinten rein. Ich saß mich nach hinten zu ihr, so konnte sie sich in Ruhe hinlegen.
Savas setzte sich nach vorne ans Steuer und fuhr los. „Du liebst sie sehr oder?", ich nickte lächelnd und strich über ihr wunderschönes Gesicht.
„Man kann sie doch nur lieben", flüsterte ich und sah wie Savas lächelte.

Nefes

„Wir konnten den ganzen Abend lang nicht reden, wie  geht es dir? Ich habe gehört du kannst keine Kinder.", in dem Moment unterbrach Koray sie. „Meryem, hör auf so unverschämt zu sein!", rief er ohne die Beachtung der anderen. Burak und Duygu waren schon weg. Duygu dachte, sie fuhren nach Bremen, doch waren hier in Berlin. Er zeigte Duygu das neue Haus in dem die drei wohnen werden.

„Sevgilim, beruhige dich", ich hielt liebevoll seine Hand und blickte zu Meryem. „anscheinend konnte die Türkei nicht mal wirklich gut tun, schade.", sagte ich. Meryem vergrößerte ihre Augen. „Es war nicht böse gemeint", ich nickte. „Ich wünsche dir noch einen schönen Abend", sagte ich. Sie würde nicht mit uns mitfahren.
„Ach Meryem", sie drehte sich um. „Yeliz öldü diye, Savasin sana bakacagi anlamina gelmiyor. Bunu sakin unutma." (Yeliz Tod ändert nichts an der Tatsache, dass Savas nicht mit dir zusammenkommen wird)

Sie wollte was sagen, doch verkniff es sich und ging.

„Was wenn Savas Meryem ihr noch eine Chance geben will?", ich blickte belustigt zu meinem Ehemann. „Glaubst du auch daran, was du sagst?" „Ein Mensch der einen Menschen nie geliebt hat, denkst du die Zeit ändert etwas daran?", er seufzte und gab mir recht.

„Ich sehe doch wie er Azra anschaut. So was entgeht mir nicht. Ich musste nicht mal viel machen." Koray schüttelte lachend sein Kopf. Und so räumten wir die letzten Sachen auf und fuhren nach Hause.

Azra

Wir schwiegen uns die ganze Fahrt lang an. Als wir vor dem Haus ankamen, trug er Ada vorsichtig in ihr Zimmer, während ich mich im Wohnzimmer umblickte. Ich blieb an einem Bild hängen, worauf Duygu, Nefes und Yeliz abgebildet waren. Sie war so schön. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ihre Augen strahlten. Wieso musste der Tod manchmal so früh kommen?

Savas räusperte sich und ich zuckte zusammen. Als ich in seine Augen blickte sah ich wieder diesen Schmerz.

Sil BaştanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt